Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 5.1903

DOI Artikel:
Grube, Heinrich: Gärten der Escorial
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0116

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
v, 6

DIE GARTENKUNST

93

Reisenden bisher erwähnt zu finden. Welche Riesengeduld,
sie zu formen, hängt an ihnen und wo sind sie hingeraten,
ihre Schnitter? Ihr Alter ist auf ca. 330 Jahre zu schätzen
und noch erscheinen sie mir nirgends lückenhaft und alters-
schwach. Ob man sie von Zeit zu Zeit düngte, konnte
ich nicht erfahren, doch fand ich, dafs das fallende Laub
und die in das Innere fallenden Zweiglein (beim Schneiden)
im Laufe der Jahrhunderte, eine hohe Schicht schwarzen
Humus gebildet hatten, wozu vielleicht auch Kalktierchen
wie Schnecken, ferner Insektenleichen, Staub und sonstige
Abfälle aus dem Äther der umgebenden Luft beigetragen
haben.
Aus den Gärten dieser Buxbaumlabyrinthe genofs ich
eine wundervolle Aussicht auf die südlichen Ausläufer des
Guadaramagebirges, an dessen Rande der Weg nach Avila
zieht, und auf die blauende Ebene Castiliens. Zu meinen
Füfsen breiteten sich die verlassenen und teilweise öden
Parks und Obstgärten des Klosters aus und fernher
schimmerte das kleine Feenschlöfschen Casita del Principe,
in welches wir uns nun im Fluge versetzen wollen, um
diese Perle zu schauen. Die inneren Klostergärten ver-
lassend, über die Calle Larga schreitend, erreicht man als-
bald eine der schönen Alleen des Jardines del Principe.
Wir wählen eine aus Pinien, Pinus Pinea und Pinus
silvestris bestehende schöne Calle und gelangen in etwa
einer Viertelstunde zu der reizenden Casita del Principe
oder de Abajo. Dieses Schmuckkästchen ist überreich, ohne
überladen zu sein, an Wandmalereien, Gemälden, seidenen
Gobelins, Porzellan- und Elfenbeinbildern, ein wahres Museum,
welches, bald 300 Jahre alt, erst nach dem Tode Philipps II.
erbaut wurde. Rings um dieses Feenschlöfschen, das mit
all seinen inneren Schmucksachen so schimmernd und so
farbenschön erhalten ist, als ob es eben aus der Künstler
Hände hervorgegangen wäre, liegt ein Garton, und dieser
Garten gleicht , den schönsten, welche ich je gesehen habe,
obgleich er äufserlich eben jetzt wenig gepflegt erschien.
Weithin erhaben und alle Baumriesen der Umgebung über-
ragend erheben sich eben dort here Pyramiden pracht-
voller Sierra Nevada-Tannen,- die wunderschöne Abies
Pinsapo und riesige Wellingtonia gigantea, gemischt mit
Cypressen, Abies cilicica und Gedern. Diese schönen Bäume
gedeihen dort auf den Hügeln am Fufse des Guadarama
vorzüglich, und nirgends, auch in Aranjuez nicht und ob-
gleich die Gärten in Madrid von ihnen wimmelten, habe
ich so vollkommene und tadellose Pinsapofichten gesehen.
Es ist etwas Wunderbares um diesen Baum, dessen Schönheit
wir im Deutschen Reiche nur ahnen, nicht kennen. Er
zeigt die pyramidale Gestalt der schönsten Koniferen voll-
kommener als irgend ein anderer und ich bedauere, dafs er
nicht zu den unbedingt winterharten Bäumen Deutschlands
gehört. Es ist mir nicht möglich, seine Pracht zu schildern.
In Gruppen zusammen um jenes Feenschlöfschen gestellt,
gibt er ein Bild, dem nichts gleicht, was wir in den Gärten
Deutschlands kennen. Vom Boden auf regelrecht bezweigt,
tadellos und ohne Fehler, erreichten sie im Laufe der Zeiten
eine Höhe von etwa 50 m.' Sie variieren. Bald erscheinen sie
im frischen Grün des Frühlings ohne Winterbräune oder Bläue,
bald weifslichgrau, oder hellaschenfarben schimmernd, wie

die schönsten Fichten des Felsengebirges. Nord-Amerikas.
Mein Vetter, der diese stolzen Gruppen photographierte,
wird es vielleicht ermöglichen, dafs ich Ihnen ein Bild
davon senden kann. Die Pinsapofichte ist der Zukunfts-
baum der Castilischen Hochebene, — seiner Hügel und Ge-
birge. Aber auch die Riesenbäume Californiens sind in
diesen Gärten zu wunderbarer Vollkommenheit erwachsen,
so dafs ich annehmen möchte, dafs auch sie zu den Zu-
kunftsbäumen Castiliens und Aragons gehören und wir in
Europa in absehbarer *Zeit diese schönen Koniferen
studieren können. Die dünne, feine Luft Castiliens mufs
diesen Koniferen — es sind ihrer 5 — besonders gut
und zutunlich sein. In erster Linie ist es Abies Pinsapo,
dann auch Abies cilicica, Wellingtonia gigantea, Cedrus
Deodara und Sequoia sempervirens, während Biota orien-
. talis, Thuja occidentalis und besonders unsere Abies
pectinata hier nicht fortkommen. Es mufs also die Luft
auf den Höhen der Heimat der obgenannten ähnliche
Beschaffenheit haben als hier in Castilien. Felsiger Unter-
grund — dicke Bodenkrumen, gemischt aus Sand und
Ton, Mergel und Kalk — scheint mir unerläfslich. Hier
um den Escorial ist der Untergrund Granit. — So finden.wir
hier 2 Richtungen menschlichen Geistes nahe beieinander
gesellig vereint: den finstern, starren Geist der spanischen
Kirche und den heiteren Ton griechisch klassischer Schönheit
der Naturanschauung.
Wir verlassen dieses Paradies, dessen immergrüne
Baumgestalten uns weithin sichtbar zu begleiten scheinen,
und besuchen den alten Park, der zwischen beiden Dörfern
und dem Kloster sich am Abhange des Hügels erstreckt.
Weite schöne Alleen durchqueren ihn der Länge und Breite
nach. Diese sind aus. Aesculus Hippocastanum, Platanen,
Pinien, Pinus silvestris und Gleditschia triacanthos ge-
bildet. Auch eine sehr schöne Allee von ital. Pyramiden-
pappeln sah ich. Sie münden auf irgend eine stolze
Koniferengruppe, auf Landhäuschen oder Fontänen und sind
auch heute noch gut erhalten und gepflegt. Die Wald-
föhre, Pinus silvestris, ist in ihrer spanischen Form etwas
verändert. Sie wächst schneller, ihre Rinde erscheint leb-
hafter rot und ihre Nadeln sind kürzer und konsistenter,
auch schimmert sie heller blaugrau. Die Zapfen sind kleiner.
Man sollte diese Föhre bei uns einführen! Im übrigen ist
der Park verwildert. Manna-Eschen, Populus canescens,
Trauerweiden, Cypressen, Pinus silvestris, Pinien, gemischt
mit Pinsapofichten, bevölkern ihn. Als Unterholz fand ich
riesige Brombeeren, massenhaft Syringa vulgaris, in dessen
Dickichte die zahlreichen Nachtigallen Zuflucht suchen
und finden. Ferner römische Myrten, Rosmarin, Buxus
sempervirens,Ruscus aculeatus im Beerenschmucke, Spartium
junceum, Spartocytisus, Cistus und Eichen. Auch Juniperus
Oxycedrus in hohen Bäumchen. Dort überwintern oder
sind Standvögel zahlreiche Amseln und Drosseln, Rot-
kehlchen, Alpen-Bachstelzen und die Haubenmeise. Andere
Vögel aufser der Saatkrähe sah ich keine. Nur um die
Türme des weithin ragenden Klosters flogen Tausende halb-
wilder Tauben, aber keine Dohlen. Der grofse Obstgarten
war verwildert. Ich fand Äpfel, Birnen, Pflaumen und
zahlreiche Stachelbecrbüsche, die hier seltsamerweise
15
 
Annotationen