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ist. Dieses neue Ideal, dem der altbuddhistische Heiligen-
typus nicht mehr genügte, war das der liebevollen Hingabe
und des tätigen Erbarmens. Mit Recht sagt H. Kern1:
„Durch dieses Gefühl der inbrünstigen Hingebung, verbun-
den mit der Lehre von der Betätigung des Mitleids, hat der
Glaube die Sympathie vieler Millionen von Menschen ge-
wonnen und ist eine Macht in der Geschichte der Mensch-
heit geworden von viel größerer Bedeutung als der ortho-
doxe Buddhismus." Der südliche Buddhismus,- der dem
alten Ideal treu geblieben ist, hat eine solche werbende
Kraft nicht besessen. Auch ist von Wichtigkeit, daß nach
dem alten Buddhismus nur der Mönch, nach der Lehre
des Mahäyäna aber jeder Mensch ohne Unterschied des
Standes und der Geburt das Heil erreichen kann.
Dazu kommt, daß das Mahäyäna Gemüt und Phanta-
sie ansprechende Vorstellungen aufweist, die den Lehren
des Hlnayäna schnurstracks zuwiderlaufen. Der alte Bud-
dhismus kennt keine im Kreislauf des Lebens beharrende
Seele und keinen Gott; denn die von ihm anerkannten
Volksgötter sind vergängliche, in den Samsära gebannte
Wesen. Im Mahäyäna finden wir den Glauben an beides,
an eine Art Gott und an die persönliche Seele. In einem
Paradiese namens Sukhävati, wo ein Abglanz des irdischen
Buddha, Amitäbha „das von unermeßlichem Licht um-
strahlte Wesen", in wenigstens gottähnlicher Weise thront,
werden die Seelen der Frommen nach dem Tode in den
Kelchen von Lotusblumen wiedergeboren, um nach Ablauf
einer ihren Verdiensten entsprechenden Zeit zur Blüte
selbst aufzusteigen und auf deren Blättern ruhend zu hören,
wie ihnen das gute Gesetz von Amitäbha gepredigt oder
von Vögeln auf schönbelaubten Bäumen vorgesungen wird.2
1 Manual of Indian Buddhism (Grundriß der indo-arischen Phi-
lologie und Altertumskunde, III. 8) 124.
2 Teitaro Suzuki, Outlines of Mahäyäna Buddhism (London
ist. Dieses neue Ideal, dem der altbuddhistische Heiligen-
typus nicht mehr genügte, war das der liebevollen Hingabe
und des tätigen Erbarmens. Mit Recht sagt H. Kern1:
„Durch dieses Gefühl der inbrünstigen Hingebung, verbun-
den mit der Lehre von der Betätigung des Mitleids, hat der
Glaube die Sympathie vieler Millionen von Menschen ge-
wonnen und ist eine Macht in der Geschichte der Mensch-
heit geworden von viel größerer Bedeutung als der ortho-
doxe Buddhismus." Der südliche Buddhismus,- der dem
alten Ideal treu geblieben ist, hat eine solche werbende
Kraft nicht besessen. Auch ist von Wichtigkeit, daß nach
dem alten Buddhismus nur der Mönch, nach der Lehre
des Mahäyäna aber jeder Mensch ohne Unterschied des
Standes und der Geburt das Heil erreichen kann.
Dazu kommt, daß das Mahäyäna Gemüt und Phanta-
sie ansprechende Vorstellungen aufweist, die den Lehren
des Hlnayäna schnurstracks zuwiderlaufen. Der alte Bud-
dhismus kennt keine im Kreislauf des Lebens beharrende
Seele und keinen Gott; denn die von ihm anerkannten
Volksgötter sind vergängliche, in den Samsära gebannte
Wesen. Im Mahäyäna finden wir den Glauben an beides,
an eine Art Gott und an die persönliche Seele. In einem
Paradiese namens Sukhävati, wo ein Abglanz des irdischen
Buddha, Amitäbha „das von unermeßlichem Licht um-
strahlte Wesen", in wenigstens gottähnlicher Weise thront,
werden die Seelen der Frommen nach dem Tode in den
Kelchen von Lotusblumen wiedergeboren, um nach Ablauf
einer ihren Verdiensten entsprechenden Zeit zur Blüte
selbst aufzusteigen und auf deren Blättern ruhend zu hören,
wie ihnen das gute Gesetz von Amitäbha gepredigt oder
von Vögeln auf schönbelaubten Bäumen vorgesungen wird.2
1 Manual of Indian Buddhism (Grundriß der indo-arischen Phi-
lologie und Altertumskunde, III. 8) 124.
2 Teitaro Suzuki, Outlines of Mahäyäna Buddhism (London