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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heicke, C.: Erfolge der deutschen Gartenstadtbewegung
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0360
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XIV, 23

DIE GARTENKUNST.

353

Mit der von der Gartenstadt-
bewegung angebahnten Lösung des
Wohnungsproblemes sind noch vie-
lerlei andere Fragen unserer Kultur-
entwickelung verknüpft. Es würde
zu weit führen, sie alle hier zu be-
sprechen. Nur ein Umstand möchte
nicht unerwähnt bleiben. Wer
Hellerau durchwandert und dabei
auch das Gebaren der Einwohner-
schaft beobachtet, dem kann nicht
entgehen, daß da ein ganz anderer
Geist herrscht wie in den Straßen
unserer Großstädte. Die Haltung
der Menschen ist viel zwangloser
und freier, ohne mit dem formlosen
Sichgehenlassen von Großstädtern
bei vorübergehendem Landaufent-
halte etwas gemein zu haben; schon
im Benehmen und Treiben der
Kinder kommt das zum Ausdruck!

erstreckt sich nicht nur auf den Entwurf einzelner
Häuser, sondern auf die Erzielung einheitlicher Straßen-
bilder und Platzwirkungen.

Wenn etwas zu wünschen übrig bleibt, so liegt es
auf dem Gebiete des Gartenwesens. Über seine Wich-
tigkeit und die hochbedeutsame Rolle, die es im Or-
ganismus der Gartenstadt spielen könnte, braucht an
dieser Stelle nicht viel gesagt zu werden. Nur muß
man sich wundern, daß es von den Veranstaltern der
Gartenstadtgründungen nicht seiner Bedeutung ent-
sprechend behandelt wird. In Hellerau wird das ganze
Gartenwesen mit ziemlich weitgehender dilletantischer
Selbstgenügsamkeit betrieben und in anderen Garten-
städten soll es nicht viel anders sein. Es würde die
Heranziehung tüchtiger Gartenfachleute im eigensten
Interesse der Gartenstadtbewegung liegen. Ihre Mit-
arbeit hätte sich auf die Wahrnehmung allgemeiner
gartenkünstlerischer Gesichtspunkte zu erstrecken,
während man die Gestaltung der Gärten im einzelnen
getrost, wie in Hellerau, den jeweiligen Besitzern und
den beiden dort als Gärtnerinnen tätigen Damen über-
lassen könnte. Dem Fachmann braucht nur eine über-
wachende und beratende Mitwirkung mit einem ge-
wissen Einspruchsrecht dabei Vorbehalten zu bleiben.

Diese Unterstützung der Gartenstadtbewegung
durch künstlerisch befähigte Gartenfachleute erscheint
uns noch nicht genügend gewürdigt zu sein. Sie ist
auch um deswillen wünschenswert und nützlich, weil
bei der Gartenstadt die Anpassung der Wohnstätte an
die umgebende Landschaft im weitesten Umfange —■
also Heimatschutz im besten Sinne — möglich und
durchführbar ist. Und bei den hier zu lösenden Fragen
wird die Mitwirkung einer Kraft mit geschultem Ver-
ständnis für die Schönheiten der landschaftlichen Um- Gartenstadt Hellerau: Eingangspforte zu einem größeren Land-
gebung gute Dienste leisten können. hause. Aufnahme von Heicke, Frankfurt a. M.

Gartenstadt Hellerau: Schmaler Seitenweg zwischen den Gärten.
Aufnahme von Heicke, Frankfurt a. M.
 
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