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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heick, Gustav: Park- und Gartenvorbilder im Walde
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0303
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296

DIE GARTENKUNST.

XIV, 19

nahe am Wasser in dem feuchten Untergrund steht;
ganze Büschel üppiger Schwertblätter der Schwertlilie...

Und so hat man auch im Garten in natürlicher
Weise und mit malerischer Wirkung Einzelstauden und
Einzelsträucher an den Wiesenrand verpflanzt. Die Natur
gab die Anregung dazu.

Jetzt geht man weiter, und im Frühjahr wird die
grüne Rasenfläche mit Krokusblüten bestickt; man läßt
das Maßliebchen nach Herzenslust seine kleinen Blüten-
sterne an allen Enden erblühen; der natürliche Wiesen-
rasen ist das Vorbild gewesen. Man kann aber noch
weiter ausbauen, und wie das gemacht werden soll,
offenbarte mir in heiliger Waldstille der Wald selber.
Und dann mußte ich auch immer und wieder erkennen,
welch eine wunderbare Kraft in einem Walde steckt,
wie die Natur so wundersam zu helfen weiß, wo ihr
die Menschen Wunden schlagen.

Herr städtischer Gartendirektor Enke-Köln unter-
schied einmal in einem Vortrage den Schönheitswald
und den Wald, der zu einer Holzfabrik herabgesetzt
wird. Ein treffenderes Wort für die Vernichtung so
mancher Waldschönheit ist wohl kaum zu prägen.
Wir haben daheim drei große, in der Vegetation ganz ver-
schiedene Wälder, zwei davon waren Schönheitswälder.
Aber alle achtzehn Jahre wird diese Schönheit nieder-
geschlagen. Nur eine gewisse Anzahl von Bäumen
bleibt stehen, damit man sehen kann, daß der Wald
wenigstens noch da ist.

Und so erging es denn auch der Waldstelle, die
durch den feuchten Untergrund ein besonders üppiges
Wachstum und einen mannigfaltigen Pflanzenwuchs
erzeugt. Wie kahl war’s da mit einem Male. Aber es
konnte Sonne, Licht und Luft auf die Kräuterwelt, die
sich in dem im Laufe der Jahre immer dunkler wer-
denden Laubschatten doch nicht mehr so recht ent-
falten konnte, nun auf diese wohltätig einwirken. Im
folgenden Jahre war wie ein Wunder zu schauen, was
die Natur vollbracht hatte, und wie sie die scharfen
Eingriffe der Menschen in ihr Waldreich übersah und
nun neue Schönheiten schuf. Ein solches Blühen, wie
es da erstand, ist wohl kaum schöner zu finden, es
sei denn, daß man das kurzlebige farbenglühende
Blühen auf den Hochgebirgen darüberstellen möchte.

Der kriechende Günsel, Glechöma hederäcea L., ist
doch sonst im Blütenschmuck ziemlich bescheiden ge-
kleidet; aber hier strahlte er förmlich vor Glückselig-
keit in seinem veilchenblauen Hochzeitskleide. Die
Goldnessel, Galeöbdolon luteum, gehört doch auch nicht
zu den hervorragenden Blumenschönheiten. An dieser
Stelle wurde sie eine, und ihr leuchtendes Gelb wurde
gehoben durch die Veilchenfarben in der Nähe.
Sonst versteckt der Gundermann, der pyramidale, seine
blauen Blüten verschämig, so daß sie nicht so recht
aus der Menge der graugrünen Hüllblättchen hervor-
leuchten; jetzt stand er da wie eine rechte Blumen-
pyramide, und als ich eine Schale mit diesen, in
solcher Farbenschönheit nie gesehenen Blumen füllte,
freute ich mich lange über den schönen Anblick,

denn sie wuchsen im Wasser lustig weiter. Und
so reihte sich Blume an Blume. Es erblühten rot-
leuchtende Lichtnelken, gelber Feigwurz, der Aronstab
mit seiner seltsamen Blüte; Blume an Blume. Aber
über allem fast stand das bittere Schaumkraut, Car-
dämine amara L. Als ob weiße Blütenschleppen un-
sichtbarer Waldnixen den Boden streiften, so blühte
es dort am Wasser. Und erst die Ufer des schwarzen,
tiefklaren Gewässers, das auf einer kurzen Strecke
den Wald durchzieht! Wie sehen sie so märchen-
schön aus in dem dichten Saume der weißen Blüten.
Das möge doch ein Landschaftsgärtner einmal nach-
ahmen. Ob einer so etwas fertig bringt? Ist doch
ein kostbares Gartenbuch, die Natur draußen.

Aus diesem Waldblumenreich, in dem erst vor zwei
Jahren die Axt Baum und Strauch niedergeschlagen,
fällt der Blick in den anderen Waldteil, in dem aus
den Baumstümpfen wieder Triebe in Mannshöhe auf-
geschossen sind. Da ist noch Raum genug für frische
Luft und Sonnenschein, und durch den freien Raum
unter den Blätterkronen der alten Bäume und über
den jungen üppigen Trieben herrscht eine zu jeder
Tageszeit wechselnde wunderbare Lichtwirkung. Nichts
ist ja so sehr angetan, in der Landschaft, wie im Garten
eine feine Stimmung zu erzeugen, die Schönheit der
Naturbilder hervorzuheben, als eine günstige Wirkung
von Licht und Schatten, eine richtige Abtönung der
Lichtquellen.

Aber nicht diese Wirkung war es, die mein Auge
so sehr fesselte. Wieder war es die Vegetation
auf dem Waldboden, die mich so sehr entzückte und
die in mir den Gedanken anregte, auf die Schaffung
solcher Schönheiten im Park und in größeren Garten-
anlagen hinzuweisen. Denn hier ist ein Vorbild gegeben,
wie unter Bäumen statt des geschorenen Rasens eine im
natürlichen Wachstum bleibende Vegetation wirken kann.

Allerdings ist ein feuchter Boden notwendig,
um eine befriedigende Lösung zu geben, und da wird
der Landschaftsgärtner finden, daß es manchmal
leichter ist einen Kunstgarten zu schaffen, als der
Natur in so idealer Weise, wie sie uns oft entgegen
tritt, nachzuschaffen. Aber so schwierige Aufgaben
reizen gerade?

Das vorhin schon genannte Gewässer bildet die
Grenze zwischen den beiden, zu verschiedenen Zeiten
abgeholzten Waldbezirken, bildet in seinen bewachsenen
Ufern gleichsam den Übergang zu der anderseitig
anders gearteten Waldvegetation. Wenn der feine
Blütensaum, den das bittere Schaumkraut, dann das blaue
Band des Sumpfvergißmeinnichts, die goldenen Streifen
der Sumpfdotterblume gebildet, dann treten Schilf,
Binsen und allerlei Gräser hervor und beherrschen die
Sumpflandschaft. Sie treten noch über die Ufer hin-
aus in den Wald hinein, und schaffen dort eine so
reiche Abwechslung in dem Pflanzenwuchs, daß eine
malerischere Gestaltung kaum zu denken ist, daß man
sich eine tropische Vegetation nicht schöner vorstellen
will. Und die Schwertlilien, Iris pseudäcorus! Blätter-
 
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