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Die Gartenkunst — 5.1903

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Bertram, Max: Die Parkanlagen zu Sibyllenort, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0074

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DIE GARTENKUNST

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Deutsche Gärten in Wort und Bild.

Die Parkanlagen zu Sibyllenort.
Bearbeitet von M. Bertram, kgl. sächs. Gartenbau direkter in
Dresden-Blase witz.
(Fortsetzung.)
(Hierzu 1 Ansicht.)
Tm äufseren Park von Sibyllenort sollte die Urwüchsig-
keit und das freie Schalten und Walten der Natur erhalten
werden. Hierbei sei z. B. nur auf eins hingewiesen. Die
mit gemeinem Ginster bestandenen ausgedehnten Flächen
sind im Frühjahr zur Blütezeit von so unvergleichlich schöner
Wirkung und Pracht, dafs es freventliches Spiel wäre,
wenn man „dies Unkraut“, als welches es vielleicht von
einem jungen, unerfahrenen Gartenkünstler angesehen
wird, beeinträchtigen und beseitigen wollte; auch geben
die mächtigen Ginsterflächen relativen Ersatz des Rasens
in diesem dürren Sandboden. Die Schönheit der freien
Landschaft läfst sich nicht durch Behandlung mit der
Rasenmähmaschine erreichen. Hier läfst man der Natur
ihr Recht und benützt sie, wie es bei der Durchführung
der Wege geschehen ist.
Mit den denkbar bescheidensten Mitteln mufste ge-
rechnet werden. Für Neuanpflanzungen wurde der sterile
weifse Sandboden rigolt und mit wenigem vorhandenen
Kompost und Teichschlamm überfahren und der letztere
beim Pflanzen eingearbeitet. Der Erfolg war aber trotz-
dem aufserordentlich erfreulich, namentlich infolge der
dichten Pflanzweise. Die gröfste Schwierigkeit bestand in
der Befestigung der Wege. In der Sibyllenorter Sand-
gegend findet sich kein Steinchen von der Gröfse einer
Haselnufs. Sämtliches Befestigungsmaterial für Fahr- und
Fufswege mufs also weit mit Eisenbahn und Wagen herbei-
gefahren werden. Daher wurden bei jedem Um- oder Neu-
bau in dem Schlosse die etwa entstehenden Schuttmassen
von der Parkverwaltung sorgfältig gesammelt, um den neuen
Wegen Befestigung geben zu können. Alle diese Schwierig-
keiten kann der fremde Besucher von Sibyllenort nicht
ahnen, viel weniger äufserlich erkennen. Hierzu kommt
die mächtige Ausdehnung der freien Parkanlage in Be-
tracht, insgesamt vielleicht 250 ha. Alle Materialien können
nur im Winter bei Frost herangefahren werden, denn die
leicht gebauten Fahrwege, sowie der Sandboden der Wiesen
hemmen den beladenen Wagen an seiner Fortbewegung.
Der nordöstliche Teil der äufseren Anlagen hat die
schönsten Baumbestände von Eichen, Buchen, Ahorn etc.,
ein geradezu entzückendes Material, sodafs der Garten-
künstler an dieser Stelle sich wohl des sarkastischen
Ausspruchs nicht erwehren konnte: Verdorben kann hier
nichts werden, denn das Schöne ist unverletzlich und
unantastbar da. Man führte einfach die Wege hindurch
und die Anlage war fertig. Wenn dies nun auch nicht
ganz so einfach war, die Szenerie mufste eben nur
an den geeigneten Stellen aufgeschlossen werden, und die
herrlichsten Bilder entstanden aller Orten. Es sei wieder
an dieser Stelle darauf hingewiesen, dafs die Schönheit

eines Parkes in der Gesamtwirkung der Massen sowie in
der Schönheit der einzelnen Baumexemplare besteht, nicht
in der Heranziehung ungezählter Sortimente von Blüten-
sträuchern, diese verwertete man in der nächsten Nähe des
M ohnhauses, im Pleasureground, und auch da noch mit
Vorsicht.
Mit ganz besonderer Vorliebe wurden diese äufseren
Anlagen von den Allerhöchsten Herrschaften besucht weil
sie sich hier ungestört und unbeobachtet ergehen konnten.
Die schon früher erwähnte Frage: Ich begreife nicht,
dafs man nicht schon vor langen Jahren diese herrliche
Gegend des Parkes und diese landschaftlichen Schönheiten
durch Wege zugänglich gemacht hat? wiederholte König-
Albert oft bei einsamen Spaziergängen mit seinen Gästen.
Namentlich frühmorgens waren diese östlichen Prome-
nadenwege geradezu entzückend. Die Beleuchtungseffekte
waren grofsartig und boten für den Maler die herrlichsten
Bilder auf Schritt und Tritt.
Die eben beschriebenen Teile des äufseren Parkes
waren durch die 2,5 km langen kanalartigen Wasser-
anlagen fast vollständig abgesperrt und unzugänglich, nur
im inneren Parke auf dem Wege nach dem Wirtschafts-
hofe befand sich eine Brücke, und nördlich von der Gärt-
nerei war (während des Aufenthaltes der Allerhöchsten
Herrschaften) eine Fähre nach dem Fährhäuschen in Be-
trieb (Hauptplan K). Begreiflicherweise stellte sich bald die
Anlage eines Brückenüberganges über diesen Kanal auch
an einer anderen Stelle als notwendig heraus und fand dieser
Mangel auf Befehl Ihrer Majestät der Königin Carola durch
den Bau der sogenannten Carolabrücke (siehe Hauptplan)
baldige Abhilfe. Ganz reizende landschaftliche Effekte
verschiedener Art sind durch diesen Bau entstanden.
Die Brücke ist durch den königl. Bauinspektor Herrn
Knoth in Oels nach seinen Zeichnungen ausgeführt.
Aus einfachem rohen, noch mit der Rinde bekleidetem
Eichenholz ist diese Brücke erbaut. Über 30 cm starke
Pfähle, auf welchen das ganze Brückenjoch in einer
Länge von fast 30 m ruht, sind in das Wasserbett ein-
getrieben worden. Das Bauwerk pafst in seiner Schlicht-
heit so aufserordentlich in diese freie Naturszenerie, wie
man es nicht besser wünschen kann.
Leider gestattet es der Raum dieser Zeitschrift nicht,
all die Bilder, welche zum richtigen Verständnis dieser
Anlagen notwendig wären, hier wiederzugeben und mufs
dies einem gröfseren Spezial-Werke vorbehalten bleiben.
Wir sind nun eigentlich in der Entwickelung der
Umgestaltung des Parkes von Sibyllenort durch die Er-
läuterung der äufseren Anlagen vorausgeeilt.
Das erste war zwar die Freilegung der Bestände und
Einzelbäume im äufseren Parke, damit war es aber hier
vorläufig gut.
Ehe wir jedoch auf die Umgestaltung des Schlofs-
hofes in seiner heutigen Form näher eingehen (wie sie
bereits im Januarheft zur Abbildung gekommen ist), ist
es vielleicht nicht uninteressant, die älteste Anlage der
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