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Die Gartenkunst — 5.1903

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Grube, Heinrich: Gärten der Escorial
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0115

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92

DIE GARTENKUNST

V, 6

Man mufs das gewaltige Gebäude, die ungeheure Kirche,
die dürftigen Zimmer Philipps, in denen er den elenden
Tod fand die Messe hörend nahe dem Hauptaltar, die
reichen Gobelins, die nirgends so schöne Farben tragen
als in Spanien, und all die reichen Dinge besuchen und
sehen, um bald dem erdrückenden, finstern Bau des Klosters
zu entfliehen und in den Gärten Erholung suchen und
finden.
Das Riesenkloster heifst eigentlich Monasterio de San
Lorenzo, wird aber gemeiniglich schlechtweg auch von
Spaniern El Escorial genannt. Aus den Fenstern der
Säle im oberen Stocke hatte ich die schönen und hierher
passenden Irrgärten von Buxus an den Riesenmauern des
Klosters gesehen und strebte nun zunächst darnach, diese
zu besuchen und kennen zu lernen.
Das Riesengebäude des Klosters liegt auf ebenem Plane
mit kolossalen Unterbauten und Fundamenten und bildet
mit den inneren Höfen, Fontänen, Gärten und den an-
liegenden inneren Erholungsgärten und Grotten für die
Mönche ein rechtwinkliges Viereck, ein fast regelrechtes
Quadrat. Die inneren Höfe heifsen „Patio“, dienen der
Erfrischung und Erholung in freier Luft und sind mit
Fontänen und Bassins, die zugleich die Wasserleitungen
speisen und die inneren Räume mit herrlichem, klarem Ge-
birgswasser versorgen, geschmückt und diese meist von
kleinen Klostergärtchen umgeben. Um diese „Patios-“ kennen
zu lernen genügt es hier, einen solchen zu skizzieren. Wir
wählen den schönen Patio de los Evangelistas in der Süd-
ostecke des Palastes. Von gewaltigen Säulenreihen recht-
winklig umgeben, liegt in der Mitte des Gartens ein ernster.
Pavillon von 4 rechtwinkligen Wasserbassins umgeben,
Statuen von 4 Evangelisten schmücken die Nischen über
diesen Wasserbehältern und ihnen zu Füfsen rauscht der
Quell des Lebens, der diese weltabgeschiedenen Höfe er-
frischt. Hierher, wo alles Symmetrie, alles eckig, scharf,
finster und abgeschieden, wo der Geist Philipps noch
immer schwebt, derselbe Geist, der seinen Nachfolgern den
Stempel finsterer, strenger Etikette, die das Verderben
nach sich zog, aufdrückte, hierher gehören die scharfen,
düsteren, strenggeschorenen Buxus-Irrgärten verflossener
Gröfsen Frankreichs. Ganz konnte der trübe asketische
Geist selbst eines Felipe II. nicht entbehren, was die reinen
Christenmenschen glücklicher macht, nämlich das helle
Licht und das erfrischende, bezaubernde Grün der Fluren.
— Der ernste Chiosk der Evangelisten mit seinen Wassern
ist von quadratischen Buxbaum-Hecken umgeben. Viele
solche Quadrate, jedes für sich 'abgeschlossen, umgrünen
ihn. Diese Hecken sind in sich abgeschlossen, und kein
Zugang führt in das Innere. Sie sind etwas über 1 m
hoch und ebenso breit, streng quadratisch geschoren,
lückenfrei und tadellos. Nicht ein Blättchen ragt über das
andere empor, kein vorwitziges Zweiglein wagt ins Freie
zu schauen, alles: Zweige, Zweiglein, Blätter und Knospen
sind ängstlich in das Innere zusammengeschnürt, ein grünes
Bild des gewaltigen Baues, dem es dennoch Leben und einigen
Zauber verleiht. Das Erdreich im Innern dieser abge-
schlossenen Buxusquadrate ist mit zierlichen Arabesken,
wahren kleinen Buxuslabyrinlhen, belegt. Diese Irrgärten zu

entziffern, ihre Bedeutung zu erklären, wollte mir nicht in so
kurzer Zeit gelingen. Sie sind — wie alles hier — Philipps
Werk. Ihm entging nichts, er überwachte nicht nur das Fort-
schreiten des Riesenbaues nach seinen Plänen, sondern
ihm entgingen auch nicht die kleinsten Details, soweit sie
das Innere des Klosters und seiner Höfe betraf. Die Buxus-
linien der Labyrinthe sind ca. 50 cm hoch und gleichfalls
streng regelrecht beschnitten. Ihre Linien erschienen mir
zu dicht gezogen, der Raum dazwischen zu eng, dafs ich
noch immer nicht begreife, wie die Arbeiter diese lebenden
Zeugen jener finsteren Zeit Spaniens beschneiden können
und sich darin, ohne dieselben zu beschädigen, bewegen.
Nichts weiter! Kein Baum verstreuet Schatten, kein Blumen-
auge blickt die Mönche freundlich an, kein Lebewesen
verirrt sich zwischen die hochgetürrnten Granitmauern,
Steinquadern, kein Schmetterling flattert zwischen ihnen
und kein Vogelgesang stört die Ruhe des Grabes! An der
Süd- und Ostseite des Klosters liegen, eng zusammenge-
hörig und von der äufseren Welt abgeschieden, auch nicht
oder nur durch halbgeheime Zugänge mit den äufseren
Parks und Fruchtgärten verbunden, Reihen ganz gleicher
Buxus-Anlagen und Irrgärten, wie im Patio de los Evan-
gelistas. Sie weichen von. diesen nur insoweit ab, als
sie freierliegen, mehr Licht und Sonne haben und in
ihnen etwas mehr Bewegung und Leben herrscht. Sie um-
säumen in langen Linien die Seiten des Klosters, und aus
den Zimmern des Infanten und vor allem auch den Zimmern
des Königs blickt man auf diese Labyrinthe. Auch kann
das Auge über dieselben weit hinausschweifen in die
Sehnsucht erweckende Ferne. — Sonst auch sind diese
Gärten, die in langen Linien die finstere Fürstenburg um-
geben, erfrischender. An den Wänden des Riesengebäudes
liegen mächtige eiserne Roste, durch deren Maschen sich
Contifolien-Rosen, Syringen und Jasmin flechten. Es ist
möglich, dafs diese Spaliere erst später nach Philipps Tode
von heiteren Herrschern dorthin gebracht wurden. Auf
den Ecken der Quadrate der lichtgrünen Mauern ruhen
kurz gestielte, riesige .Buxuskugeln von mehr als 1 m
Durchmesser, welche das Ganze noch monumentaler ge-
stalten. An den Seiten auch erhebt sich da und dort im
Buxusgewirre ein Rosenbusch und selbst verlorene Herbst-
blüten erfrischten das Auge. • Granitne Stein stufen führen
zu tiefen Grotten unter diese Gärten, in denen die Mönche
Schutz und Kühlung während der sommerlichen Hitze
suchten und fanden. Der Buxus, welcher zu diesen Irr-
gärten, diesen grünen Quadern und Arabesken diente, ist
Buxus sempervirens, nicht balearica. Aber es ist nicht unser
deutscher B. sempervirens, scheint mir vielmehr eine Form
der Halbinsel, die ich aber wild bisher nicht finden konnte.
Sie ist starkwüchsig, langlebig und hat schlanke, zierliche,
sich rasch verlängernde Zweige und schmale lang eiförmige,
kurz gestielte, etwas ausgerandete, glänzende Blättchen.
Ich fand auf den Blättchen rundliche Häufchen eines
schwarzen Pilzes, der sehr fest wurzelte, sich aber nicht
sonderlich lästig zeigt. Diese merkwürdigen Buxuslabyrinthe
sind vielleicht die ältesten, nicht nur Europas und der
Erde, sondern sehr wahrscheinlich auch die merkwürdigsten
und schönsten, und es wundert mich, sie von keinem
 
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