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die Mutter Gottes mit dem Kinde, St. Joseph
auf seinen Stab gestützt, einen Bischof mit entblöß-
tem Heupte, der dem Kinde liebkost, und zwey
jüngere Begleiter desselben darstellt. An der Ori-
ginalität dieses kleinen Bildes scheint der H. vor»
Ramdohr, in seiner lesenswerten Beschreibung
jener Gallerie 389) nur nicht zu zweifeln; rühmt
die Anordnung desselben; minder den mehr liebli-
chen (Marattischen) als hohen und ernsten Cha-
rakter der Mutter, desto mehr wieder das Geist-
volle an dem Kinde; lobt und rügt dann hinwieder
Verschiedenes an den übrigen Figuren, ihrer Ze.ch-
nnng u. f. f. Die Gewänder sollen gut geworfen,
das Colorit schön, die Ausarbeitung ganz vortreff-
lich, die Scheine um die Köpfe der Madonna und
des Kindes aber, und eben so einige Verbrämun-
gen der Gewänder, mit wirklichem Golde vergoldet
seyn, was freylich (aber auch einzig nur dieses)
auf eine Arbeit aus der ersten Epoche unsers Künst-
lers, zu deuten scheint. — Noch ein neuerer Be-
schreiber der Gallerie Söder 390) nennt unser Bild
mit Zuversicht: Die Anbetung von St. Emreon;
und auch hier wird von demselben mit großem Preise
gesprochen. Von einer der beyden jüngern männ-
lichen Figuren heißt es hier: Man halte solche für
ein Bildniß des Künstlers, das aber gleichsam aus
der Tafel herausblicke, was indessen ebenfalls, des
Contrastes wegen, das Interesse desselben noch er-
höhe ('s), u. s. f.
Nach so vielem Einzelnen von und über Raphaels
Werke dürften nachfolgende allgemeine Urthe-le,
welche bewahrte Kenner über unser großes Kunst-
licht gefallt haben, um so viel verständlicher jcyn.
Hören wir vor allen Dingen Mengs in seinen
beyden berühmten Schriften.- Gedanken über- die
Schönheit und den Geschmack in der Ma-
lerei, welche er selbst Deutsch geschrieben, und in
der spathern Italienischen: Betrachtungen über
die drey großen Maler, Raphael, Correggio
und Titian, und über die Alten, dse sch in
des Ritters d'Azara Ausgabe seiner sämtlichen
Werke ei'. I. p. 128—224.) befindet: Z91)
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i. Raphaels Brustbild, mit einem Buch in der
Hand O z" breit, 9" hoch) 332).
" 2. Maria steht vor dem Kinde, das vor ihr auf
einem Küssen liegt und die Hande gegen ihr aus-
streckt , die ihm eben so die ihrigen entgegenhält
(z/ 4" br. 4/ io- hoch) 383).
z. Maria hält das Kind, das auf einem Kissen
vor ihr sitzt, und beyde Hande nach ihr ausstreckt.
Joseph steht hinten. Halbfiguren (1^ br. i,
4" hoch) 384). ,
In der Graf Schonborn'schen Gallerie zu j)om-
mersfelden Nr. 180. Madonna mit dem Kinde,
lebensgroßes Kniestück, wohl erhalten (5/ 8" hoch,
'L< 8" br.).
Endlich in der Gallerie zu Sanssouci sollen
sich vollends 5. Bilder von Raphael befinden, von
welchen indessen bey Deßerreich: Oescription äe
la Oalleris Kanäle cle 30. potsä.
764. 38Z) nur viere (eigentlich gar nur dreye)
genannt sind; nämlich:
1. Loth und seine Töchter (2/ 6" hoch, 3/ 5"
br.) auf Holz, „das (heißt es dort) besonders durch
sein angenehmes Colorit bemerkenswert!) sey",
welches man für Correggio's nehmen möchte, wenn
die Zeichnung minder vollkommen wäre 386).
2. Eine H. Familie (4^ 5" hoch, 3^ 6" br.),
auf Holz; in M. Angelo's hohem Charakter ge-
zeichnet ; dann aber freylich nicht so glanzend co-
lorirt, als das Vorhergehende 387).
3. Ein mit Dornen gekrönter Christuskopf, voll
Wahrheit und Ausdruck — besonders auf den bla-
ßen Lippen, übrigens noch ziemlich in Perugino's
Manier (1/ 6" hoch, 1^ 2" br.) auf Kupfer ge-
malt 388).
4. Endlich das kleine Bild einer Psyche, Co-
pie nach Raphael von Alex. Cochi, welche wir
nur darum nennen, weil solche nach einem noch
1757. zu Rom (wo'O befindlichen Urbilde gemalt
worden seyn seyn soll. Sie sitzt auf einer Wolke;
zu ihrer Rechten ein Amor, im Begriffe, seinen
Pfeil loszuschießen.
Noch besaß der jüngst verstorbene Freyherr von
Brabeck in seiner auserlesenen Gallerie im Söder
ein 8" hohes und 6/4" breites auf chinesisches Pa-
pier gemaltes, und auf Holz aufgeklebtes, unge-
mein wohl erhaltenes Raphaelisches Bildchen, das
Z82) Im Katalog (1776.) im Eingang zur ersten Gallerie, Nr. Z. Wir kennen keinen Stich davon.
383) Ebend. Nr. 77. in der ersten Gallerie. Wir kennen für sicher kein Blatt davon.
Z84) Ebend. Nr. 41. drittes Kabinet. Wir kennen kein Blatt davon.
Z85) Eine zweyts Ausgabe von 1771. mangelt uns.
386) Davon kennt man ein gutes Blatt, nach des damaligen Akademie - Direktors B. N. le Sueur's Zeichnung,
von I. M. Preisler zu Kopenhagen (am beßten die Abdrücke ohne Wappen) in dem (begonnenen) Gal-
lerie-Werke.
287) Oesterreich will es für dasjenige geben, was nach Vasari (l^. 8i 6olo§n» 12 l. p. 82.) für eine Ka-
pelle des H. von Medola, Leonelio de Carpi gemalt, und in altern Tagen, in seltenen Blattern gestochen
worden seyn soll. Alles dieses scheint uns, so wie fast die ganze Litterarur dec Rnphcrelischen Bilder zu
Sanssoucy, und — die Bilder obendrein, ziemlich apokryphisch zu seyn.
388) Was wir sonst von keinem Bilde R. je vernommen haben. Und eben so wundert es uns, woher in aller
Welt Oesterreich wissen mag, daß dieser Kops — ungefähr in des Künstlers drey und zwanzigstem Lebens-
jahr gemalt worden sey?
389) 4°. Hannov. 792. S. r:. tt. ff. wo er davon eine Nachbildung im Umrisse, «ach einer Zeichnung von
Kunze gkebt.
Z9«) ck, K. Ltiäsi- 8^. (Wetting. 797. p. 145. st isgq.
391) Ueber die erste dieser Schriften (welche zum ersten Ma! -762. 8^. Zürch erschien) urtheilr der nüchteren
d'Azara (I. c. p. 87.) wohl sehr richtig: In Ansehung des praktischen Lheils und des Geschmackes,
wußte niemand besser die Schönheit zu unterscheiden und sich darüber auszudrücken, wie Mengs; in der
Theorie hingegen batte er die Meynungen der Platoniker über den Ursprung dieser erhabenen Eigenschaften
angenommen, worin» er auch durch die Methaphysick seines Freunds, Winkelmanns, besteift worden war".
Von der zweyten sagt der Ritter (l. c. 129.): „Die Handschrift, aus welcher dieselbe gezogen ist, war ein
Labyrinth von Wiederholungen, und worinn denn doch mehrere Haupttheile fehlten. So sehr man sich nun
auch bemühete, das Einzelne zu ordnen und zu verdeutlichen, so war es doch unmöglich, Alles in ein me-
thodisches Ganzes zu bringen. Und hatte man es auch gekonnt, so wäre sodann zu viel von dem originellen
Ausdrucke des Verfassers, der dieser Schrift einen so großen Werth giebt, eingebüßt worden", u. s. f.
Wir selber nun haben kn Absicht beyder Schriften, soweit solche unsern eigentlichen Gegenstand berühren,
dasselbe gethan, was der Ritter in seiner Uebersetzung der ersten und der Herausgabe der zweyten; in beyden
nämlich Wiederholungen, so yiel möglich ausgewichen, und dadurch bas Ganze merklich verkürzt, den ge-
körnten Ausdruck hingegen überall beybehaltcn, wo solches, ohne Nachtheil der Verständlichkeit, immer
geschehen konnte, die denn doch unser erstes Gesetz seyn mußte, wenn unsere Leser wissen sollten, was ein