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Friedländer, Max J.; Rosenberg, Jakob; Cranach, Lucas <der Ältere> [Ill.]
Die Gemälde von Lucas Cranach — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.11059#0016
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Die Holzschnitte, Gemälde und Zeichnungen, die Cranach zwischen 1501 und 1504
geschaffen hat, treten als geschlossene Gruppe den später — in Wittenberg — ent-
standenen Werken gegenüber. Innerhalb der Wiener Gruppe aber ist ungeduldiges
Ausgreifen nach mehr als einer Seite zu spüren.

Cranach kam 1472 in Kronach zur Welt. Diese Stadt liegt in Franken, in der Diözese
Bamberg, aber nur etwa 25 Kilometer entfernt von Koburg, das zum Herrschafts-
gebiete der sächsischen Fürsten gehörte. Lucas lernte bei seinem Vater Hans, der
Maler war1), und scheint bis etwa 1498 in der Heimat tätig gewesen zu sein2). Die
Familiennamen Sunder (Sonder) oder Müller, über die in der älteren Literatur viel
debattiert worden ist, fallen dahin. In den Urkunden wird Cranach regelmäßig
„Lucas Mahler" genannt, wie sein Vater: Hans Maler. Die Berufsbezeichnung mag
als Familienname gedient haben oder dafür gehalten worden sein.
Was die in Kronach heimische Kunstübung betrifft, fehlt uns jegliche Anschauung.
In der kritischen Zeitspanne, in der Lucas in der Werkstätte seines Vaters die Aus-
bildung und die ersten Anregungen empfing, wurde, soweit wir sehen, das gesamte
nordfränkische und sächsische Gebiet von Nürnberg her beherrscht, so daß
der Blick eines strebenden Lehrknabens dorthin als auf die herrschende Kunst-
stätte hingelenkt wurde. Das einzige in Kronach aus jenen Tagen erhaltene
Monument3), die in Stein gehauene Figur des Täufers über dem Hauptportale der
Kirche, mit dem Datum 1498 (Textabb. 2), also — merkwürdigerweise — gerade aus
dem Jahr, in dem, soviel wir wissen, die erste dunkle Periode der Cranachschen
Wirksamkeit sich ihrem Ende näherte, ist ein keineswegs provinziell zurückgeblie-
benes, vielmehr erstaunlich frei gestaltetes Werk. Ohne die örtliche Bindung würde
es dem Stile nach als bayerisch angesprochen werden4). Ob wir diese überraschende
Erscheinung so oder anders deuten, ob wir annehmen, daß ein in Kronach seßhafter
Meister es geschaffen oder ein aus dem Süden dorthin gerufener Steinmetz, in beiden
Fällen kann ein entscheidender Anstoß auf Lucas von diesem Bildwerk oder doch
von dem Meister, der es ausgeführt hat, gewirkt haben.

Im Jahre 1503 weilte Cranach in Wien. Diese Tatsache ist das sichere Ergebnis stil-

Nach Scheurls 1509 gedruckter Rede.

2) Nach Ermittlungen des Stadtbaurates J. Werner im Archiv zu Kronach. Vgl. P. Strack, Familiengeschicht-
liche Blätter, Leipzig 1925, Heft 8.

3) Auf die Bedeutung dieser Skulptur hat Dr. Rosenberg aufmerksam gemacht.

4) Eine nähere Untersuchung des Sockels durch Stadtbaurat Werner in Kronach brachte außer dem Datum
noch die Künstlersignatur: Hans Hart(lin) zutage. Ein Meister dieses Namens ist in den Kronacher Akten
nicht erwähnt, das Material der Figur ist jedoch in Kronach heimischer Sandstein.

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