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einfachen Eckrustika bis ins Piano Nobile fort. Erinnert die
Schnittsteinquaderung auch wieder an die Cancelleria, so
ist die Ecklösung wohl doch vom Florentiner Palastbau
beeinflußt: Die Quaderung findet sich am Pal.Guadagni
(1503ff.), die Eckrustika am Pal.Horne7. Dem mutmaßli-
chen Architekten Pietro Rosselli, einem gebürtigen Floren-
tiner, müssen diese Beispiele bekannt gewesen sein.
Die Gliederung des Piano Nobile beschränkt sich neben
der Eckrustika auf die erhaltenen Fensterädikulen, die den
kräftigeren Ädikulen der Rückfront der Cancelleria nahe-
kommen. Der obere Abschluß der Fassade scheint auf den
Veduten unvollendet. Wahrscheinlich war ursprünglich statt
der Mezzaninfenster ein volles drittes Geschoß wie in den
meisten Fassaden dieser Jahre vorgesehen. All dies ist ohne
Bramante denkbar, ja die Handhabung der Pilasterordnung
zeugt von einem völligen Mißverständnis der antiken For-
mensprache. Trotz der verwandten Motive bleibt die
architektonische Leistung weit hinter der Cancelleria zu-
rück.

4. PAL. FIES CHI-SORA
Einen spürbaren Einfluß des römischen Bramante verrät
hingegen die Fassade des Pal.Fieschi (T.73,74). Maß sie
auch weniger als die Hälfte des Pal. dei Tribunali, so war sie
doch ebenfalls mit elf Fenster)ochen ausgestattet, ebenfalls
von risalitartigen Eckverstärkungen mit Pilasterordnung
eingefaßt und ebenfalls durch einen Platz ausgezeichnet.
Selbst das Mittelportal besaß risalitartigen Charakter, indem
es ebenfalls im Gesims vorkröpfte und durch seitliche Halb-
pilaster mit den Eckrisaliten in Beziehung trat. Die ur-
sprüngliche Differenz der beiden Fassadenhälften von etwa
0,50 m wurde durch eine leichte Verschiebung der Fenster-
achsen in den beiden Seitenabschnitten geschickt ausge-
glichen.
Gleichwohl ist die Geschoßfolge von den Pal. Caprini und
dei Tribunali grundsätzlich verschieden: Während dort die
nobilitierende Ordnung dem Piano Nobile vorbehalten
bleibt, setzt hier schon im Erdgeschoß das Gliederungs-
system ein, das wohl allen drei Fassadengeschossen zuge-
dacht war und nach dem Gesetz der Superposition der
Ordnungen aufwachsen sollte. Darin knüpft die Fassade
des Pal. Fieschi unmittelbar an Albertis Pal. Rucellai und an
Rossellinos Pal. Piccolomini in Pienza an. Andererseits
führt sie in der Beschränkung auf Ziegelflächen und Tra-
7 L.H. Heydenreich, Über den Palazzo Guadagni in Florenz, in:
Festschrift Eberhard Hanfstängl, München 1961,43ff.

vertinglieder die Tradition der Pal. Turci und Pichi weiter.
Die Kombination gleichrangig aufwachsender, durch eine
Ordnung nobilitierter Geschosse mit römischen Materialien
und bramanteskem Detail ist allerdings völlig neu. Und neu
ist auch die Einführung monumentaler Fensterädikulen im
Erdgeschoß. Sie schließen sich mit dem Portal und den
Eckrisaliten zu einem echten System zusammen.
Daß sich der Architekt nicht mit einer lockeren Reihung
der Ädikulen begnügte wie an den meisten Quattrocento-
fassaden, läßt sich vor allem an Zweierlei ablesen: einmal
an ihrer horizontalen Verkettung durch ein fortlaufendes
Sohlbankgesims, wie es nicht einmal das Piano Nobile des
Pal. Caprini besaß; und zum andern an den Ähnlichkeitsbe-
ziehungen zwischen den Fensterädikulen und den Eck-
bzw. Portalrisaliten. Indem aber die Fensterädikulen der
Eckrisalite in eine Analogiebeziehung zu dem rahmenden
Architekturgerüst treten, suggerieren sie ein hierarchisches
Aufwachsen von der kleinen zur großen Form, wie es ge-
rade für Bramante bezeichnend ist (vgl. das „Nymphaeum“
in Genazzano)8.
Diese Fensterädikulen stehen nicht nur in harmonischer
Beziehung zu den Eckrisaliten, sondern auch zur umgeben-
den Mauerfläche der Zwischenwände. In ihrer Verbindung
einer arkadenförmigen Fensteröffnung mit einer flankieren-
den Pilasterordnung dürfen sie als Übersetzung der Cancel-
leria-Ädikulen in die tektonischere Sprache Bramantes gel-
ten. Ihre Abstützung durch Sohlbankvoluten mag vom
Pal.Ducale in Urbino oder von Poggio a Cajano inspiriert
sein; die Verbindung mit der schlicht gerahmten Kellerluke
ist wiederum neu und außerordentlich zukunftsträchtig.
Und neu und fortschrittlich ist vor allem die Gliederung der
Eckrisalite. Der Übergang von der Ziegelfläche zum Risalit
wird nicht wie an der Cancelleria oder an der Farnesina
durch Eckpilaster bewerkstelligt, sondern durch abstrahierte
Halbpilaster, die zwar in Kapitell und Gebälkzone als voll-
wertige Glieder der Ordnung behandelt werden, deren
Schäfte jedoch ohne Basis und Piedestal bis zum unteren
Piedestalgesims hinabgeführt sind und lediglich vom Sohl-
bankgesims überschnitten wurden - ein Motiv, das unmit-
telbar an das jonische Geschoß von Bramantes Cortile del
Belvedere erinnert. Es erklärt sich hier einmal aus der engen
Nachbarschaft der Fensterädikulen, die eine doppelte Ver-
kröpfung des Piedestalgesimses hätte unschön erscheinen
lassen; und dann wohl auch aus der Analogie dieses Halb-
pilasters zu dem abstrakten Rahmenfeld zwischen der
Ordnung und der Fensterädikula des Eckrisalits. Dieses
Rahmenfeld ist ebenfalls in Travertin gearbeitet und liegt
8 s. Anm. 5.

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