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Die Gartenkunst — 5.1903

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Sprenger, C.: El Pardo
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0059

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40

DIE GARTENKUNST

V, 3

Gärten des Auslandes.
El Par do.
Von C. Sprenger.
Es war gestern (14. Dezember) ein wunderbar schöner,
sonniger Tag, der die Bewohner der Hauptstadt Spaniens
in langen Linien ins Freie lockte. Ein tiefblauer Himmel
überspannte Castiliens jagdreiche Fluren und Madrid war
ganz in Licht und Sonnenglanz getaucht.
Um das Jagdschlofs des Königs, „El Pardo“, zu sehen,
fahrt man mit einer schmalspurigen Bahn etwa 11 Kilo-
meter durch eine reizvolle Gegend, die schönste in der
Umgebung der Kapitale. Der Weg führt bis zu den
Höhen des Pardo im Manzanarestale, durch Platanen- und
Ulmenwälder. Halbwegs liegt die Moncloa, welche eben
jetzt weiter verschönert wird und deren Tausende von
Hektaren umfassendes Terrain in einen schönen Park um-
gewandelt wird. Auf den Höhen der Moncloa liegt die
von Alfons XII. gegründete Ackerbauschule und nahe der
Florida ebenfalls in der Moncloa ein nun verlassener
königlicher Garten mit schönen Ruinen, Buxusspielereien
und den schönsten Wellingtonien und Abies Pinsapo,
welche man in Europa sehen kann. Diese beiden inter-
essanten Koniferen gedeihen hier mitten im Walde ganz
aufserordentlich gut und bilden geschlossene Pyramiden,
von deren Schönheit man sich schwer die rechte Vor-
stellung macht. — Auf dem höchsten Punkte des gleich-
namigen Städtchens liegt das von Carlos V. erbaute
Schlofs, welches die prachtvollsten Wandteppiche (Gobelins)
hat, welche ich gesehen habe. Das sind farbenprächtige,
wunderbare Teppiche, die, obwohl ca. 400 Jahre alt, noch
so frisch und schön sind, als ob sie gestern aus der Hand
der Künstler gekommen wären. Vor dem Schlosse liegt
ein geschlossener Garten mit einer Fontäne und vielen
Rosen, der aber sonst wenig Beachtenswertes bietet.
Die Schönheit des Pardo liegt in seinen wunderschönen
Wäldern und Hainen, die, so weit das Auge reicht, die
Hügel an den Ufern des hier rauschenden Manzanares, der,
vom Guadarama kommt, bedecken. — Um Mittag stand
ich auf der uralten Steinbrücke „Puente de la Reina“.
Vor mir lag ein Landschaftsbild, so wundersam eigenartig
und im ganzen erhaben, dafs es mir unvergefslich bleiben
wird. Die Wasser des Manzanares hüpften und rauschten,
eilten ohne Verweilen der Hauptstadt zu. An seinen Ufern,
so weit ich sehen konnte, nun allerdings entlaubte Manna.
Eschen, Pappeln und Tamarisken. Rechts und links die
Hügel und Senkungen, Schluchten und Böschungen mit
dunkellaubigen, immergrünen Eichen bedeckt. Dazwischen
offene Flächen mit grünen Triften und Ginster bestanden,
auf denen Rudel von Damhirschen und Rehen weideten.
Fernher ragte der mächtige Guadarama und die blendend-
weifse, schneegekrönte Penjalara. Der rauschende Flufs,
die grünen Hügel und Eichwälder, die klassisch schönen
Baumgestalten und Gruppen, in denen es vom Vogelgesang
widerhallte, grüne Triften mit dem Schmucke des Edel-
wildes, die gewaltige Gebirgskette und endlich die weite,
schier endlose menschenleere Gegend hatte so etwas un-

sagbar Schönes und Bezauberndes, so eigenartig, so
packend und recht klassisch, ein Paradies auf Erden, wie
ich es in Spanien bis hierher nicht sah. Die immergrüne
Eiche Spaniens ist Quercus Ballota, ein schöner Baum,
viel verschieden von der immergrünen Eiche Italiens. Es
ist der Baum, der dem ungeheuren Jagdpark El Pardo
den eigenartigen Stempel aufdrückt, der schwer zu
schildern, mir so fremdartig erschien und dem in seiner
Art nichts an die Seite zu stellen ist. Der schöne Baum
bildet dicht geschlossene Wälder und duldet wenig Unter-
holz und das nur vom eigenen Nachwuchse. Da und dort,
wird er von offenen Lichtungen unterbrochen, die von grünen
blumigen Matten bedeckt, meist blaugraue Spartocytisus
tragen. Die Äste und Zweige der Quercus Ballota sind
fast immer von zahlreichen herabwallenden Flechten,
Usnea-Arten, behangen. Der Baum bleibt kleiner als der
seiner italienischen Schwester, bildet malerische, ge-
schlossene, schattenspendende Kronen und wird sehr alt,
sicher über 1000 Jahre! Er wächst in der Jugend rascher,
aber bald langsamer und ist in der Blüte seiner Jahre
ungeheuer fruchtbar, so dafs er alljährlich reiche Ernten
an schönen gesunden und nährenden Eicheln gibt. Er
heilst in Castilien „Encina belota“ oder einfach .,belota“,
aus dem der Autor sein Quercus Ballota schuf. Die Eicheln
reifen und fallen im Oktober-November und dienen auch
als menschliche Nahrung. Sie kommen überall auf die
Märkte. Ich finde jetzt nur noch die kleinen, wenig be-
dornten Fruchtbecher unter den Bäumen, keine einzige
Eichel mehr. — Der malerische Baum wurzelt tief und
weit und trotzt den Stürmen des Guadarama. Er hat
einen dunkelaschenfarbenen, runzeligen Stamm, dessen Rinde
in sehr kleinen Stücken ablöst. Das Holz ist schön rost-
farben, sehr schwer und wird zu allerlei Arbeiten ver-
braucht oder gibt vorzügliche Kohle, Die Krone des
Baumes bildet sich rundlich, wellig, wolkengleich und ist
sehr dicht belaubt. Das alte Laub wird erst im dritten
Jahre abgestofsen. Er blüht im Mai. Die älteren Zweige
sind dunkelgrau, die Jahreszweige hellaschenfarben. Die
kurz gestielten Blätter sind unterseits filzig, graubraun
oder grau, oberseits trübaschenfarben oder grün, am Rande
gezähnt oder wellig, ganzraudig, zuweilen leicht gebuchtet
und meist ungemein variabel und das nicht selten an
denselben Individuen. Die Frucht ist so grofs als die der
Quercus Ilex oder. etwas kleiner. Es gibt allerdings in
Italien auch kleinfrüchtige Formen. Man sagt, die spanische
Quercus Ballota sei nur eine Form der Qu. Ilex. Nach
dem aber, was ich hier sehe, möchte ich das nicht an-
nehmen.
Zwar hat sie manches mit derselben gemein, aber ihr
gedrungener Wuchs — sie wird kaum halb so hoch als
Qu. Hex —, ihre Fruchtteller, ihr rostfarbenes Holz, die
Schwere desselben, ihre kleinen, wandelbaren Blätter, ihre
Blütezeit und manche andere tief erliegende Eigentümlichkeit
lassen sie unbedingt als eine gute Spezies erscheinen.
Die Ballota-Wälder hier im Pardo sind aufserordentlich
schön. Wie die prächtigen Bäume die Hügel krönen oder
an den Hängen hinaufsteigen, ob in Gruppen, Hainen oder
dichten Wäldern, überall erscheinen sie im höchsten Grade
 
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