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Die Gartenkunst — 14.1912

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Faulwetter, Hermann: Die Gartenkunst im Mittelalter, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0052
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44

DIE GARTENKUNST.

XIV, 3

Ganzen als Anlehnungsbasis von Bedeutung gewesen
sein mag. Es sei hierbei an das im vorigen Abschnitt
von Meyer und Ries über die Bedeutung des Brunnens
Gesagte erinnert.

Für den mittelalterlichen Garten ist die Umgren-
zung noch insofern von besonderer Wichtigkeit, weil
bei der Beschränkung auf einen engen Raum der die
Grenze bildende Zaun oder die Mauer fast in allen
Fällen einen Hauptbestandteil des Gartenbildes aus-
machten. Aus diesem Grunde ist auf seine Ge-
staltung in hohem Maße Bedacht genommen worden,
und es erscheint daher berechtigt, auszusprechen, daß
die Gartenkunst des Mittelalters es wohl beabsichtigt
und auch verstanden hat, den Zaun oder die Mauer
dem Garten organisch anzugliedern.

Die Zäune sind naturgemäß den Mauern vorauf
gegangen und zwar zunächst die sog. Krippgeflechte,
die aus mehr oder weniger starken, oft noch verästelten
Baum- und Strauchzweigen hergestellt wurden. Siedienen
in erster Linie dem bloßem Zweck und werden nur in selte-
nen Fällen, da wo sie mit dem Eingangstor in Verbindung
treten, etwas reicher ausgestattet; trotzdem sind sie
schön und oft von geradezu malerischer Wirkung. Der
Krippzaun kommt sowohl für den kleinen Hausgarten
als für die größere Gartenanlage in Anwendung, wie
aus den Beispielen I, 2 und 3 hervorgeht. Sämtliche
3 Abbildungen sind Ausschnitte aus Darstellungen von
Albrecht Dürer, der ein viel zu genauer Beobachter
und gewissenhafter Zeichner war, als daß er den wirk-
lichen Tatsachen entgegen ein und dieselbe Form auf
verschiedene Gartentypen verallgemeinert haben würde.

Man wird nicht fehlgehen, wenn man die gefloch-
tenen Zäune im wesentlichen für die Nutzgärten, also
für Kräuter- und Baumgärten, als primitivste Einfrie-
digung ansieht. Eine Ausnahme machen darin aller-
dings die Gärten der Klöster, die eingeschlossen in
den Mauern eines mit reicheren Mitteln ausgestatteten
Gemeinwesens liegen.

Schon vor Dürers Zeiten, um die Wende des 13.
und 14. Jahrhunderts, sind neben den geflochtenen
Zäunen auch schon solche aus soliden, sauber gear-
beiteten Bretterwänden im Gebrauch gewesen, wie
u. a. aus einem Altarbilde von Johann Koernicke

(erwähnt 1446) „Christus am Ölberg“ hervorgeht.
(Abb. 5). Ich habe gerade dieses Beispiel hier heraus-
gegriffen, weil Koernicke als Modernist für das Mittel-
alter gilt, der um 1470 gemeinsam mit einem anderen
westfälischen Meister (Meister des Altars in der Wiesen-
kirche zu Soest) die neue realistische Strömung der
westfälischen Malerei einleitet. Vielleicht ist deshalb
auch die achteckige Grundform der Gartenfläche (Garten
Gethsemane) besonders interessant und beachtenswert!
Auch Abb. 23 weist die feste Bretterplanke auf.

Merkwürdigerweise scheinen Hecken als Einfrie-
digungen im Mittelalter zu fehlen oder doch nur wenig
üblich gewesen zu sein; mir ist es trotz eifrigen Suchens
nicht gelungen, auch nur einmal die Hecke im Bilde
nachzuweisen. Eine Erklärung hierfür dürfte in der
damals herrschenden allgemeinen Unsicherheit liegen,
gegen welche eine Hecke nicht genügenden Schutz ge-
währen konnte. Wohl finden sich in Gedichten Hecken
erwähnt, aber genauere Beschreibungen fehlen, und es
darf vermutet werden, daß unter dem mittelhoch-
deutschen „hak“ auch die schon oben erwähnten ge-
flochtenen Gehege zu verstehen sind. In dem mittel-
hochdeutschen Gedichte „die Nachtigall“ heißt es an
einer Stelle :

Vor dem hüse ein baumgarte lak,
darumb gieng ein vester hak,
da mit er bevridet was.

Die Einfriedigung wird ausdrücklich als fest be-
zeichnet und scheint, wenn nicht ganz aus totem Strauch-
geflecht, so doch aus einem festen künstlichen Zaun-
gerippe bestanden zu haben, an welches lebende Hecken-
pflanzen gesetzt waren.

Zu eigenartigen Bildungen hat die Verwendung
des Holzmateriales beider Gestaltung des Einganges
geführt. Im allgemeinen können drei Haupttypen unter-
schieden werden, die wahrscheinlich spezifische Eigen-
art gewisser Gebiete sind.

In Süddeutschland scheint allgemein das große
meist einflügelige Tor gebräuchlich gewesen zu sein,
wie es in den Abbildungen 5j 6, 15 und 23 zur Dar-
stellung gelangt. Selbst wenn der Zaun nur geringe
Höhe erreicht, erhebt sich das Tor mit zwei starken
Pfeilern zu einer Höhe von über 2 m empor und trägt

HEILIGE FAMILIE IN
NAZARETH

Abb. 1. Holztor mit einem Flügel.

Sämtliche

ÖLBERG

Abb. 2. Holztor mit Krippzaun.

3 Abbildungen nach Darstellungen von

AB3U-IIED v.d. MUTTER.
Abb. 3. Geflochtener Zaun.

. Dürer.
 
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