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Frommel, Christoph Luitpold
Der Römische Palastbau der Hochrenaissance (Band 1): Text — Tübingen: Wasmuth, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.59325#0035
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damit dortauf Kosten der Apostolischen Kammer ein Wap-
pen Leos X. angebracht werden könne40. Eine solche visu-
elle Auszeichnung der Häuserinsel erinnert unmittelbar an
Raffaels Pal. J.da Brescia von 1515, dessen wappenge-
schmückte Schmalfront ja ebenfalls an einer urbanistisch
bedeutenden Straßengabelung lag. Erst unter Sixtus V. und
Alexander VII. hat die Piazza del Popolo eine architekto-
nische Gestalt erhalten, die ihrer Lage, ihrer Bedeutung und
den Vorstellungen ihrer ersten Planer entsprach41.
Im Gegensatz zur Piazza del Popolo schritt die Bebauung
der neuen Via Ripetta rasch voran. Seit 1519, vor allem aber
im Pontifikat Clemens’ VII. (1523-34), hören wir von zahl-
reichen Neubauprojekten wie dem Ospedale S. Giacomo in
Augusta mit seiner kleinen Kirche S. Maria in Porta Para-
disi, dem Hospital von S. Rocco, den Palästen des Arztes
Balami, Aldobrandino Orsinis, Sigismondo Chigis oder
Antonio Baschenis’. Zwischen der Ripetta und Piazza Mon-
tedoro sollte sogar eine vornehme Künstlersiedlung ent-
stehen, an der sich Peruzzi, Giulio Romano, A. da Sangallo
d. J., Lorenzetti und andere beteiligen wollten42.
Die Breite der Via Ripetta übertraf mit etwa Ilm alle bis-
herigen Straßen der Renaissance. In ihrer nördlichen Hälfte
wurde sie von einem nahezu rechtwinkligen System von
Seitenstraßen begleitet, die sie mit dem Tiberufer und Via
del Corso verbanden. Die Zeichnungen UA1582 und UA
602 können eine Vorstellung von den radikalen Änderun-
gen dieser Zone vermitteln43 (T.20c,d). In der südlichen
Hälfte mußte man schon wegen der vorhandenen Häuser
behutsamer vorgehen. Daß die Seitenstraßen rechtwinklig
zur Via Ripetta und nicht zur Via del Corso verlaufen, zeigt
den Vorrang der Via Ripetta. Nur die östlichen Seiten-
straßen der Via del Corso zweigen im rechten Winkel ab und
stoßen im spitzen Winkel auf die Via Babuino. So ergibt
sich eine hierarchische Rangfolge des Dreistrahls von West
nach Ost und nicht von der Mittelachse zu den Seiten-
straßen, die auch als das Ergebnis einer allmählichen Aus-
weitung des ursprünglichen Projektes zu deuten ist.
Nicht alle nördlichen Seitenstraßen biegen genau im
rechten Winkel von der Via Ripetta ab. So sind es bei der
40 Am 14. XII. 1520 verpflichtet sich Lodovico del Nero: „... facere
muros in tribus faciebus dicti soli usque ad primum solare infra
sex menses proxime futuros et in angulo platee et vie Leonine
facere angulum ex lapidibus tiburtinis usque ad primum solare ad
effectum ut possit in dicto angulo apponi et murari arma sanctissimi
nostri pape sumptibus camere et non ipsius dominj ludovici et hoc
sub pena viginti quinque ducatorum auri de Camera ...” (ASR,
Coll, Not. Cap., Stefanus de Amannis, vol. 65, fol. 237 rs.).
41 H. Hager, Zur Planungs- und Baugeschichte der Zwillingskirchen
auf der Piazza del Popolo ...,in: RömJbKGll (1967/68), 189ff.
42 s. Bd. II, 41 f., 299.
43 loc.cit.

den Ospedale di S. Giacomo in Augusta tangierenden Via
Canova (früher Via S. Giacomo) nur etwa 82°. Grund dafür
war gewiß die Planung des Hospitals seit etwa 1518/1944.
Einem Erlaß Leos X. von etwa 1519 ist zu entnehmen, daß
er größten Wert auf eine repräsentative Ausgestaltung des
Hospitalgeländes sowohl zur Via del Corso als auch zur Via
Ripetta legte und das nicht zuletzt in der Hoffnung, sich
damit das Gedächtnis der Nachwelt zu sichern45. Peruzzis
Projekt UA577 und Sangallos Projekte UA 578,871,873
zeigen, daß sich die Straßenecken des unregelmäßigen
Hospitalgeländes wesentlich besser für zentralbauförmige
Kapellen als für Hospitalräume oder Höfe ausnutzen
ließen46. In diesen Projekten ist die Gestaltung des Ripetta-
traktes noch offen. Bezeichnenderweise legte Sangallo dann
in dem der ausgeführten Eckkapelle S. Maria in Porta Para-
disi und damit dem endgültigen Projekt nächststehenden
Entwurf UA 870 die Hauptkirche genau in die Mitte zwi-
schen Via Ripetta und Via del Corso, weitete die Via Canova
vor ihrem Fassadenportikus zu einem Platz aus und füllte
die beiden unregelmäßigen Ecken mit Kapellen über okta-
gonalem Grundriß. Und indem er zwischen die östliche
Eckkapelle und Via del Corso einen zwickelförmigen Vor-
platz einschob, stellte er die Symmetrie der Anlage vollends
her. Nirgends sind die urbanistischen Vorstellungen der
Hochrenaissance besser abzulesen als in dieser nordöst-
lichen Zone der römischen Altstadt, wo man wesentlich
freier planen konnte als im Borgo oder im Tiberknie. Hier
wird auch deutlich, daß man das übergeordnete System des
Dreistrahls durchaus mit dem älteren Schachbrettsystem zu
vereinbaren verstand. Die Besiedelung dieser Zone machte
so rasche Fortschritte, daß um die Mitte des 16. Jahrhun-
derts schon die meisten Straßen bebaut waren (T. 195). Wie
diese Bebauung im einzelnen verlief, kann etwa der Kataster
von S. Giacomo in Augusta aus dem 17. Jahrhundert ver-
anschaulichen. Das Gelände wurde großenteils in schmale
44 Lotz 1937-1940; Ackerman, Practice 1954, 11, Anm. 16; Lotz
1955,27 ff.; Giovannoni 1959,238ff.; Frommei 1967/68,16,124.
45 Mercati 1923: Leo X. konzidiert um 1519 dem Hospital „id
spatium soli quod in conspectu capelle Archihospitalis sancti
Jacobi in Augusta versus ecclesiam Sancte Marie de populo de
urbe in strata publica existit“ mit dem Ziel, daß „aspectum dicti
Archihospitalis quod nos ereximus ab ea parte auferri, viamque
Latam augustiorem reddi et ex designatione platee ac strate
Leonine nuncupate par magistros huius modi in eo loco facta non
eum visui decorem augustamque faciem qualem cupimus intuen-
tibus apparere, decere, publice a private rei non conferre et aspi-
cientium animus non satisfiere ... ut merito sub Leone facta rite
dicantur ... ac plateam et stratam Leoninam viamque Latam ea
amplitudine rectitudine terminent ac firment ut perpetuo Leonis
nomine et honore cum omnium grata satisfactione laudentur
spaciique dicti loci publici ... tantum quantum ad plateam ac
stratam sufficere ipsis visum fuerit moderent.“
46 Lotz 1937-1940; Giovannoni 1959, fig. 192-197.

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