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legenheit war, einerseits die Gliederung über das ganze
Geschoß ausdehnen, andererseits aber den Regeln der
jonischen Ordnung treu bleiben zu müssen, geht auch aus
den zwischen Piedestal und Basis eingeschobenen Podesten
hervor (vgl. Kolosseum, Cancelleria).
Doch die Schwächen der Fassade kommen nicht nur in
der Beziehungslosigkeit der Geschosse zueinander oder in
den unbefriedigenden Proportionen, sondern auch im De-
tail zum Ausdruck. Schon die Stellung der Ädikulen zum
Quadernetz läßt jene Sensibilität, jene Präzision vermissen,
die die Cancelleria oder den Pal. Massimo in so hohem
Maße auszeichnen. Die Vertikalfugen verhalten sich nicht
symmetrisch zu den vier Fenstern. Der Anschluß des Fen-
sterbankgesimses an das Portal verrät mangelnde Sorgfalt.
In den Obergeschossen fallen die Plumpheit der jonischen
Kapitelle und die Schwunglosigkeit der meisten Profile auf.
Ähnliche Kapitelle kehren in der untersetzten Hofloggia
des Piano Nobile wieder, wie überhaupt der Hof mit seinen
seltsamen Treppenfenstern oder der unprofilierten Archi-
volte über dem Treppenaufgang von dem gleichen Mangel
an architektonischem Feingefühl zeugt (T. 106 a-d, 107 c, e).
So ist man geneigt, auch glücklichere Formen wie die
Fensterädikulen oder die Erdgeschoßarkaden des Hofes
nicht als Eigenleistung des Architekten, sondern als Über-
nahme von anderen Bauten zu verstehen.
Der Grundrißtypus, die Motive und die einzelnen For-
men des Palastes lassen sich, soweit sie nicht älteren Ur-
sprungs sind, fast ausnahmslos in Bauten Sangallos und
Raffaels wiederentdecken. Der Grundrißtypus gleicht bis
in Details dem verworfenen Alternativentwurf UA1298 für
den Pal. Baldassini, wie auch die Erdgeschoßädikulen und
die Profile der dorischen Hofordnung fast wörtlich im Pal.
Baldassini wiederkehren (T. 11 a, 14b). Das dichte Relief des
Piano Nobile, die Gestaltung der Sohlbankzone und die
Polychromie der Baumaterialien stehen Raffaels Pal. J. da
Brescia näher. Vor Bramanteund Raffael sind auch die über
einem rustizierten Sockelgeschoß aufwachsenden Ordnun-
gen nicht denkbar. Andererseits erinnern die gleichrangige
Behandlung aller drei Geschosse, das flache Relief der
Schnittsteinquaderung oder der mageren Pilaster an vor-
bramanteske Bauten wie den Pal.Turci. Und vorbraman-
tesk muten auch die Säulenarkaden des Hofes an. An ande-
rer Stelle wurde dargelegt, daß diese trotz aller dekorativen
Reize rückständige und kraftlose Fassade kaum von dem
Architekten des Pal. Fusconi oder der Villa Trivulzi stam-
men kann, sondern daß wir es hier mit dem Werk eines
anonymen Meisters der Zeit um 1520-25 zu tun haben77.
77 s. Bd.II, 254.

37. PAL. BASCHENIS
Die um 1523 begonnene Fassade des Pal. Baschenis wirkt
dagegen wesentlich fortschrittlicher (T. 18a,19a-c,20a).
Sie umfaßt zwei Hauptgeschosse gleicher Größe mit vier
Fensterreihen und besitzt ein nahezu quadratisches Format.
Die gedrungenen Ädikulen des Erdgeschosses ruhen auf der
rustizierten Sockelzone, in die - ähnlich Wie am Pal. Sal-
viati-Adimari - die querrechteckigen Kellerfenster einge-
lassen sind; wie am Pal. Salviati-Adimari wächst ihr Sohl-
bankgesims aus der glatten Abschlußleiste der Sockelzone
hervor; wie dort setzt sich oberhalb der Sockelzone die
Rustika nur noch partiell fort: hier allerdings nicht in den
Fenstern sondern nur in der ehemals wohl rundbogigen
Portalrahmung und in der sangallesken Eckrustika. Im
Gegensatz zum Pal. Salviati-Adimari wird die Eckfuge nur
in der Sockelleiste und in der Fensterbankleiste unterbro-
chen. Die relativ große Fläche zwischen den niedrigen Erd-
geschoßfenstern und dem Zwischengesims zum Ober-
geschoß bleibt wie am Pal. Baldassini ungegliedert. Und wie
dort trennt das schwere, reich ornamentierte Zwischen-
gesims die Eckrustika des Erdgeschosses von den elegante-
ren, fein geglätteten und reich facettierten Eckquadern des
Obergeschosses. An den Ecken setzt das Ornament -
Zweig und Stern des Bascheniswappens - allerdings aus, um
einer abstrakteren Paneelierung zu weichen. Die Fenster
des Piano Nobile stehen wiederum ohne vermittelnde Sohl-
bank unmittelbar auf dem Gesims. Sie sind relativ zierlich,
schlicht profiliert, mit Ohren versehen und unterscheiden
sich lediglich durch ihre konvexe Friesplatte vom Stan-
dardtypus dieser Jahre. Die Zäsur zum Halbgeschoß wird
nur durch ein nun mit dem Bascheniswappen verziertes
Zwischenglied angedeutet, das - ähnlich wie am Haus
Sangallos in Via Giulia - die Eckrustika unterbricht, ohne
den Ausgangspunkt eines fortlaufenden Gesimses darzu-
stellen. Statt dessen tangieren diese Zwischenglieder die
unteren Ohren der benachbarten Mezzaninfenster - ein
sangallesker Kunstgriff, der die fehlende Verankerung der
Mezzaninfenster keineswegs ersetzen kann. Das Kranzge-
sims dürfte sich lediglich im Detail von dem ausgeführten
unterschieden haben.
Obwohl sich in Details wie der Sockelzone oder den
kunstvollen Bossen des Obergeschosses eine sensiblere
Hand äußert, bleibt die Gesamtauffassung dieser Fassade
doch vor allem dem Geiste Sangallos verpflichtet. Von ihm
kommt die schlichte, gedrungene Formensprache, von ihm
auch der mangelnde Sinn für die Monumentalität des Piano
Nobile. Darüber kann auch die von Raffael oder Sansovino
entlehnte Einbeziehung des oberen Mezzanins nicht hin-
wegtäuschen. Möglicherweise haben wir im Pal.Baschenis

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