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zwischen Wand und Tonnengewölbe, so wurden die Trep-
penmündungen meist in das Gliederungssystem der Log-
gien oder Vorhallen einbezogen. Die Podeste wurden mit
einem Kreuzgratgewölbe oder einer Flachkuppel gewölbt.
In den vornehmeren Bauten erhielten auch die vier Ecken
des Podestes eine Pilaster- oder Lisenengliederung, die zu-
gleich die Enden der beiden Treppenläufe akzentuierte
(Pal. Valle) (T. 150c). Durch die diagonale Abschrägung
der Ecken, die Sangallo für den Pal. Cantelli vorschlug
(UA 292,1303) und im Pal. Farnese ausführte, war das Po-
dest mehr als nur der Kreuzungsort zweier Läufe (T.47b,
48 c, 187d). Vielmehr wurde es ähnlich der Vierung einer
Hochrenaissancekirche zu einer ausstrahlenden Mitte mit
eigenem Schwerpunkt. Das erste Beispiel für diese Aus-
zeichnung des Podestes hat man vielleicht in der Treppe der
Engelsburg zu erblicken (Bramante und G.da Sangallo?).
Im weiteren Verlauf der Entwicklung sollte die Bedeutung
der Podeste dann durch ornamentalen Schmuck eine neue
Steigerung erfahren (Konservatorenpalast, Pal. Mattei di
Giove).

b) Mischformen
Neben diesem so erfolgreichen Treppentypus finden sich
in kleineren Gebäuden oder als Nebentreppen zahlreiche
Varianten, die entweder auf den zweiläufigen toskanischen
Typus oder auf den zweiläufigen Cancelleriatypus zurück-
gehen oder aber eine neue Mischform darstellen. Als un-
mittelbare Nachfolger des toskanischen Typus sind zu
nennen: Sangallos Treppen im Pal.Parisani zu Tolentino
sowie die Treppen in den Entwürfen UA 297,737,997,1004,
1246,1247,1274,130947 (T. 187a,b, 155c), Peruzzis Entwürfe
UA 352,353 für den Pal. Lambertini und UA 368 für den Pal.
Massimo (T. 98 a, 184 c); als Nachfolger des Cancelleriatypus
Sangallos Treppen im Pal. Ferratini zu Amelia und auf den
Entwürfen UA 262, UA 1293 (T. 168 e, f), Peruzzis Entwürfe
UA546,594,651 sowie die Treppe in G.da Sangallos Ent-
wurf UA 7947 für die Magliana (T. 193a). Als Mischformen
könnte man jene Treppen bezeichnen, die dem toskanischen
oder römischen Typus folgen, jedoch nicht von einer der
Hofloggien sondern vom Andito oder einem „Ricetto“
aufsteigen. Dieser Typus ist entweder bei Gartenpalästen,
die keinen Loggienhof besitzen wie die Pal. Pandolfini oder
Salviati (T.159a,b,131 b,c), oder bei solchen Palästen an-
zutreffen, deren Grundstück zu einer repräsentativen Ge-
staltung des Hofes nicht ausreichte (Sangallos Pal. Ferrari,
47 Giovannoni 1959, Abb. 150, 283.

Pal. Farnese in Gradoli, Sangallos Haus in Via Giulia, Pal.
Luca Massimo, Sangallos Entwürfe UA299,766,991,999,
1158,1239; Peruzzis Entwürfe UA 357,489,4130) (T.72b,c,
166d,e,104a). Wie groß das Repertoire verschiedener
Treppenformen um 1540 war, können Sangallos Skizzen
für den späteren Pal. Sacchetti illustrieren (UA984r+v,
985,990) (T.123L).

c) Treppe ohne Podest
Es ist bemerkenswert, daß in den wenigen Profanbauten
Raffaels ein Treppentypus mehrfach auftaucht, für den
neben Raffael vor allem Peruzzi eine gewisse Vorliebe ge-
habt zu haben scheint. Es ist die ohne Ruhe- oder Um-
kehrpodest aufsteigende Treppe, deren Wende sogar
mehrfach eine Rundung zeigt. Sie hatte den Vorteil, sich
jeder Grundrißform anzupassen, und so bediente sich
Raffael ihrer besonders auf unregelmäßigen Grundstücken.
Das früheste Beispiel, die Treppe des Pal. J. da Brescia, war
geschickt der Spitze der hinteren Grundstückshälfte einge-
paßt (T. 23 a, b). An die Stelle des Umkehrpodestes traten in
der abgerundeten Ecke zwei trapezförmige Stufen. Im Pal.
dell’Aquila variierte Raffael den römischen Treppentypus
des Pal.Giraud dahin, daß er die Wendepodeste durch
radial geführte Stufen ersetzte (T.9a). Ähnlich verfuhr er
mit der Treppe des zweiten Appartements im Entwurf
UA310,311 für seinen Palast in Via Giulia (T. 110a,b). Ihre
beiden Läufe sind im Piano Nobile ebenfalls durch radiale
Stufen nahtlos miteinander verbunden. Diese Vorliebe für
absatzlose Treppen äußerte sich auch in den beiden Ent-
würfen UA273 und UA314 für Villa Madama. Man wird
sie aus Raffaels Tendenz zum Raumkontinuum, zur Run-
dung und zur fließenden Bewegung verstehen dürfen. Seine
Prototypen waren jene podestlosen Treppen, die sich auf
Bramantes (?) Projekt UA 287 für den Vatikanspalast oder
G. da Sangallos Entwürfen UA7 und UA9 für Sankt Peter
finden48. Sangallo griff in der Dienerschaftstreppe des Pal.
Farnese I (T. 54b), Peruzzi in den Entwürfen UA356,357,
358,594 für den Pal. Ricci in Montepulciano auf Raffaels
Typus zurück (T. 184d). Während Peruzzi ihn auf den Ent-
würfen für den Pal. Ricci durch breitere Stufen von etwa
einer braccia Tiefe (0,59 m) in eine „scala equitoria“ ver-
48 Giovannoni 1959, fig. 124; Marchini 1942, Abb. XXIb, XXIIa;
vgl. auch die möglicherweise ebenfalls auf Giulianos Entwurf zu-
rückgehende Treppe der Torre Borgia (F. Ehrle und E. Steven-
son, Gli affreschi del Pinturicchio nell’Appartamento Borgia ...,
Rom 1897, Text T.A.; vgl. Giulianos Entwurf UA 134v für
Torre Borgia (?) mit Treppenstudien).

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