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Die Gartenkunst — 5.1903

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Bertram, Max: Die Parkanlagen zu Sibyllenort, [4]
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Grube, Heinrich: Gärten der Escorial
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0114
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DIE GARTENKUNST

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bekannt sind. Wie gefiele es ihm denn, wenn man
einen grofsen Teil seiner als Muster angeführten Bilder
als eine Darstellung des Grundtypus idealer Liederlichkeit in
den deutschen Gärte nkennzeichnete, und doch sind die Bilder
als Bilder hübsch zu nennen; oder wenn man die bekannte
höchstmalerische Allee No. 123 seines Werkes mit packendem
Lichteffekte als einen Herd von Gicht, Rheumatismus und
Fäulnisluft bezeichnete, die ein schleuniges Köpfen der
ganzen Allee umgehend verlangt, wie es vor 50 Jahren
bereits einmal geschehen, um dem Ganzen ein menschen-
und kulturwürdiges Ansehen zu geben, es sei denn, man
setzte sich der Gefahr aus, dafs gelegentlich eines Sturm-
windes die langgeschossenen Wipfel oder vielleicht gar
ganze Bäume umgebrochen würden.
Dasselbe gilt von seiner falschen Theorie der Anlage von
Wegen, die für ihn Selbstzweck sind. Bekanntlich ist der
Weg nur in einer regelmäfsigen Anlage ein integrierender
Teil der ganzen Anlage. In der freien Anlage ist derselbe
vom gartenkünstlerischen Standpunkte nur ein notwendiges
Übel. Er soll so wenig wie möglich auffallen und in den
landschaftlichen Bildern tunlichst unsichtbar sein. Der
Weg soll für den Unbekannten der stumme Führer sein,
oder dem Besucher bei schlechtem, ungünstigem Wetter den
Garten zugänglich machen.
Betrübend ist es, wenn eine derartige Verständnis-
losigkeit Platz greift und noch dazu bei Künstlern, denen
doch eine andere Urteilskraft zugebilligt werden kann.
Wenn Herr S.-N. einmal wirklich Gartenkunst studieren
und ihre Entwickelungsgeschichte kennen lernen würde,
wäre er mit seinem Urteil etwas vorsichtiger, das
zeigen seine haltlosen Beweise. Wenn man von falscher
Basis ausgeht, kann man beweisen, dafs „Schwarz“
„Weifs“ ist.
Dafs uns die Gartenbauten der Biedermeierzeit, welche
zweifelsohne ihre hochpoetischen Reize hat, nicht mehr
vorbildlich sein können, ist durch unsere ganz anderen
Lebensgewohnheiten, durch die ganz andere Bauweise,
die unseren heutigen Bedürfnissen entspricht, nachgewiesen.
Es ist übrigens ein eigenartiger Zug unserer Baukünstler, die
alte prachtliebende Rokoko- und Renaissancezeit wieder zu
beleben, für den Gartenkünstler ist dies schon der Geldfrage
wegen aussichtslos.
Doch genug mit diesem Extempore.
Wir haben kennen gelernt, wie der Park zu Sibyllen-
ort umgestaltet, weiter aufgeschlossen und verbessert wurde.
Es war eine dankbare Aufgabe und ein hoch ehrendes
Gefühl, einem so kunstsinnigen Fürsten dienen zu können.
Persönlich niemals einen Wunsch aussprechend, waren
die Höchsten Herrschaften hoch erfreut und dankbar, wenn
eine Neuerung oder Verbesserung erfolgt war.
Es war ein besonders liebenswürdiger Zug Aller-
höchster Anerkennung, mit welchem Interesse und Sach-
kenntnis König Albert jedem seiner hohen Besucher genau
erläuterte, wie der Stand der Anlagen früher war und
welche Freude ihm dieselben jetzt bereiteten.
In aufmerksamster Weise bekundete Se. Majestät jedem
Besucher: Die Rhododendron sind von Seidel in Dresden,
diese Pungens glauca stammen von Weifse-Kamenz u. s. w.

Wer je Gelegenheit gehabt hat, den häuslichen Verkehr
der königlichen Familie näher zu beobachten und kennen
zu lernen, dem wird die Ungezwungenheit und Herzlich-
keit derselben nie aus dem Gedächtnis entschwinden. Bot
doch gerade der Garten und Park zu Sibyllenort die beste
Gelegenheit, das Wohlbefinden in vollem Mafse geniefsen
zu lassen. Ungeniert und unbeobachtet von müfsigen Zu-
schauern konnte sich der König hier mit seiner hohen
Gemahlin ungezwungen bewegen, wie es jeder geringste
Untertan jederzeit kann; und diese Ungezwungenheit hielt
die Freude an dem schönen Besitze wach, sodafs nament-
lich im Frühjahr stets die Zeit herbeigewünscht wurde,
nach dem schönen Sibyllenort zu eilen. Im Frühjahr 1901
war es auch das letzte Mal, dafs die drei hohen Geschwister:
weiland König Albert, König (damals Prinz) Georg und die
Herzogin v. Genua in Sibyllenort vereint waren, wohl kaum
ahnend, dafs es das letzte Beisammensein im Leben war.
An dem vorher beschriebenen Platz mit seinem dichten
Rasenteppich, unter dem Schatten herrlicher Bäume, safsen
die Allerhöchsten Herrschaften mit ihren Gästen, Ihre
Majestät mit den Prinzessinnen und den Damen und Kava-
lieren des Hofes beim Kroquetspiel beschäftigt, die übrigen
Hohen und Höchsten Herrschaften in zwangloser Unter-
haltung mit den anderen Gästen. Das war ein kleines Bild
von dem Leben in Sibyllenort.
Wenngleich sich nun leider ja viel zu früh die Augen
des gütigen Königs Albert geschlossen, so ist Allerhöchsten
Ortes dafür gesorgt, dafs Schlofs und Park in seiner Schön-
heit erhalten bleiben und wie früher jedermann und jeder-
zeit offen stehen zur Freude und Erholung ihrer von Jahr
zu Jahr an Zahl steigenden Besucher.

Gärten des Auslandes.

Gärten des Escorial.
Von der Estacion del Norte in Madrid bis zumunteren
Dorfe des Escorial braucht man beinahe zwei Stunden
Fahrzeit. Die Reise geht zunächst nahe dem Manzanares-
Flusse, dann durch die baumlose Steppe Castiliens, wird
aber bald, je mehr sie sich dem Guadaramagebirge nähert,
malerisch und überaus interessant. Ungeheure Felsblöcke,
reinster Granit, liegen auf dem welligen und bald an-
steigenden Terrain umher, oft aufeinander getürmt, als
hätten Giganten sich dem Baue von Cyclopenmauern oder
dem Spiele mit Felsblöcken hingegeben. Dazwischen eine
schöne Flora von Eichen, Föhren, Juniperus, Spartocytisus,
Cistus und zahlreichen moosgrauen Sträuchern, Rosmarin
und Labiaten. Zahlreicher werden die Ortschaften, reicher
die Kulturen, bis endlich der Zug am Bahnhofe von Escorial
de Bajo, dem untern Dorfe, hält. Man nimmt einen Platz
im Omnibus und fährt durch eine reiche Platanen-Allee
aufsteigend rechts vom Parke des Klosters hinauf nach
dem oberen Dorfe und geht von dort nach dem Kloster
Philipps des Zweiten, dem eigentlichen Escorial, dessen
Türme und Zinnen ringsum zauberisch durch die winterlich
entlaubten Baumriesen der umliegenden Gärten ragen.
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