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Die Gartenkunst — 5.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0165

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142

DIE GARTENKUNST

V, 8

der Wissenschaft steht wie die unserige, durch sie beeinflufst.
Eine Weltanschauung will nicht nur den Geist (Verstand) be-
friedigen, sondern auch das Herz — das Gemüt, für welch
letzteren Begriff nur die germanischen Völker ein Wort haben.
Entsprechend unserer Sprache und Entwickelung müssen wir
Deutschen aber neben dem Denken das Gemüt pflegen —
vor allem in deutscher Kunst und (im besonderen) Gartenkunst.
Der deutsche Idealismus hat sich nur kurze Zeit durch ein-
seitige Betonung der Naturwissenschaft durch den Materialismus
unterdrücken lassen. Letzterem verdankt auch die Kunst ihre
vorübergehenden Einseitigkeiten des Naturalismus, Impressionis-
mus und anderer Ismen. Nun aber erwacht wieder der Idea-
lismus und sucht sich mit dem Tatsachenkultus des Materialismus
auseinander zu setzen. Beide können einander nicht mehr
verleugnen: die Naturwissenschaft beherrscht das Denken, —
das Gemüt aber findet seine Befriedigung aus der Ver-
kündigung der Welt-Liebe, wie sie die Persönlichkeit Jesus —
nicht allein — aber am reinsten und wirkungsvollsten aus-
gesprochen hat. Diese Liebe läfst sich in wissenschaftlicher
Form als „Gleichheit aller Wesen in ihrem Rechte auf das
Dasein“ ausdrücken. Diese Anschauung hat mit der mehr oder
weniger nahen Verwandtschaft der Lebewesen nichts zu tun.
Darwin ist durch die Verbreiter seiner Lehre vom
„Kampf ums Dasein“ in Deutschland zum unschuldigen Be-
gründer des Materialismus geworden. In den jüngsten Tagen
aber ist der Idealismus, der den Menschen nicht blofs als Ver-
standestier auffalst, sieghaft vorgedrungen. Man kann keine
ernst gerichtete Zeitschrift aufschlagen, ohne auf Weltan-
schauungsfragen zu stofsen: und keine Auseinandersetzung
über diese Fragen kommt um die Persönlichkeit Jesu herum,
ohne zu ihr Stellung nehmen zu müssen. Das sind nicht
Glaubensfragen, sondern Gemütsfragen und — keine Kunst
ohne Gemüt! Denn Kunst ist der Ausdruck des Seelen-
lebens, geregelt durch den Verstand. Darum gehört dergleichen
auch einmal in unsere Zeitschrift, und hierdurch mag meine Ant-
wort vor der Öffentlichkeit entschuldigt sein. Der Streit um die
persönliche Weltanschauung ist so müssig wie der Streit um
Religion. Wenn aber jemand mich widerlegen will, so mufs
ich bitten: 1. nur das zu zitieren, was ich gesagt habe. (Herr
Pietzner hat —■ ich nehme natürlich an: irrtümlich — wider-
legt, was ich nicht gesagt habe.) 2. Mit Begriffen zu arbeiten,
die ihre im philosophischen Gebrauch fest bestimmte Bedeutung
haben.
Herr Pietzner hat ferner zitiert, ich hätte Schulze-Naum-
burg den Vorwurf gemacht .... „praktisch“ falsche Folgerungen
gezogen zu haben. Gartenkunst 1903, S. 101, Spalte 1, Zeile 3
von oben, steht aber* nicht das Wort „praktisch“. Ich habe
in meinen „Gartengedanken“ die praktische Seite überhaupt
nicht berührt, auch nicht für das „praktische Leben“ Folgerungen
gezogen. Garten-,, Gedanken“ wollte ich ausführen. Das
praktische Leben fordert Kompromisse, Zugeständnisse — die
„Kunst“ als reiner Begriff kennt keine Zugeständnisse,
wohl aber das Geschäft. Im Geschäft mufs man das Haupt
der Gartenmuse oft genug verhüllen. Darum kommen wir
Gartenkünstler so selten zu Kunstleistungen, welche von Zu-
geständnissen an die Wünsche oder den Geldbeutel des Auf-
traggebers frei sind. Das liegt aber nicht an meiner „Theorie“,
d. h. an den Forderungen unserer Kunst, sondern an
äufserlichen Umständen.
Ist Herr Pietzner anderer Meinung als ich, so habe ich
nichts dagegen. Im Interesse der Sache aber muls ich fest-
stellen, dafs ich mich nicht widerlegt fühle. Wenn man in
das Gebiet des Gedankenreiches die Frage nach dem
praktischen Nutzen hineinwirft, wird natürlich alles verschoben !

Forderungen des Gedankens und praktischer Nutzen sind zwei
grundverschiedene Dinge.
Meine Anschauungen lassen sich aus der fast tabellarischen
Übersicht in No. 6 der „Gartenkunst“ nicht in allen Teilen
beurteilen. In der „Täglichen Rundschau“ habe ich sie auf
12 Spalten weiter ausgeführt. Wer von den Mitgliedern sich
dafür interessiert, kann die bezüglichen Nummern auf Ersuchen
an mich erhalten. Diese Ausführungen haben mir einen
schönen Lohn gebracht: Der Direktor einer staatlichen höheren
Gärtnerlehranstalt schrieb mir, er habe angeordnet „dafs im
Unterricht über Landschaftsgärtnerei auf meine Darlegungen
nachdrücklichst hinzuweisen sei!“ Das ist mein Streben und
meine Arbeit an der Gartenkunst und der jüngeren Generation:
nicht einseitig sein, alles prüfen, geistig verarbeiten, die Zu-
sammenhänge und Beziehungen des Faches mit den Trieben
der Zeit und des Lebens in Vergangenheit und Gegenwart
aufsuchen — nicht möglichst schnell tot schlagen, was einmal
anders singt als die alte Melodie. Das Streben nach einer
gärtnerischen Hochschule bedingt Freiheit verschiedener Lehr-
meinungen in gegenseitiger Achtung und Unabhängigkeit.
Daraus entsteht Fortschritt. Behalte jeder nach seiner Meinung
das Beste. Die jüngere Generation mufs zu der Fähigkeit
erzogen werden, sich selbständig begründete Urteile zu bilden
— dann wird, von Schablone befreit, Gartengestaltung persön-
liche Kunst werden.
Willy Lange-Dietharz,
z. Z. Georgenthal, Bahnhofstr. 79.


Verschiedene Mitteilungen.

Die deutsche dendrologische Gesellschaft hält ihre
Jahresversammlung vom 6.—8. August in Breslau ab.
Folgende Vorträge sind bereits angekündigt: Prof. Pax
(Aceraceae), Prof. Koehne (Amelanchier u. s. w.), Garten-
inspektor Beifsner (Koniferen u. s. w.), Gartenbaudirektor
Goeschke (ausländische Gehölze im rauhen oberschlesischen
Klima), Garteninspektor Purpus (Dendrologische Mitteilungen),
Graf v. Schwerin (Sambucus), Prof. Schube (Bilder aus Schlesiens
Baumwelt mit Lichtbildern), Forstgarteninspektor Büttner-
Tharandt (Absterben junger ausländischer Koniferen). Ausflüge
finden statt: Am 6. August nach dem Scheitniger Park, der
städt. Baumschule, den Anlagen des Verschönerungsvereins,
am 7. August nach Sibyllenort, am 8. nach Camenz, am 9. nach
Pros kau, am 10. nach Tillowitz und Koppitz.
Baumschuler Wäldchen, Bonn. Ein zur Zeit in der
schönen Musenstadt Bonn die Gemüter mit Recht empörender
Gewaltstreich fiskalischen Bureaukratismus dürfte auch weitere
Kreise interessieren. Es handelt sich um die Parzellierung zu
Bauplätzen des z. Z. verwahrlosten Baumschuler Wäldchens,
einer noch aus der Kurfürstenzeit stammenden Anlage, die
durch die Baumschuler-Allee mit den weiteren aus jener prunk-
vollen Zeit stammenden, jetzt peinlich sauber gepflegten An-
lagen: der weltberühmten Poppelsdorfer Allee, Poppelsdorfer
Schlofs und Hofgarten, in Verbindung steht. Man hat zu dem
aufserge'wöhnlichen Schritt einer Eingabe an den Kaiser über-
gehen müssen, der aus seiner Bonner Studentenzeit her lebhafte
Sympathien der schmucken Stadt am Rhein entgegenbringt. Gl.
Cleve. Die Stadtverordneten-Versammlung hat sich kürzlich,
wie der Clever Volksfr. erfahren hat, in geheimer Sitzung mit
dem Ankauf des Prinzenhofparkes seitens der Stadt beschäftigt.
 
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