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Die Gartenkunst — 5.1903

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Tutenberg, Ferdinand: Landesverschönerung oder Landschaftsverschönerung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0163

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140

DIE GARTENKUNST

V, 8

Meinungsaustausch.
Laiidesverschöiierung oder Laiidschaftsverscliöiieruiig ?
Von Ferd. Tutenberg, Gartentechniker, Mainz.
Dem bis heute wenig angeregten Kapitel der „Landes-
verschönerung“ widmet Herr Gartendirektor Schoch in
Magdeburg in No. 4 des vorigen Jahrganges der „Gartenkunst“
einen längeren, ausführlichen und anregenden Artikel. Herr
A. Glogau schliefst sich in erschöpfender Weise den Aus-
führungen des Herrn Schoch an und bewundert zugleich, dafs
sich in dieser aufserordentlich wichtigen Frage für die Garten-
kunst aulser den angeführten Autoritäten unseres Berufes keiner
zu der angeregten Frage äufsert. M. E. nach ist dieses gar
nicht zu verwundern, wenn man diesem recht „idealen“
aber wohl schwerlich durchführbaren Unternehmen kaum das
unbedingt erforderliche Interesse entgegenbringt. Und Inter-
esse mufs stets vorhanden sein, soll man sich für eine Idee
begeistern und somit von der Ausführbarkeit derselben
überzeugt sein oder doch einen, wenn auch minimalen
Erfolg voraussehen.
Ich mag Skeptiker sein oder genannt werden, wenn ich
befürchte, dafs die vorgeschriebenen Grundzüge zur Landesver-
schönerung, Schaffung eines Schutzgebietes im Sinne des
Artikels von No. 4, für unsere Staatsverhältnisse viel zu grofs-
zügig sind, welche Eigenschaft den Amerikanern wohl eigen,
uns Deutschen aber gänzlich fehlt. Zudem ist unser Land von
Industrie, Acker- und Bergbau etc. bis ins kleinste durchweg
mit Beschlag belegt und ausgenutzt; ausgenommen der teil-
weise noch sehr darniederliegende Osten. In diesem Sinne
schreibt auch Herr Schoch, wenn er anführt, dafs der Ankauf
einiger Quadratmeilen Land von Privatbesitzern zu kostspielig
wird; er empfiehlt dem Staat, kraft seiner Gesetzgebung, für
das als Nationalpark vorgesehene Gebiet und dessen Umgebung
gewisse Gesetze zur Anwendung zu bringen oder wenn fehlend,
zu schaffen; in diesen Gesetzen sollen den angrenzenden
Grundbesitzern gewisse Verpflichtungen etc. auferlegt werden,
unter besonderer Berücksichtigung des Gedankens, des Zweckes
des Nationalparkes zu verfahren, ähnlich wie Städte in ihren
Bebauungsplänen gewisse Beschränkungen gesetzlich ausüben
können.
„Die den Grundbesitzern auferlegten Opfer dürften voll
oder mehr als voll aufgewogen werden durch den Nutzen,
welchen diese Schutzgebiete als vielbesuchte Erholungsstätten
der angesessenen Bevölkerung bringen“, sagt Herr Schoch
weiter. Gerade dieser Satz heftet sich unwillkürlich vor meinen
Augen fest; ich möchte ihn nach meiner Ansicht beleuchten
und hinzufügen: Ist denn nun der Grundgedanke des Natur-
parks, des Schutzgebietes geschützt? — Angenommen das
letztere besteht, der angedeutete Wandertrieb der Deutschen
macht sich bemerkbar, Tausende strömen herbei, um in ur-
sprünglicher Natur Erholung zu suchen. Es wird sich ein
Bedarf an Unterkunftsräumen für dieselben geltend machen,
man wird nach bequem und gangbaren Wegen zum Durchwandern
des Urgebiets verlangen und ebenso dringend wird Aufsicht
nötig sein, damit die einheimische Fauna und Flora möglichst
geschont wird. Demnach entstehen allmählich allerhand Be-
quemlichkeiten, die uns vom Naturpark, vom Schutzgebiet in
seiner Ursprünglichkeit auf den eigentlich künstlichen
Park hinüberleiten werden.
Der Wald, das Gebirge mit ihren Höhen, Tälern und
Fernsichten, mit ihren Bächen, Flüssen und Seen ziehen uns
unwillkürlich an. Vielfach sind unsere bevorzugten Wälder
etc. (Harz, Schwarzwald, Vogesen, Taunus etc.) Eigentum

verschiedener Staaten, Gemeinden oder Ortschaften. Jeder
derselben sucht seine Vorteile, seine Interessen und zwar mit
Recht zu wahren. Gar nicht so weit braucht man zu greifen,
wenn man einige Festungstädte herausgreift, welche in Bezug
auf die technische Ausrüstung ihrer Umwallung, in Bezug auf
Lage etc. als überzählig zu betrachten sind, deren Festungs-
wall fallen könnte und der eingeengten Stadt, auch im Inter-
esse des Staates Luft und Licht und den genügenden Raum
zur Ausbreitung schaffen müfste. Hier helfen Petitionen etc.
an den Staat nur dann, wenn die oft unerschwinglichen Kosten
für das brachliegende Festungsgelände von den jeweiligen
Stadtverwaltungen aufgebracht werden; im anderen Falle wird
weiter ausgebessert an dem unerbittlichen Gürtel der Stadt.
Wer soll denn nun die Schutzgebiete, den Staatspark ein-
richten und übernehmen? Selbstverständlich der Staat, ohne
hierbei materiellen Gewinn zu erzielen; (?) wohl aber ideellen,
indem er sein Volk wieder der Natur zuführt, es mit derselben
vertraut macht und ein Stückchen Land in seiner gegen-
wärtigen Gestalt beläfst. Gegenwärtige Gestalt, von
Urgestalt wie bei den Amerikanern gar nicht zu reden, da ja
in den deutschen Landen gerade die bestgeeignetsten Gebiete,
die Gebirgs-, Wald- und Flufslandschaften am allermeisten dem
Bergbau, der Industrie, der Land- und Forstwirtschaft eine
reiche Ausbeute bieten und auch in der Bevölkerungszahl nicht
zurückgeblieben sind.
Aus alle diesem gelange ich zu der Überzeugung, dals der
gewifs ideale Gedanke der „Schaffung und Erhaltung von Schutz-
gebieten“ bei uns schwerlich ausführbar, geschweige
lebensfähig ist. Für den Ausdruck und die Auffassung der
„Landesverschönerung“ in ihrer Vielseitigkeit möchte ich hin-
gegen als erste Nummer unseres Programms „Landschaft s-
verschöner ung“ setzen.
„Landschaftsverschönerung“, hier ist dem Gartenkünstler
ein reiches Feld der Tätigkeit vor Augen geführt, ein Arbeits-
feld, in welchem derselbe indirekt im Sinne der Landesver-
schönerung wirken kann. Landschaftsverschönerung beschäftigt
sich, wie der Ausdruck deutlich sagt, ausschliefslich mit der
Ausschmückung der bereits bestehenden Landschaft. Gebirgs-,
Wald-, Feld-, Flufs- oder Heidelandschaften bieten uns
manch schönes Stück Natur, aber bei aller Schönheit auszu-
gleichende Mängel; und gerade diese letzteren zu verbessern,
bleibt dem künstlerischen Empfinden des ausübenden Garten-
künstlers vorbehalten.
So haben sich besonders an landschaftlich hervorragenden
Gegenden die verschiedenen Verschönerungs- und Alpenvereine,
Touristenklubs etc. grofse Verdienste erworben in der Mithilfe
des Staates, der Gemeinden und anderer interessierten Behörden,
besonders anziehungsreiche Punkte unseres Vaterlandes der-
artig zu gestalten, dafs dieselben alljährlich Tausende von Er-
holungs- oder Vergnügungssüchtigen aufnehmen. Dem ent-
sprechend entstanden ganze Ortschaften, dessen Bewohner sich
ausschliefslich mit der Verpflegung dieser Wanderlustigen be-
schäftigen und fast durchweg auskömmlichen Verdienst hierbei
finden. Auch die Industrie, der Bergbau und andere Unter-
nehmen drängen sich in die Landschaft hinein und verunzieren
dieselbe, nur materiellem Gewinn huldigend. Ist es doch auch
für derartige Betriebe unmöglich, in der Nähe der Städte be-
zahlbares gröfseres Terrain zu erhalten, das eventuelle nötige
Wasser in entsprechenden Mengen zu gewinnen. Ja selbst die
marktschreiendste Reklame entblödet sich nicht, sich in den
Rahmen der Landschaft unangenehm bemerkbar zu machen.
Hier ein Beispiel: Bekanntlich mufste ein Gesetz erlassen
werden, welches verbot, die idyllischen Ufer des Rheins mit
ihren sagenumsponnenen Bergen und Burgen durch Reklame-
 
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