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Funke, Joachim
Problemlösendes Denken — Stuttgart, 2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.18679#0258
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7 Ausblick

nen? Und falls ja, was werden wir sehen? Op de Beeck, Wagemans und Vogels
(2001) haben in einer kritischen Übersicht vor falschen Erwartungen gewarnt und
schreiben:

»... if one wants to construct a cognitive model of behavior, then a mere localization of
these processes is not that important (contrary to its importance for neuropsychology).
For a cognitive scientist, it is important which cognitive processes are involved in a
task and how these are computed, but it does not matter where they are computed ...«
(S. 344).

Die alte Diskussion um die richtige Analyseebene, die von Marr (1982) bereits im
Kontext seiner Arbeiten zu KI-Modellen des Sehens aufgeworfen wurde und die in
der Kontroverse um konnektionistische versus symbolistische Ansätze heftig ent-
facht wurde (vgl. Broadbent, 1985; McClelland, 1988; McClelland &C Rumelhart,
1985; McCloskey, 1991), taucht hier erneut auf (beide Ansätze wurden in Kapitel
2.6 dargestellt). Bringen Erkenntnisse über neuronale Strukturen tatsächlich Licht
in Theorien, die auf einer viel abstrakteren Analyseebene formuliert sind? Die
Antwort wird auch hier im Fall der bildgebenden Verfahren ähnlich sein wie bei
der Debatte um konnektionistische Systeme, also darauf hinauslaufen, dass eine
Analyse konkreter Implementationen natürlich spannend ist, dass aber die letzt-
endlich wichtigen Fragen abstrakter gestellt und deshalb nicht durch diese Er-
kenntnisse auf der Implementations-Ebene beantwortet werden können.

Langzeit-PProblemlosen. Die meisten Problemstellungen, die in der Forschung
untersucht wurden, beziehen sich auf vergleichsweise kurze Zeiträume. Selbst dort,
wo - wie bei Lohhausen - längere Simulationszeiträume vorgesehen waren,
betrug die reale Zeitspanne der Bearbeitung kaum mehr als ein paar Stunden
(die 10 simulierten Jahre der Kleinstadt wurden auf 10 Stunden kondensiert,
verteilt über mehrere Tage). Die Zeitspannen der realen Probleme können durch-
aus umfassender sein: Der Umgang mit chronischen Krankheiten etwa oder die
Beschäftigung mit Lebensplänen umfassen Zeiträume, die sich normalen Laborun-
tersuchungen entziehen. Hier sind möglicherweise andere methodische Zugänge
(biographische Analysen, qualitative Verfahren) einzusetzen, um sich mit diesen
Problemlösungen zu beschäftigen.

Kontexteffekte. Eine der eindrücklichsten Fähigkeiten menschlicher Kognition
ist deren enorme Kontextsensitivität. Strukturell gleiche Anforderungen werden in
unterschiedlichen semantischen Kontexten ganz unterschiedlich bearbeitet (z. B.
Blessing & Ross, 1996; Hesse, 1982). Unterschiedliche Kontexte zeigen sich auch
beim Bearbeiten einer Anforderung in verschiedenen Kulturen (Badke-Schaub &
Strohschneider, 1998; Honold, 2000; Strohschneider, 1998; Strohschneider &
Güss, 1999), wobei Kulturvergleich nicht immer gleich den Wechsel der Nation
oder gar des Kontinents bedeuten muss, sondern bereits auf der Ebene von »Sub-
Kulturen« durchgeführt werden kann (Strohschneider, 1994). Festzustellen, wie
beim Problemlösen Variationen des Kontexts zu Variationen der Strategien und der
konstruierten Problemräume führen, dürfte eine wichtige Aufgabe kommender
Forschung darstellen.

Bereichsspezifität bzw. Generalisierbarkeit. Eng verbunden mit dem Thema
Kontextsensitivität ist die Frage nach der Bereichsspezifität problemlösenden Den-
kens. Frensch und Buchner (1999) diskutieren an zwei Beispielen (Expertise und
Entwicklung) aktuelle Debatten über bereichsspezifische bzw. generalisierbare
Befunde (domain-generality versus domain-specificity) und machen deutlich,
dass man nicht annehmen dürfe, die Funktionsweise menschlicher Kognition sei

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