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Die Gartenkunst — 1.1899

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Heicke, C.: Alleebäume oder Straßsenbäume?
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0228
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214 DIE GARTENKUNST I, 12

Magnoliabäume sehen, grofsartig entwickelte Ginkgo biloba
trifft man im Karlsruher Hofgarten. Auch an anderen
klimatisch begünstigten Orten kann man diese und noch
manche schöne andere Arten in vorzüglicher Bntwickelung
in Gärten und Parkanlagen sehen — ich will nur an die
ebenfalls im Karlsruher Hofgarten stehenden Lauras Sassa-
fras-Bäume erinnern, ohne sie aber etwa als Alleebäume
in Vorschlag bringen zu wollen!! — Das alles sind mehr
oder weniger Ausnahmefälle, auf Grund deren man die ge-
nannten Arten doch unmöglich als Allee- oder Strafsen-
bäume empfohlen kann.

Wie man sieht, erhebe ich eine ganze Reihe Einwen-
dungen, sowohl gegen das Grubesche Baumverzeichnis, als
auch gegen die Empfehlungen, die St. Olbrich einer
Anzahl Sorten angedeihen läfst, und zwar selbst unter der
Voraussetzung, dafs die von beiden aufgezählten Baum-
arten als Alleebäume im weitesten Sinne aufzufassen sind.

Ich stehe nun auf dem Standpunkt, dafs die Zusammen-
stellung eines auf gröfstmöglicho Vollständigkeit Ansprach
erhebenden Verzeichnisses von Alleebäumen gar nicht in
den Rahmen der Aufgabe hineingehört, die sich der Verein
d. Gartenkünstler durch Aufnahme des eingangs erwähnten
Kowalleckschen Antrags gestellt hat. Als Alleebäume können
überdies mit wenigen Ausnahmen fast alle unser Klima
ertragenden Baumarten angesehen werden, einschliefslich
der Obstbäume und sogar einer Anzahl Coniferen — ich
erinnere nur an die schöne Thuya Lobbii-Alleo auf dem
Friedhofe zu Köln-Melaten:':) — und für diesen weitgefafsten
Begriff bedarf es dann nicht erst der Aufstellung eines
Verzeichnisses; dazu haben wir ja eine ganze Reihe vor-
züglich redigierter Baumschulkataloge. Was wir brauchen,
und um was es sich im vorliegenden Falle meiner Ansicht
nach einzig und allein handeln kann, ist die Aufstellung
einer Liste von Strafsenbäumen, d. h. von Baumarten,
die man ohne grofse Bedenkon und Einschränkungen unter
normalen Vorhältnissen für die Bepflanzung von Strafsen
und Plätzen empfehlen kann, welche innerhalb des bebauten
oder der Bebauung erschlossenen Stadtgebietes liegen und
in einer, den Anforderungen des modernen städtischen
Verkehrs entsprechenden Weise ausgebaut sind. Dafs
Strafsenbäume und Alleebäume zwei Begriffe sind, die
sich nicht decken, dafs es eine ganze Reihe von Baum-
arten giobt, die sich vorzüglich als Alleebäume verwenden
lassen, dagegen zur Strafsenpflanzung absolut ungeeignet
sind, das wird ohne weiteres jeder Fachmann zugeben, der
sich jemals mit der Sache zu befassen Gelegenheit ge-
habt hat.

Jedenfalls ist es erforderlich, dafs in einem so umfang-
reichen Verzeichnis, wie es von Gartendirektor Grube zu-
sammengestellt ist, alle diejenigen Sorten, welche auf Grund
hinreichender Erfahrungen als erprobte Strafsenbäume in
dem von mir Umschriebenen Sinn empfohlen werden können,
besonders bezeichnet, dafs ferner diejenigen, die unter
gewissen Voraussetzungen zulässig sind, durch Beifügung
einschränkender Bemerkungen bezw. kurzer Angabe der
für ihr Gedeihen erforderlichen Bedingungen kenntlich

*) Oder die Lärchen (Larix decidua)-AUee in Bad Landeck.

D. Red.

gemacht und dafs endlich alle übrigen Baumarten hinsicht-
lich ihrer Verwendbarkeit als Strafsenbäume mit einem
grofsen Fragezeichen versehen werden.

Eine derartige Feststellung ist dringend notwendig,
damit nicht der Fall eintreten kann, dafs infolge Mangels
an ausreichender Erfahrung Baumarten für Strafsen-
pflanzungen genommen werden, die ungeeignet sind, und
hinterher sich nicht darauf berufen werden kann, dafs die-
selben dem vom Verein deutscher Gartenkünstler gebilligton
Verzeichnis entnommen seien. Es wird ja jetzt schon be-
züglich der xVuswahl geeigneter Baumarten aufserordentlich
oft daneben gegriffen, und das dürfte auf Grund des Grube-
schen Verzeichnisses noch öfter geschehen, wenn nicht in
der von mir vorgeschlagenen Weise die einzelnen Arten
hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit besser gekennzeichnet
werden.

Ähnlich wie bei der Feststellung der richtigen Ab-
stände etc. gesagt worden ist, es sollen nur die absolut
notwendigen Mindestmafse festgelegt werden, unter die
nicht herunter gegangen werden darf, ohne dafs, wie
mehrfach betont wurde, in der andern Richtung dem er-
fahrenen Fachmanne die Freiheit der Bewegung genommen
wird, ebenso sollte meines Erachtens ein eng begrenztes
Normalsortiment von wirklichen Strafsenbäumen fest-
gestellt werden, bei dessen Benutzung auch im Falle
geringerer praktischer Erfahrung erhebliche Mifsgriffe aus-
geschlossen sind; dem erfahrenen Techniker sollen auch
in diesem Falle die Hände nicht gebunden werden; von
ihm ist vielmehr zu erwarten, dafs er den jeweiligen Um-
ständen entsprechend, auch andere Baumarten auszuwählen
weifs, ohne Mifsorfolgen und den damit im Zusammenhang
stehenden Unannehmlichkeiten ausgesetzt zu sein.

Da nach den zur Zeit vorliegenden Erfahrungen im
Vergleich zu der grofsen Anzahl der unser Klima gut er-
tragenden Baumarten für Parkanlagen und dergl. für die
Auswahl eines Normalsortiments guter Strafsenbäume nur
eine verhältnismäfsig kleine Anzahl in Betracht kommt, so
teile ich vollkommen den vielfach geäufserten und sehr
berechtigten Wunsch, dafs wir nach und nach auf Grund
ausreichender Anpflanzungsversuche dahin gelangen möchten,
die Zahl der eigentlichen Strafsenbäume durch neu erprobte
Sorten erheblich zu erweitern. Ich empfehle daher, neben
dem Normalsortiment eine Anzahl Arten namhaft zu machen,
die zu umfangreichen Versuchen herangezogen werden
sollen. Diejenigen, welche sich bewähren, werden dann eine
willkommene Bereicherung unseres Sortimentes bilden.

Dabei darf aber nicht aufser Acht gelassen werden,
dafs wir für das Publikum, für die Allgemeinheit pflanzen,
nicht für den Gartentechniker, noch weniger für den Baum-
schulenbesitzer. Und wenn die beiden letzteren in gewisser
Hinsicht golangweilt werden, wenn überall, wohin sie auf
ihren Reisen kommen, im grofsen und ganzen ziemlich die
gleichen Baumarten für die Bepflanzung der Strafsen ver-
wendet werden, so mufs darauf hin gewiesen werden, dafs
es nicht sosehr darauf ankommt, wieviel Sorten innerhalb
des Gebietes einer Stadt anzutreffen sind, sondern, dafs
vornehmlich auf die gute Verfassung der Bäume geachtet
werden mufs. Es ist also nicht darauf das Hauptgewicht zu
 
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