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Marini, Marino [Ill.]; Fuchs, Hans [Bearb.]
Marino Marini - Il Miracolo 1953 — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 70: Stuttgart: Reclam, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.72983#0044
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MARINO MARINI SAGT...

Idi selbst, als Mensch des Mittelmeerraumes, kann mich
nur im Figürlichen frei ausdrücken. Aber ich akzep-
tiere und bewundere jede andere Ausdrucksform, soweit
ein Künstler durch sie seine Botschaft mitteilt.
Unsere Disziplin ist anders als die im Norden. Sie ist
weniger intellektuell, aber ich bin wohl selbst ein wenig
nordisch. Jedenfalls glaube ich an Kultivierung als Schutz
gegen Verwirrung. Es ist unmöglich, sich als Primitiver
auszugeben.
Ich möchte der Menschheit ihre Form bewahren.
Zuerst die große Form auf Anhieb hinstellen und
dann langsam, langsam ausarbeiten — wie ein Chinese.
Mein Werk ist in seiner Entwicklung der allgemeinen
Tendenz gefolgt; das Pferd gehört darin zunächst zur
Fauna der gegenständlichen Welt, verwandelt sich aber
allmählich in ein phantastisches Ungeheuer, das einem
privaten Tierfabelbuch entsprungen sein könnte.
Als Anfänger hatte ich das Glück, in Monza, nahe bei
Mailand, ein Atelier zu finden, das neben einem großen
Mietstall lag. Ich benutzte die gute Gelegenheit, die sich
mir bot, und machte fast jeden Tag Zeichnungen und
Modelle von Pferden. Damals waren sie noch weit da-
von entfernt, etwas Subjektives oder Apokalyptisches
für mich zu bedeuten. Alle meine Arbeiten, auch meine
menschlichen Figuren, blieben lange Zeit in ihrem Stil
sehr klassisch, eher zurückhaltend und ganz realistisch.
Idi suche in meinen Reiterstandbildern nicht mehr
den Triumph eines glorreichen Helden zu verherrlichen.
Ich will im Gegenteil dem Tragischen ein Denkmal set-
zen, einer Art Menschheitsdämmerung, die eine Nieder-
lage ist und kein Sieg. Wenn Sie meine Reiterstatuen
aus den letzten zwölf Jahren nadieinander ansehen, so

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