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Die Gartenkunst — 14.1912

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Ammann, Gustav: Aus den Gärten von Versailles und Trianon, [1]: Versailles
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0124
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116

DIE GARTENKUNST.

XIV, 8

Abb. 8. Versailles: Wasserallee von der Nordterrasse nach dem Drachenbecken.

Abb. g. Versailles: Neptunbecken von Mansart.

Abb. io. Versailles: Les cent tuyaux.

durch schwere Baummassen bis auf einen
schmalen Gang, den die Baumkronen
oben beinahe schließen, folgt auf das
Pyramidenbecken die reizende Wasser-
allee. Der alternde König wollte durch
Kinderfiguren sich der Jugend freuen
und Claude Perrault hat diese reizenden
Gruppen entworfen. In einem kreisför-
migen Becken stehen auf einem kleinen
Marmorsockel je drei Kinder um eine
Säule und tragen eine Wasserschale, der
ein kurzer Strahl entsteigt. Je 7 dieser
Broncegruppen stehen auf beiden Seiten
der schrägen Rasenflächen, die zum Nep-
tunbecken hinunterfallen. 1648 in Blei
gegossen und vergoldet wurden sie 20
Jahre später durch gleiche Broncefiguren
ersetzt und haben nun herrliche Patina.

Abb. 9. Die Allee schließt unten
erst das kleine Drachenbecken ab mit
Delphinen und Schwänen, auf denen
Kinder reiten. Dann weichen die dichten
Baummassen wieder auseinander. Zwi-
schen Rasenböschungen und Mauern
liegt vertieft der große Wasserspiegel
des Neptunbeckens. Wo die Wasserallee
aufstößt, lagern vor der vasengeschmück-
ten Mauer die grün gewordenen Fluß-
götter, die unter Ludwig XV. aufgestellt
wurden. Die Anlage selbst ist eine Schöp-
fung Mansart’s, des Nachfolgers von Le
Notre’s. Aus den Vasen auf der Mauer
und aus dem Wasser steigen 44 Spring-
strahlen gleichmäßig 20 m hoch empor,
während breite Fächergarben aus den
drei Gruppen der Flußgötter hervor-
brechen. Das Ganze wirkt stark theatra-
lisch und scheint mir ohne die Wasser-
strahlen besser zu wirken, da diese den
Raum gleichsam zerstechen.

Abb. 10. Mit welch einfachen Mitteln
die damalige Zeit ihren Schöpfungen Ge-
stalt zu geben wußte, zeigt ein Wasser-
motiv , das am Kreuzungspunkte ver-
schiedener Alleen liegt. Die Aufnahme
ist leider zu einem etwas ungünstigen
Sonnenstand gemacht. „Les cent tuyaux“
ist der Ort auf den Postkarten genannt.
Ein erhöhter, von einem Rasenwall um-
gebener Wasserspiegel entsendet eine
vielstrahlige Wassergarbe. Über vier trep-
penartigeKaskaden stürzt sich das Wasser
in einen breiten Graben von achteckiger
Form. Wie die Stufen der Kaskaden ist
auch der Rasenwall durch feine Böschun-
gen abgetreppt. Ein schmaler Rasen-
rand begrenzt das Ganze.

(Fortsetzung folgt.)
 
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