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Die Gartenkunst — 5.1903

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Bertram, Max: Die Parkanlage zu Sibyllenort, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0011
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V, 1

DIE GARTENKUNST

1

Deutsche Gärten in Wort und Bild.

Die Parkanlagen zu Sibyllenort.
Bearbeitet von M. Bertram, kgl. sächs. Gartenbaudirektor
in Dresden- Blasewitz.
(Hierzu J Plan und 2 Ansichten.)
Der Besuch des Vereins deutscher Gartenkünstler von
Schlots und Park Sibyllenort aus Anlafs der 15. Haupt-
versammlung des Vereins deutscher Gartenkünstler zu
Breslau hat den Wunsch rege gemacht, auch bei den-
jenigen, welchen es nicht vergönnt war, der Allerhöchsten
Einladung zu diesem Besuche Folge geben zu können,
diesen herrlichen Herrschaftssitz durch Wort und Bild ein-
gehender kennen zu lernen.
Sibyllenort ist ja jedermann bekannt. Der hochselige,
kunstsinnige König Albert von Sachsen, dessen be-
sonderen Schutzes und Fürsorge sich die Gartenkunst er-
freuen durfte, hatte Sibyllenort bis an das Ende seiner
Tage zu seinem ständigen Erholungsaufenthalte im Frühjahr
und Herbst auserkoren, und Allerhöchstderselbe beschlofs,
wie bekannt, nach Gottes Fügung auch in diesem seinen
Lieblingssitze seine nicht nur für Sachsen, sondern für
ganz Deutschland tatenreiche und aufserordentlich gesegnete
Regierung am 19. Juni des eben vollendeten Jahres.
Zunächst mögen kurze Angaben über die geschicht-
liche Entstehung der Ortschaften, deren Gebiet jetzt zur
Besitzung Sybillenort gehören, folgen.
Die heutige Provinz Schlesien war früher, bis zum
Jahre 1163, ein Bestandteil des Polenreiches. Die Ein-
führung des Christentums und Begründung verschiedener
Stifte und Klöster (zu Breslau, Leubus und Trebnitz) führte
zur Lostrennung Schlesiens von Polen und zur Änderung
der damaligen Leibeigenschaftsverhältnisse. Deutsche
wanderten in jene Gegenden ein und verbreiteten deutsche
Kultur. Die früheren Bewohner trieben nur Viehzucht und
wurden von den damaligen Geschichtsschreibern als nicht
civilisierte, träge Menschen geschildert, denen es meist
sogar an der notwendigen Bekleidung des Körpers mangelte.
Mit Einführung des Christentums erfolgte auch die Grün-
dung neuer Ortschaften, welche nach deutschen Verhält-
nissen eingerichtet wurden, wofür der Name „Aussetzung
nach deutschem Recht“ gebräuchlich war. Den Gemeinden
wurden Gerechtsame gewährt, sie erhielten eigene niedere
Gerichtsbarkeit durch die „Scholzen“, Voigte etc., welche
dann Gerechtsame zum Freiacker, Kretscham, zur Brotbank,
Schlachtbank, Schmiede oder Mühle bekamen.
Als erste Bestandteile des heutigen Ortes Sibyllenort
wurden die Orte Neudorf und Rastelwitz 1245 zuerst ge-
nannt. Dieselben gehörten zunächst zum Fürstentum
Glogau, später zu Öls. Bis zum Jahre 1685 waren diese
Orte in Privatbesitz, damals kaufte sie der Herzog
Christian von Württemberg-Öls und erbaute daselbst
ein Schlots, welches er nach dem Namen seiner Gemahlin,
Friederike, Charlotte Sibylle, „Sibyllenort“ nannte.
Die württembergische Linie hatte die Besitzung bis zum
Jahre 1768 inne. Die letzte Erbin dieser Linie vermählte

sich mit dem Prinzen Friedrich August von Braun-
schweig, welcher infolge der guten, treuen Dienste, die
er dem König Friedrich dem Grofsen in den schle-
sischen Kriegen geleistet, bereits vorher mit dem Fürsten-
tum Öls belehnt wurde. Sein Nachkomme, weiland Herzog
Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, der letzte
braunschweigische Besitzer errichtete ein an das Thronlehn
Öls anlehnendes Familien-Fideikommifs, zu welchem einige
20 ehemalige herzogl. Allodialgüter sowie auch die Güter
Sibyllenort und Donatschine gehörten, welche ins-
gesamt die heutige Herrschaft Sibyllenort (zusammen ca.
28 000 ha) bilden. Nach dem Tode (18. Oktober 1884) des
vorgedachten Fürsten ging die ganze Herrschaft durch
Erbschaft in den Besitz Sr. Majestät des Königs Albert
von Sachsen über. Die Herrschaft Öls aber fiel an die
Krone Preufsens als Lehn des jeweiligen Kronprinzen zurück.
Das Schlofs Sybillenort wurde zwischen 1685 und 1692
von Herzog Christian Ulrich im Renaissancestil erbaut;
er umgab dasselbe mit einem Wallgraben und legte da-
neben einen eleganten Garten an. (Es ist dies derjenige
Teil der Anlage, welcher Heute den inneren Garten bildet
und in der Mittelallee sowie an den Spuren von Seiten-
alleen den Stil einer früheren französischen Anlage verrät.)
Jedoch war der Bau wenig solid ausgeführt, denn 1715
schon konnte die damalige Gutsinhaberin „Reichsgräfin
v. Wurmbrand“ wegen Unbewohnbarkeit der Räume das
Schlofs nicht beziehen.
Herzog Friedrich August von Braunschweig
liefs 1792—1805 einige Verschönerungsbauten ausführen
durch Anbau zweier Türme mit Kuppeln (alles zusammen
den heutigen Mittelbau einnehmend) und zu beiden Seiten
der Vorderfront durch je zwei lange Gebäude für Dienst-
wohnungen, Theater, Marstall, Wagenremise etc. etc.
Die grofsartigen Umänderungen erfolgten erst 1851 bis
1867. Hierdurch erhielt das Schlofs und seine Umgebung
die gegenwärtige Ausdehnung und Gestalt, und wurde
nach den Motiven des englischen Schlosses Windsor im
sogenannten Tudorstil durch den damaligen herzoglichen
Hofbaurat Wolf entworfen und ausgeführt.
Zu gleicher Zeit mit diesen baulichen Umgestaltungen
zu einem wirklichen Fürstensitze wurden auch die Garten-
und Parkanlagen einer ausgedehnten Umgestaltung und
Neuanlage unterworfen.
Aus den Akten der königl. Güterdirektion ist darüber
folgendes zu entnehmen:
Die Sibyllenorter Gegend bestand damals vorzugs-
weise aus Feld, ausgedehntenHutungsflächen und einigen
Teichen, u. a. dem südlich vor dem Schlosse gelegenen
„äufseren Schlofsteich“. Einzelne Bäume, meist Eichen,
welche heute in voller Gesundheit den vornehmsten
Schmuck der äufseren Anlagen bilden; auch kleinere und
gröfsere Horste kamen zerstreut vor, geschlossene Be-
stände dagegen, wenigstens solche von nennenswerter
Ausdehnung gab es nicht. Die ganze Gegend hatte jeden-
falls ein ziemlich eintöniges Gepräge.

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