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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heick, Gustav: Park- und Gartenvorbilder im Walde
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Arntz, Wilhelm: Gartenkunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0304

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XIV, 19

DIE GARTENKUNST.

297

Schwerter von über zwei Meter Länge, stehen überall
in dichten Gruppen zusammen, sowie sie sich aber
von der sumpfigen Stätte entfernen, werden die Blätter
kürzer und erreichen das gewöhnliche Maß. Das ist
eine Blütenpracht im Juni. Einen ganzen Arm voll
dieser herrlichen goldgelben Blüten möchte man
schneiden und sich daheim noch daran ergötzen. Und
wie die Schwertlilie hier als mehr oder weniger um-
fangreiche Einzelpflanze zwischen dem jungen Gebüsch
und zwischen den Gräsern steht, müssen wir doch ge-
stehen, daß eine solche Anpflanzung im lichten Ge-
hölz des Gartens nicht minder erfreulich wirken würde.

Auch die Binsen und Sumpfgräser, die in unbän-
diger Üppigkeit am Ufer stehen, bis ins Wasser und
wieder in den Wald hinein, die ein Vorbild zur Ufer-
bepflanzung geben, sind gewiß Zierpflanzen von größter
und eigenartiger Schönheit. Sie sind um so mehr auch
für den Garten zu empfehlen, als sie vielen weniger
bekannt sind als die Ziergräser, und manchem wohl als
etwas Neues Vorkommen mögen. Besonders unter den
Simsen gibt es so hübsche Arten, z. B. die Hainsimse,
die sich neben dem Zypergras, Cyperus alternifölius,
gewiß sehen lassen dürfte, und wenn eine gutgepflegte
Pflanze im Topfe blühend neben Cyperus alternifölius
stände, so möchte mancher ihr wohl geneigter sein
wie dem Tropenkinde. Oder das Glanzgras, Phälaris
arundinäcea, mit seiner violettbraunen Blüte, wie schön
sieht so ein Büschel aus.

Zwischen diesen so reich verschiedenen Einzel-
pflanzen und Gruppen breitet sich auf dem Boden ein
niedriger, nicht minder reizender Pflanzenwuchs aus.
Kleine und größere Vergißmeinnichtbeete bringen einen
so lieblich wirkenden Farbenton in das Bild. War es
zuerst das Sumpfvergißmeinnicht, Myosötis palustris,
daß das Ufer und weiter die feuchtesten Waldstellen
begrünte und umblühte, so kommt jetzt das nicht
minder hübsche Waldvergißmeinnicht, M. silvätica, her-
vor, um sein Teil zur Verschönerung beizutragen.

Ganze Beete der wilden Balsamine, Impätiens noli
me tangere, harren darauf, ihre gelben schaukelnden
Blüten zeigen zu dürfen, und damit auch dort unten
Mannigfaltigkeit genug vorhanden ist, stehen Büschel
glänzend grün wie frisch lackiert, Riedgräser, die ohne
und mit Blüten recht hübsch sind. Und die präch-
tigen Blätter des gefleckten Aronstabes beteiligen sich
noch an der Ausschmückung, bis später die grellroten
Beeren solche übernehmen. Wie dürften die Farne da
fehlen und wenn es, wie hier, auch nur der Milzfarn
Aspidium filix mas, und der Milzfarn, Asplenium filix
femina ist. Wie wunderbar haben sich die Moose
hineingefunden, überziehen die Baumstümpfe, bilden
schwellende Polster, decken einzelne kahle Stellen . . .

Soll ich das Waldbild, diese köstliche Naturvorlage
noch weiter beschreiben? Es mag sicher der eine oder
andere sich im Geiste ein wenig vorstellen, wie sich
das im Garten oder Park verwerten läßt, wie das wohl
aussehen mag, wenn Menschenhände zugreifen und
Ähnliches schaffen wollten. Aber ein rechter Natur-

freund und Naturkenner muß es sein, der sich an eine
solche Arbeit wagt, ein Dichter, der nicht mit toten
Worten arbeitet und sie zu reichem Leben bringt,
sondern dem schon lebendes Material direkt in die
Hand gegeben wird. Wie wunderbar preist der Dichter
der ,,Rose Pilgerfahrt“ den Wald:

„Bist du im Wald gewandert, wenn’s drin so heimlich rauscht,
Wenn aus den hohen Büschen das Wild aufhorchend lauscht?
Bist du im Wald gewandert, wenn drin das Frührot geht,
Und purpurrot die Tanne im Morgenscheine steht?

Hast du da recht verstanden des Waldes zaubrisch Grün,
Sein heimlich süßes Rauschen und seine Melodien ? . . .“

Er stellt auch dir diese Frage, freundlicher Leser.

Gartenkunst.

Von Wilhelm Arntz, München.

Aus tiefem Elend ringt der Garten heute sich empor.
Die große Flutwelle der Natursehnsucht hatte ihm mit
absoluter Gewalt eine neue, rein malerische Form auf-
gezwungen und hatte ihn dann, selber weiterströmend
in die wirkliche Natur, der traurigsten, rohesten Ent-
artung preisgegeben. Die Schuld lag nicht bloß bei
der, doch so tiefe Lebenswerte und Schönheiten ans
Licht fördernden, Romantik, sondern an der ganzen
Irrealität im künstlerischen Schaffen des vergangenen
Jahrhunderts, an dem Unvermögen, Kunst und Tat-
sächlichkeit zu vereinen, geschweige letztere in der
Kunst zu reinem, wesenswahrem Ausdruck zu bringen.
Form und Inhalt waren einander fremd, — bekämpften
einander. Man verzweifelte an der menschlichen Ge-
staltungsfähigkeit und flüchtete aus dem frostigen
Prunken abgelebter Formensprachen und aus trostlos
unfähiger Raumbildung in den warmen Lebensodem der
ausdrucksvollen, großsinnigen Natur. Jedoch außer-
stande, sich über das Wesen ihrer Anziehungskraft,
über das Bedingende ihrer wohltuenden Erscheinung
klar zu werden, erhob man zu ihrem höchsten Prinzip
ihre (scheinbare!) Formlosigkeit und gab dem für alle
Gebiete der Gartenkunst absolute Geltung. Man hatte
sich selber aufgegeben und streckte bedingungslos die
Waffen, verzichtete auf den eigenen Schöpferwillen.
Der freilich leistete zur selben Zeit, von der Not ge-
peitscht, auf anderen Gebieten sein Größtes. Und
dort gesundete er.

Wir stehen in einer nie dagewesen großen Um-
wälzung. Wir überschreiten die Schwelle einer neuen
Epoche in dem Werdegang der Menschheit. Der
Pessimismus flüchtet zu den Alten. Unsere zweitausend-
jährige pessimistische Religion hat ihr edel-strenges
Erzieheramt vollendet. Das Zeitalter des vernunft-
bewußten Menschen zieht herauf; — des Menschen,
der sich selbst gefunden hat und, in Demut und Ent-
sagung seiner Grenzen eingedenk, stolz ist und voll
Vertrauen auf sein Menschentum; — der wohl weiß,
daß auch er Natur, geheimnistiefe, wunderreiche,
strebende Natur, daß er das liebste, meistbegünstigte
und — verantwortlichste Kind des Werdens ist und
 
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