mehr; etwas von der Mühsal, die Raumform zu klären,
bleibt zu spüren. Die Linien und Kanten, die an den
späteren Figuren auftreten, sind nicht so sehr Grenz-
linien von Formen, sondern sie funktionieren mehr als
Leitlinien, die eine Bewegung in ihrem Ablauf verfolg-
bar machen; die Masse wird dabei vermindert. Über-
haupt umfaßt der Bereich der Plastik ja nicht mehr nur
die Gestaltung von Vollkörpern, wie es streng Den-
kende in Kunstdingen auch heute vielleicht noch fordern,
sondern auch die „Verkörperung" von Bewegung, Rhyth-
mus und Spannung, wie die äußersten Fälle neuer Draht-
und Metallplastik zeigen. Das Ziel der Plastik ist offen-
bar nicht einzig mehr die unwandelbare Statue, das
Werk des Bildhauers, welches dem Raum und auch der
Zeit widerstehen soll, sondern auch die suggestiven Zei-
chen und Gebärden als Durchdringungen des Raumes,
die Zeugnis geben von wirkenden Kräften und Span-
nungen. Die Wandlung, die sich vor unseren Augen in
wenigen Jahren vollzog, scheint ungewöhnlich. Sie ist
jedoch zumindest dem Historiker nicht gar so schreck-
haft, der innerhalb der Kunstgeschichte Vergleichbares
sich vollziehen sah. Wie zu verschiedenen Zeiten offen-
bar paralleler Perioden der Kunst, ist eine Seite der
Kunstentwicklung in Plastik, Malerei und Graphik ge-
kennzeichnet durch die Auflösung und Entgrenzung der
Formen; anstelle des „Wesens" scheint das „Verwesen"
Inhalt der Darstellung zu werden. Gerade dadurch, daß
die Werke in der Tradition stehen und auch in Technik
und Handwerk Marino Marini sich der überkommenen
Mittel und Kenntnisse bedient, kann diese Plastik ver-
mitteln zwischen älteren und neuen Anschauungen; viel-
leicht kann sein Miracolo merkwürdig sein für eine ge-
genwärtige Stillage und erkennen lassen, wie eine neue
Erfahrung der Welt jeweils zunächst eine neue Gefähr-
dung der Welt in sich birgt.
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bleibt zu spüren. Die Linien und Kanten, die an den
späteren Figuren auftreten, sind nicht so sehr Grenz-
linien von Formen, sondern sie funktionieren mehr als
Leitlinien, die eine Bewegung in ihrem Ablauf verfolg-
bar machen; die Masse wird dabei vermindert. Über-
haupt umfaßt der Bereich der Plastik ja nicht mehr nur
die Gestaltung von Vollkörpern, wie es streng Den-
kende in Kunstdingen auch heute vielleicht noch fordern,
sondern auch die „Verkörperung" von Bewegung, Rhyth-
mus und Spannung, wie die äußersten Fälle neuer Draht-
und Metallplastik zeigen. Das Ziel der Plastik ist offen-
bar nicht einzig mehr die unwandelbare Statue, das
Werk des Bildhauers, welches dem Raum und auch der
Zeit widerstehen soll, sondern auch die suggestiven Zei-
chen und Gebärden als Durchdringungen des Raumes,
die Zeugnis geben von wirkenden Kräften und Span-
nungen. Die Wandlung, die sich vor unseren Augen in
wenigen Jahren vollzog, scheint ungewöhnlich. Sie ist
jedoch zumindest dem Historiker nicht gar so schreck-
haft, der innerhalb der Kunstgeschichte Vergleichbares
sich vollziehen sah. Wie zu verschiedenen Zeiten offen-
bar paralleler Perioden der Kunst, ist eine Seite der
Kunstentwicklung in Plastik, Malerei und Graphik ge-
kennzeichnet durch die Auflösung und Entgrenzung der
Formen; anstelle des „Wesens" scheint das „Verwesen"
Inhalt der Darstellung zu werden. Gerade dadurch, daß
die Werke in der Tradition stehen und auch in Technik
und Handwerk Marino Marini sich der überkommenen
Mittel und Kenntnisse bedient, kann diese Plastik ver-
mitteln zwischen älteren und neuen Anschauungen; viel-
leicht kann sein Miracolo merkwürdig sein für eine ge-
genwärtige Stillage und erkennen lassen, wie eine neue
Erfahrung der Welt jeweils zunächst eine neue Gefähr-
dung der Welt in sich birgt.
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