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gung des Marktes vom Kapitol auf Piazza Navona und mit
dem Bau einiger Paläste (Gottifredi, Orsini, Cupis, Castel-
lesi-Cibö) entstand hier nun ein echter Platz. Andrea Fulvio
spricht um 1513 bereits vom schönsten Platz der Stadt; die
jährlichen Karnevalsaufzüge verhalfen zu weiterem Glanz.
So ist es verständlich, daß Leo X. und seine Architekten in
Versuchung gerieten, die Flucht des Pal. Medici bis an die
Piazza Navona heranzuschieben. Das Gelände zwischen
dem alten Palast und dem Platz sollte durch einen Drei-
flügelhof mit umlaufenden Portiken ausgefüllt werden, der
als grandioser Cour d’Honneur, als Theaterhof und als
Tribüne für die Besichtigung der Karnevalszüge geeignet
gewesen wäre, ohne aber den Durchgangsverkehr der alten
Piazza Lombarda völlig abzuschneiden. Die Piazza Navona
selbst ist auf Giulianos Entwurf am südlichen Ende halb-
kreisförmig erweitert, so daß sie sich symmetrisch zur Tie-
fenachse des Medicipalastes verhält: Offensichtlich sollte
sie zu einer Piazza Medicea werden. Denn der neue Medici-
palast hätte sie noch viel eindeutiger beherrscht als die
späteren Bauten der Pamphili. Nach Osten hätte die Tiefen-
achse des Palastes in der Salita dei Crescenzi ihre Fortset-
zung gefunden und damit den Rücktrakt des Palastes un-
mittelbar mit der Vorhalle des Pantheon verbunden. Die
breiteren seitlichen Loggien des Innenhofes lehren, daß die
Einfahrt von den Seitenstraßen aus erfolgen sollte.
Giuliano da Sangallos Projekte haben zuweilen utopi-
schen Charakter und spiegeln nicht immer die Vorstellun-
gen des potentiellen Auftraggebers. Daß sein Projekt für
den Umbau des Pal.Madama j edoch nicht als unverbindlicher
Vorschlag zu betrachten ist, zeigt das Alternativprojekt
UA 1259 seines nüchterneren Neffen Antonio32 (T. 177 c, d).
Der topographischen Skizze der Vorderseite ist zu ent-
nehmen, daß das südliche Nachbargrundstück ebenfalls
einbezogen und die vordere Fassadenflucht ebenfalls bis an
Piazza Navona vorgelegt werden sollte, so daß die Piazza
Lombarda völlig verbaut worden wäre. Der Grundriß der
Rückseite rechnet mit einer geschlossenen Platzfassade ohne
Theaterhof, einem dreischiffigen Atrium vom Typ des Pal.
Farnese, zwei quadratischen Innenhöfen, einer zweiarmi-
gen Treppe und einem rückwärtigen Garten - all dies in
streng tiefenaxialer Abfolge. Die zweimalige Aufschrift
„papa“ und „papale“ bestätigt, daß Leo X. selbst der Auf-
traggeber war - ähnlich wie Paul III. im Falle des Pal.
Farnese. Freilich war hier nicht eine neue Residenz vor-
gesehen: Keines der beiden Projekte scheint auf die spezi-
fischen Bedürfnisse des päpstlichen Zeremoniells Rück-
sicht zu nehmen.
Es ist fraglich, ob Antonios Projekt ebenfalls in das Jahr
32 Giovannoni 1959, 278ff., fig. 237f.

1513 datiert werden kann, wie Giovannoni und andere an-
genommen haben. Dagegen sprechen neben stilistischen
Gründen wie der engen Verwandtschaft einiger Motive mit
dem um 1516/17 begonnenen Pal. Farnese auch die Abwei-
chungen von Giulianos Projekt in urbanistischer Hinsicht.
An der östlichen Rückfront ist das Grundstück um einen
breiten Streifen beschnitten und auf die Flucht der benach-
barten Piazza S. Luigi dei Francesi abgestimmt. Die Piazza
S. Luigi stellt aber den Endpunkt jener breiten Pracht-
straße dar, deren Trassierung gegen 1516 von Raffael und
A. da Sangallo d. J. begonnen wurde: der Via Ripetta33. Im
Sommer 1518 konzedierte Leo X. den Franzosen ein Stück
öffentlichen Geländes und ermöglichte damit den Bau einer
neuen Nationalkirche, deren Protektor Kardinal Giulio dei
Medici war34. Gleichzeitig wurde auf dem Platz vor der
neuen Kirche ein kleiner Rundtempel begonnen, dessen
reicher Reliefschmuck die Impressen König FranzT. von
Frankreich mit jenen Leos X. vereinigt35. Die politischen
Voraussetzungen für diese Manifestation brüderlicher Ein-
tracht waren im Herbst 1515 durch die Begegnung FranzT.
und Leos X. in Bologna geschaffen worden36. So heiratete
Lorenzo, der Neffe des Papstes, im Herbst 1518 eine enge
Verwandte des Franzosenkönigs; und so unterstützte Leo
die Kandidatur Franz’ I. für die Kaiserkrone mit allen ihm
verfügbaren Mitteln37. Ihren anschaulichsten Niederschlag
fand seine frankophile Gesinnung in Raffaels „Krönung
Karls d. G.“ von etwa 1516, wo Karl d. G. die Züge Franz’ I.
und der krönende Papst die Züge Leos X. trägt38.
33 Mercati 1923; P. Paschini, Da Ripetta a Piazza del Popolo. Note di
edilizia cinquecentesca, in: Roma 3 (1925), 211-220; Gnoli 1939,
141 f.: „pro iectitu vie leonine perficiende usque ad plateam
Sancti aloisi nationis Gallorum de urbe“; die früheste mir bekannte
Erwähnung eines Ausbaus der Via Ripetta stammt aus dem Jahre
1517: „imponitur taxa pro sternenda lateribus via que nunc de
Ripetta“ (ASV, Divers. Camer., Arm. 29, vol. 67, fol. 25); C.
D’Onofrio, Gli obelischi di Roma, Rom 1965,155f. Am 19.IV.1516
kauft Lorenzo dei Medici, seit wenigen Wochen Alleinbesitzer
des Palastes, ein bebautes Grundstück, „quibus domunculis, et
area ab uno latere est hospitale Santi Aloysii Nationis Gallorum,
ante est via publica, et ab alijs lateribus sunt res praefati quon-
dam Magnifici et Illustrissimi Domini juliani (sic!) de Medicis“
für 1400 D. von einem Dominus Bonifatius (s. Bd. II, S. 227,
Antn. 41). Der Kontrakt beruft sich ausdrücklich auf die Zu-
stimmung der Straßenmeister und das Gesetz Sixtus’ IV. zur
Verschönerung Roms, und so ist er ein weiterer wichtiger Beleg
dafür, daß um 1516/17 die Pläne zur Erneuerung des Pal. Ma-
dama und seiner urbanistischen Umgebung in ein konkreteres
Stadium eintraten.
34 P.Lacroix, Memoire historique sur les institutions de la France ä
Rome ..., Rom 1892, 318f.; Lesellier 1931, 233ff.
35 VasMil, I, 122; Lesellier 1931.
36 Pastor IVi, 156, 165.
37 op.cit., 175ff.
38 Oberhuber 1962, 24.

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