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Marées-Gesellschaft [Editor]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 3.1921

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Aufsätze
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Einstein, Alfred: Das Madrigal
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Müller, Robert: Wien
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I 12

ROBERT MÜLLER

des 17. Jahrhunderts, und bezeichnenderweise in dem Rassenhexenkessel
Neapels tritt die penetrante nationale Melodie auf; das Madrigal kennt
sie nicht, so wenig sie das Quartett Haydns, die Oper Mozarts, die Sin-
fonie Beethovens kennt.

WIEN
VON
ROBERT MÜLLER
I
ien ist eine Großstadt mit zwei Millionen Einwohnern; zur Stunde
sind von dieser Ziffer eine halbe Million in steter Flutung, denn sie
sind Gäste, die wechseln. Slavische und lateinische, magyarische und tür-
kische und albanische Handelsleute von den Grenzkückenstaaten hausen
hier, Vertreter der großen Westmächte, Italiener, Russen, wenige Skandi-
navier und verwunderlich wenige Reichsdeutsche, wenn man umgekehrt
Berlin und München vergleicht, wo es so viele Wiener gibt; aber die größte
Bewegung verursachen die flirrenden Massen aus den Ghettis des Ostens,
von Asiens Grenzen: Halbasien, wie es der Schriftsteller Franzos in seinen
schildernden Romanen genannt hat. Die gewohnheitsmäßige und banale
Aussage über Wien behält recht; die zwei Millionen zusammen machen
zwar eine räumliche und statistische Großstadt aus, doch keine in jenem
modernen technischen Sinn. Aber die halbe Million unter sich, sogar
wenn sie aus den verfänglichsten und düstersten, kleinwinkeligsten Pro-
vinzen Europas stammt, und soweit sie noch den eigentlichen Wiener —
„von Schrot und Korn“ ist eine alpine Idealisierung, von der nahen Hoch-
gebirgsluft zugetragen, Wildschützenausruf — in ihre Geschäfte und
 
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