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Die Gartenkunst — 14.1912

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Ulrich, F.: Gedanken über Friedhofsgestaltung: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0247
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240

DIE GARTENKUNST.

XIV, 16

Ich setze im nachfolgenden voraus, daß Ihnen das
Geschichtliche und die Wandlungen, die sich im Laufe
der Zeit auf dem zu behandelnden Gebiete vollzogen
haben, bekannt sind, und daß es genügt, wenn ich
diesen Punkt nur soweit berühre, als es durch den Zweck
der jeweiligen Ausführung bedingt ist.

Nur eine Frage möchte ich erörtern und klarstellen,
die mir von grundsätzlicher Bedeutung scheint, eine
Frage, die in Form eines Vorschlages vor einiger Zeit
angeregt worden ist und dann zu einem Ergebnis ge-
führt hat, dem ich nicht zustimmen kann. Es ist die
Frage: Wo gehört das Grab eigentlich hin, oder wo
sollen wir unsere Toten bestatten?

Dr. Pudor, glaube ich, war es, der seinerzeit in
der „Gartenwelt“ den Standpunkt vertrat, daß man
mit dem Friedhofszwange brechen solle. Er schlug
dagegen vor, es nach Möglichkeit jedem zu überlassen,
liebe Verstorbene auf eigenem Grund und Boden zu
bestatten. Dies begründete er hauptsächlich und in
ganz geschickter Weise mit einem Hinweis auf unsere
Gemütsverfassung bei Todesfällen und unser seelisches
Verhältnis zu den Gräbern lieber Angehöriger, so daß
seine Idee in der Tat Anklang und Fürsprecher gefun-
den hat, wie ich mich mehrfach überzeugen konnte.

Ungefähr gleichzeitig — es war auf der Darmstädter
Ausstellung — erregte die Nachahmung eines Kinder-
grabes in einem vom Maler Laipheimer errichteten
Garten berechtigtes Aufsehen und empfindsame Be-
trachtungen. Liegt doch zunächst etwas Bestrickendes
in einem solchen Gedanken, und doch muß er bei
näherer Betrachtung, ebenso wie jener andere Vor-
schlag, als nicht glücklich zurückgewiesen werden. Für
die Beteiligten wenigstens würde kaum Segen und
Frieden aus dieser Einrichtung erblühen, wohl aber
würde der ständige Anblick des frischen Grabes bei
so mancher Mutter die seelische Qual nur täglich und
stündlich erneuern und nicht zur Ruhe kommen lassen.
Späterhin, wenn der Schmerz dann zu verblassen be-
ginnt und der Frohsinn wieder sein Recht geltend
macht, könnte aber auch im Gegensatz hierzu der
Augenblick eintreten, wo solch ein Grab, im edleren
Sinne, geradezu störend wirkt.

Vor allem aber, und damit komme ich zum zweiten
Punkt: Was dann, wenn die Lebens Verhältnisse oder
unvorhergesehene Ereignisse zu einem Besitzwechsel
zwingen? — Und das ist doch bei mittlerem und klei-
nerem Besitz, um den es sich hier handelt, eine ständige
Erscheinung. — Ich brauche diesen Gedanken nicht
weiter auszuspinnen, denn es liegt ja auf der Hand,
welche unendliche Reihe peinlicher Möglichkeiten sich
hierbei ergäbe. Mindestens wird der Käufer eines sol-
chen Grundstücks, wenn ihn nicht das Grab von vorn-
herein abgeschreckt hat, doch versuchen, sich einer
so unliebsamen Beigabe baldigst auf die eine oder
andere Art zu entledigen.

Anders liegt die Sache natürlich beim Großgrund-
besitz; hier ist es aber auch nichts Neues. Auf den
Stammsitzen und Gütern sind Familienbegräbnisse und

Einzelgräber, oft in sehr stimmungsvoller Weise den
Parkanlagen eingefügt, eine bekannte Erscheinung.

Und doch gibt es auch hier ein Bedenken, das be-
sonders gegen Gräber auf kleinerem Privatbesitz spricht.

Vor einiger Zeit ging durch die Tagespresse eine
Notiz: Ein Vater, der mit seinem Sohne im Zerwürfnis
lebt, hatte diesem den Zutritt zum Grabe der Mutter,
das auf Familienbesitz lag, verwehrt. Erst auf dem
Wege der Klage konnte sich der Sohn sein Recht er-
zwingen; aber nur für wenige genau festgelegte Tage
im Jahre und dann wieder nur zu bestimmten Stunden.

Solche Vorkommnisse sind für heute natürlich nur
bedauernswerte Ausnahmeerscheinungen, aber sie sind
doch keineswegs so vereinzelt, wie man annimmt, und
würden, wenn das Begräbnis auf Privatbesitz mehr zu-
lässig wäre, an der Tagesordnung sein. Wir aber wollen
doch nicht nur an lang vorausbestimmten Tagen und
Stunden ein Grab aufsuchen können, sondern gerade
dann, wenn uns ein inneres Erlebnis dazu drängt; auch
nicht unter mißgünstig beobachtenden Blicken, sondern
ungestört, unbemerkt. Das Grab gehört auf neutralen
Boden, jedem zugänglich, und deshalb ist auch der
Friedhof die geeignetste Stätte, um im Tode aufzu-
nehmen, was uns im Leben lieb und teuer war. —

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einiges über
das Grab selbst sagen, das den Charakter des Fried-
hofes bestimmt und von dessen Ausgestaltung und
Behandlung zum guten Teil der Eindruck des Ganzen
abhängt. Vieles liegt hier noch im Argen, und eine
irregeleitete Friedhofskunst hat deshalb versucht —
und tut es zum Teil noch heute — das Grab einfach
hinter Gehölzkulissen zu verstecken.

Gräber, im hergebrachten Sinne, das heißt Grab-
hügel, kennt ja der moderne Friedhof eigentlich nicht
mehr — nur von Grabflächen könnte man reden — ich
möchte mich jedoch in diesem Punkte nicht als ganz
moderner Mensch bekennen und kann es nachempfin-
den , wenn man sich im allgemeinen nur schwer von
dem Grabhügel trennen mag. Das Auge fordert ihn
gewissermaßen, es ist die bei der Bestattung aus der
Gruft verdrängte Erde, sie wölbt sich zum Hügel und
kennzeichnet so die Stelle, an welcher der Verstorbene
ruht. Wenn jemand hierbei behauptet, daß ihm der
Hügel nur immer das Bild des Sarges vor Augen führe,
so kann man dem entgegenhalten, daß Kunst und
Poesie, besonders die volkstümliche, diese Einrichtung
wesentlich anders aufgefaßt und empfunden haben.

Man hat auch gesagt, der Hügel sei ein Produkt
der Bequemlichkeit, dadurch entstanden, daß man die
überschüssige Erde nicht beseitigen wollte. Auch das
trifft nicht zu: der Hügel ist zunächst weiter nichts,
als ein ganz natürliches Ergebnis der Erdbestattung;
er ist aber auch etwas historisch Gewordenes, ein alter
guter und durch die Zeit geheiligter Brauch. Wir
finden den Hügel schon auf vorzeitlichen Gräberstätten,
hier durch seine Größe oft zum Grabmal bestimmt.
Vielleicht spricht auch noch ein anderer Grund, unter-
bewußt, im Volke mit. Im Mittelalter und wohl auch
 
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