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Furtwängler, Adolf
Die antiken Gemmen: Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum (Band 2): Beschreibung und Erklärung der Tafeln — Leipzig und Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.824#0262
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BESCHREIBUNG DER TAFELN

Visconti als die Repräsentanten der zwei Hauptarme
des Nil uml dessen Töchter angesehen, was sehr wenig
wahrscheinlich ist; hier hat Brunn Recht, wenn er
meint, die Richter des Nil müssten auch neben diesem
sitzen. Die beiden Mädchen weiden als die Nymphen
des durch Überschwemmung fruchtbaren Landes odei
bestimmter als Hören zu bezeichnen sein, und /.war
als die Hören der beiden für Ägypten allein wichtigen
Jahreszeiten, der der Überschwemmung (das Mädchen
mit der vollen Schale) und der der folgenden Bestellung
des Feldes (das Madehen mit dem Füllhorn). Die
Zweizahl der Hören ist bekanntlich mehrfach aus dem
Altertum bezeugt (vgl. meine Nachweise „Meisterwerke"
besonders interessant ist aber, dass ein
Tarentiner Vasenbild des 4. Jahrhunderts, das Trip-
tolemos und. dabei den Nil als den vorzugsweise
Getreide spendenden Fluss darstellt, die Hören (in-
schriftlich bezeichnet) auch in der Zweizahl bildet
(Stephani, Compte rendu 1862, pl. 4).

Der Sinn des Ganzen ist demnach eine Zusammen-
Stellung der die üppige Fruchtbarkeit des Nillandes
bedingenden und sie darstellenden Wesen, nicht aber
irgend eine Handlung in einem pracisen Momente.
Unten in der Mitte erseheint Euthenia auf dem Symbole

des Landes, dem Sphinx gelagert; dann%weiter links
Vater Nil mit: dem Home des Segens in behaglicher

Ruhe wie in der Statue seines Tempels Thätig l<
schreitet Moros-Triptolemos heran als l'llüger und
Sani.um und blickt, empor zu den die segensvolle
Überschwemmung befördernden Winden. Die beiden
Hören deuten den Wechsel ^.\cv Zeiten an. innerhalb
deren sich Ägyptens Fülle und Fruchtbarkeit vollendet.
Die Komposition i^-t lein durchdacht und auch nusser-
lich geschickt abgewogen. Der mächtigen Gestalt des
Nil entsprechen die zwei Figuren der Hören gegenüber.
Dass die Ähren der Euthenia. das Hörn des N:! und
der Pflug in eine Linie fallen und sich teilweise decken.
entspringt wohl der künstlerischen Absicht, möglichst
viel ruhige Grundfläche zu erhalten, war aber auch
wegen der inneren Zusammengehörigkeit dieser Symbole
nicht unpassend.

Die Benutzung der verschiedenen Steinschichten ist
hier wie bei den Kameen Tai". LI11 eine geschickte und
kühne, und die ganze Arbeit stellt sich, wie namentlich bei
der Meduse schon hervorgehoben ist. entschieden 111
atz .'u den Kameen römischer Zeit und kann
nur der Ptolemäer- F.pochc angehören. Sie ist ohne
Zweifel in Alexandrien gefertigt.
 
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