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Die Gartenkunst — 5.1903

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Meinungsaustausch
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0050

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V, 2

DIE GARTENKUNST

Folge würde sich eine Annäherung zwischen Industrie und
Landwirtschaft, ein Ausgleich ihrer Interessen ergeben; der
Landentvölkerung wäre der sicherste Riegel vorgeschoben. Für
die Arbeiter dieser Industrien würde, abgesehen von den Vor-
teilen, die ihnen aus dem Mitbesitz am Boden erwachsen, die
Gartenstadt den Nutzen haben, dafs sie ebenso billige wie ge-
sunde Einzelhäuser zu erwarten haben. Ausserdem hätten sie
Gelegenheit, in ihren Gärten sich selbst den nötigen Bedarf an
Gemüse und Obst zu ziehen. Für alle sonstigen Bedürfnisse
würden sie den Markt vor der Tür haben und deshalb auf preis-
werte, billige Waren rechnen können. Auf diese Weise würden
mit dem Bau von Gartenstädten die Probleme der Wohnungs-
frage und der Übervölkerung wie von selbst ihrer Lösung ent-
gegengehen. Die Idee der Gartenstadt ist in Deutschland nichts
Neues. Sie ist schon vor längerer Zeit in der Diskussion auf-
getaucht. Jetzt aber ist eine Reihe von Männern und Frauen,
mit Hinblick auf das englische Vorbild, entschlossen, auch in
Deutschland die Idee ihrer Verwirklichung entgegenzuführen.
Die Gesellschaft, deren Begründer den verschiedensten Berufen
angehören, hat vorerst zwei Ausschüsse gebildet, deren einer
vorwiegend, die Propaganda der Idee durch Schriften und Vor-
träge betreiben, während der andere sich um die finanziellen
Grundlagen, die Ausarbeitung von Plänen u. s. w. bemühen soll.
Der Annahme des von Herrn F. E. Schütte der Stadt
Bremen geschenkten Kaiser Friedrichdenkmals hat die
Bürgerschaft mit lebhaftem Danke zugestimmt und sich mit
der Umwandlung des Herdentorsfriedhofs zu Gartenanlagen
einverstanden erklärt.

Meinungsaustausch.
Die Eingabe ehern. Schüler der Gärtner-Lehr-Anstalt in
Wildpark-Potsdam an den Herrn Landwirtschaftsminister.
Infolge des Abganges des bisherigen Lehrers für Garten-
kunst an der Gärtner-Lehr-Anstalt in Wildpark-Potsdam —
des Herrn königl. Gartenbau-Direktors F. Encke — haben
eine Anzahl von Schülern dieses Herrn ihrer Dankbarkeit und
Hochschätzung durch eine Eingabe an den Herrn Landwirt-
schaftsminister Ausdruck gegeben, darin sie den Abgang des
Herrn Encke bedauern und bitten, in Erwägung zu ziehen, ob
nicht Herr Encke für eine Mitwirkung in dem Kuraturiuni der
Anstalt gewonnen werden kann.
Die in der Eingabe zum Ausdruck gebrachte Anerkennung-
gereicht sowohl dem Lehrer wie auch den Unterzeichnern zur
Ehre, wie jeder gern zugeben wird. Ob sie Herrn Encke aber
wirklich den Dienst damit geleistet haben, den sie beabsichtigten,
mul's bezweifelt werden, fordert doch das Schriftstück an mehreren
Stellen zu einer ganz energischen Abwehr heraus, was gewil’s
zu vermeiden war. Wir wollen dabei vorweg die volle Loyalität
der Unterzeichner gern anerkennen und annehmen, dafs ihnen
jeder andere Gedanke dabei fern gelegen hat.
In der Eingabe heilst es:
„In dem Fortgang des Herrn Dir. Encke sehen wir einen
grolsen Schaden für die Lehranstalt selbst und für die ge-
samte Gartenkunst.

... dafs das Lehramt für Gartenkunst, der in erster Linie die
Wildparker Anstalt dient, auch von einer hervorragenden, als
Gartenkünstler wie als Lehrer gleich tüchtigen Kraft aus-
geübt wird. Hierfür ist Herr Encke die berufenste Persön-
lichkeit, und wir halten es unter den jetzigen Verhältnissen
für ausgeschlossen, dafs für ihn ein gleichwertiger Ersatz zu
finden sein wird“.

Darin liegt doch eine gewagte Behauptung und zugleich
ist eine Unkenntnis über die Leistungen anderer Gartenkünstler
zu erblicken. Die Gartenkunst verfügt, Gott sei Dank, über
eine Reihe namhafter Gartenkünstler und sehr bedeutender
Männer, die nicht allein mit grofsen und reichen Erfahrungen
ausgerüstet sind, sondern auch eine hervorragende Lehrtätigkeit
ausüben könnten, ja die deshalb besonders geeignet erscheinen,
weil sie durch jahrelange Beschäftigung von Schülern der An-
stalt erfahren haben, worin deshalb der Unterrichtsstoff noch
zu bessern oder zu erweitern ist und daher besonders einge-
griffen werden mul’s, um die Schüler auch für die erforderlichen
Leistungen befähigt von der Anstalt entlassen zu können. Es
verraten deshalb die Worte in dem vorher angeführten: „. . . wir
halten es unter den jetzigen Verhältnissen für ausgeschlossen,
dafs für ihn ein gleichwertiger Ersatz zu finden sein wird“,
wenig Objektivität und noch weniger Feinfühligkeit sowohl dem
Lehrer gegenüber, als den übrigen tüchtigen Gartenkünstlern.
Wir lesen dann weiter:
,,.wenn der Fortgang des Herrn Dir. Encke nicht mehr
zu ändern ist, in Erwägung ziehen, ob nicht Herrn Encke
für eine Mitwirkung in dem Kuratorium der Anstalt gewonnen
werden kann .. ..“
Darin muls eine gewisse Milsachtung der bisherigen Tätig-
keit des Kuratoriums gefunden werden, das dieser Stütze bedarf.
Demgegenüber möchten wir darauf hinweisen, dafs das
Kuratorium es gerade gewesen ist, das Herrn Encke für seine
Lehrtätigkeit an der Anstalt den Boden in bester Weise erst
geebnet hat, und dafs dieses Verdienst dem damaligen jetzt
verstorbenen hochverdienten Vorsitzenden Herrn Wirklichen Ge-
heimen Ober-Regierungsrat Dr. Singelmann in anerkennenster
Weise gebührt. Es war Anfang der neunziger Jahre des letzten
Jahrhunderts, als von verschiedenen Seiten durch Neben-
strömungen der Versuch gemacht wurde, die Lehre der Garten-
kunst auf der Anstalt zurückzudrängen und auf ein bescheidenes
Mafs einzuschränken. Die geringe Liebe, welche der damalige
Hof-Gartendirektor Vetter der Anstalt entgegenbrachte und
das geringe Verständnis, welches er für die Gartenkunst zeigte,
unterstützte diese Versuche. Dies aber führte gerade dahin, dafs
der Vorsitzende mit kräftiger Hand eingriff, alle Nebenströmungen
beseitigte und auch den Direktor dadurch bestimmte, an dem
guten Strang mitzuziehen. Damit war der Boden in bester
Weise bereitet und dem Lehrer freie Bahn für alle Folge in
seinem Lehrunterricht gegeben.
Da auch der jetzige Vorsitzende des Kuratoriums Herr
Ministerial-Direktor Dr. Thiel an diesem Grundpfeiler der An-
stalt festhält, können wir nicht begreifen, wie man darauf
kommen konnte, dem Herrn Minister zu empfehlen, dem Kura-
torium in einer besonderen Form noch einen Berater beizugeben,
wo doch schon zwei Gartenkünstler darin sitzen und wie eben
gezeigt, derselbe die schützende und fördernde Hand in der
besten Weise über die Gartenkunst breitet.
Nicht unberührt möchten wir unter anderen noch anzu-
greifenden Punkten die Ansicht lassen:
„ . . . . dafs jetzt Wildparker Schüler überall begehrte Hilfs-
arbeiter sind (das war lange Jahre hindurch nicht der Fall),
ist allein Enckes Verdienst“.
Das ist wiederum ein Irrtum und zwar ein recht grolser.
Das Verdienst, die ehern. Schüler der Gärtner-Lehranstalt nach
bester Weise und im Verhältnis ihres Wissens und Könnens
unterzubringen, rührt von dem General-Gartendirektor Fenne
her und ist von dem Stadt-Gartendirektor Gustav Meyer be-
sonders gepflegt und den Schülern durch sein Beispiel zur Richt-
schnur geworden: das hat sich von Kursus auf Kursus bis
heute weiter vererbt. Wenn heut von den Schülern mehr ein-
 
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