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als einzige unserer Gruppe mehr als Namen und Datum:
„Damit die Nachwelt Bartolommeo Ferratini im Gedächtnis
bewahre, hat er aus den Ersparnissen sich und den Seinen
dieses Haus errichtet.“ Ohne Zweifel gehörte die Hoffnung
auf Nachruhm zu den wichtigsten Motiven der neu erwach-
ten Baulust. Schon gegen 1475 ließ Federico da Montefeltre
im Hof seines Palastes zu Urbino eine lange Inschrift an-
bringen, die besagt, er habe den Bau „gloriae et posteritati
suae“, „seinem Ruhm und seinen Nachkommen“, errichtet.
Und gegen Ende des 15. Jahrhunderts sah Filippo Strozzi
in einem prächtigen Palast den sichersten Weg, sich und den
Seinen zu dauerndem Ruhm im In- und Ausland zu ver-
helfen18. Der Dichter Giovanni Pontano empfahl während
der gleichen Jahre einem jeden echten „Magnifico“, er solle
nicht zu groß, doch verschwenderisch in Schmuck und
Material bauen, um dem Gebäude jene Vollkommenheit
und Dauer zu verleihen, die Bewunderer aus aller Welt an-
locken und Dichter wie Chronisten zur Verewigung seines
Gedächtnisses veranlassen könnten19.
Die gleiche Ruhmsucht dürfen wir bei den römischen
Bauherrn vermuten. Wenn große Inschrifttafeln, Portale,
Fenster, Kamine, Friese und Kapitelle ihr Wappen und
ihren Namen bewahren, wenn strenge Fideikommisse den
Namen und die Nachkommen des Bauherrn an den Palast
zu binden versuchen oder antikisierende Gedichte den Preis
des Erbauers singen: stets steht die Person des Bauherrn im
Vordergrund. Es ist die gleiche Gesinnung, die aus den
Grabmonumenten dieser Jahrzehnte spricht und die sich
auf keine kürzere Formel als die Worte „monumentum
vivens sibi posuit“ im Epitaph des Kardinals G.B. Savelli
in S. Maria in Araceli (1498) bringen läßt. Die zahllosen
antiken Inschriften an Triumphbögen, öffentlichen Ge-
bäuden oder Grabmälern mußten diesem Trieb gerade in
Rom stets neue Nahrung geben.
Doch es hieße die Lebensfülle jener Epoche unterschät-
zen, wollte man die neue Baulust allein auf die Ruhmsucht
der Bauherren zurückführen. Die spätquattrocenteske Por-
talinschrift im Pal. Castani zu Mailand „Elegantiae publicae
et commoditati privatae“ bringt zwei weitere Hauptmotive
zum Ausdruck, die ganz von der Gegenwart ausgehen: den
Glanz der Stadt und die Bequemlichkeit der Hausbewoh-
ner20. Beide Motive kehren auch in den Quellen unseres
Zeitraums mehrfach wieder. So heißt es in der Schenkungs-
urkunde des Pal. Giraud von 1504, er gereiche „ad non
parvum Urbis decorem et splendorem“, in einem Vergleich
18 Gaye, Carteggio, I, 354; Burckhardt ed. Holtzinger 1904, 13;
Ackerman, loc.cit.
19 Burckhardt ed. Holtzinger 1904, loc.cit.
20 loc.cit.

vom 12. V. 1520, die Farnesina sei „cum maximo almae
Urbis ornamento“ gebaut worden und in einem Breve vom
23. V. 1530, der Kardinal della Valle habe seinen Palast „pro
suo posteriorumque suorum usu et commoditate urbisque
decoro“ errichtet21. Das Bedürfnis des Bauherrn, sich und
seine Familie durch einen Palast auszuzeichnen, traf sich
mit dem Wunsch der Päpste nach der Erneuerung Roms.
Hatten die Päpste seit Nikolaus V. und Sixtus IV. begonnen,
den vatikanischen Palast, das Kapitol, die Kirchen, Brücken,
Straßen und Plätze wiederherzustellen, so war es die Auf-
gabe der bemittelten Einwohner, auch dem Straßenbild
neuen Glanz zu verleihen. Das Straßenbaugesetz Sixtus’IV.,
die Institution der „Magistri stratarum“ sowie zahlreiche
Vergünstigungen sollten die Baulust beleben. Die Kardinäle
machten den Anfang, und später folgten Prälaten und Pa-
trizier. Wie leidenschaftlich die Päpste an jedem größeren
Projekt beteiligt waren, lehren die Besuche Julius’ II. in den
Pal. dei Tribunali, Doria Pamphili und in der Farnesina oder
Leos X. in der Villa Madama und im Pal. Farnese. Eine
Notiz des Jahres 1513 läßt sich dahin interpretieren, daß
Alexander VI. die treibende Kraft beim Bau des Pal. Giraud
war. Und die Anekdote, Julius II. habe Chigi während einer
Besichtigung der halbfertigen Farnesina mit dem Hinweis
auf den prächtigeren Pal. Riario zum Bau des Marstalls an-
gestachelt, klingt so glaubhaft, daß man die Anregung des
Papstes auch hinter anderen Privatbauten vermuten möchte.
Wie die Päpste die bedeutendsten Architekten in Rom ver-
einigten und in Projekten wie dem Cortile del Belvedere,
dem Pal. dei Tribunali, den Loggien oder der Villa Madama
grandiose Vorbilder schufen, so ist es auch den Päpsten zu
danken, daß Römer und Toskaner, Bürgertum und Klerus
nun auf dem Felde der Palastarchitektur ihre Kräfte zu
messen begannen. Wieviel von der Initiative einiger weni-
ger abhing, lehren Städte wie Mantua, wo ein großzügiger
Bauherr und ein bedeutender Architekt in zwei Jahrzehnten
den Wandel des Stadtbildes einzuleiten vermochten, wie
Vicenza und Genua, wo große Architekten die Baulust der
Patrizier entfachen konnten, oder auf der anderen Seite
Siena, wo das Bürgertum sich mit seinen mittelalterlichen
Palästen begnügte und das Talent Peruzzis jahrelang für
bloße Ingenieursarbeiten mißbrauchte. Großzügige Bau-
herrn, anregende Architekten und eine günstige wirt-
schaftliche Lage mußten zusammenkommen, um jenen
Wettbewerb auszulösen, der in Rom gegen Ende des
Pontifikates Leos X. kulminierte.
„Elegantiae publicae et commoditati privatae“ heißt es in
der Inschrift des Pal. Castani, „Pietati et commodo ponti-
21 s. Bd. II, 337, Dok.21; s. auch die Grabungserlaubnis für Kard.
Lorenzo Pucci von 1524, S. 146f., Antn. 7.

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