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Die Gartenkunst — 33.1920

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Staehle, Karl: Neueinstellung der Betriebs- und Verwaltungsmaßnahmen im öffentlichen Gartenwesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20812#0027

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früheren Denkmäler, und nidit wahllos auf-
einander gehäuft. Weniger Kunsthandwerk son-
dern mehr Kunstwerk. Es ist Pflicht der Ver-
waltung, die Künstler, die heute fast schlimmer
daran sind, wie die Straßenkehrer, in jeder
möglichen Weise zu fördern. Bei Verzicht auf
künstlerische Werte sinkt das deutsche Volk
noch weit mehr, als es schon der Fall ist.

Was für die Stadtplätze zu ihrer Verein-
fachung gesagt ist, gilt auch für die mehr oder
weniger sorgfältig ausgestalteten Ringanlagen
und ähnliche. Sie werden großzügiger und
ruhiger wirken durch ihre Einfachheit.

Mit Liebe haben wir uns seither der Garten-
höfen gleichenden Platzanlagen abseits des Ver-
kehrs angenommen, die der nächsten Nachbar-
schaft gewissermaßen den am Haus fehlenden
Eigengarten ersetzen und dem Wohnviertel den
behaglichen, anmutigen Ausdruck geben. Hier
können besser wie an den Verkehrsstraßen Blu-
mengärten mit den ihnen eigenen Reizen ge-
deihen. Wir werden, wenn sie die Möglichkeit
der Erholung für Jung und Alt aufweisen, nichts
daran ändern, und nur alle die Einschränkungen
gelten lassen, die bezüglich des Blumenschmuckes
schon angeführt sind.

Wir werden aber kaum in der Lage sein, in
absehbarer Zeit Neuschöpfungen in dieser vor-
nehm beschaulichen Art erstehen zu lassen,
müssen uns vielmehr so auf das Allernotwen-
digste beschränken, die Kosten der Neuanlage
und der Unterhaltung gebieten es. Denken wir
dafür an all die heimeligen trauten Plätze und
Plätzchen aus der Großväter Zeit! Und ob die
nicht stimmungsvoll sind? Sie müssen nur mit
Liebe und in Einheit mit ihrer Umgebung ge-
macht sein. Da plätschert der Brunnen unter
der Linde, geschnittene Baumlaubengänge um-
geben den Platz; auf dem Rasen, der gar nicht
nach englischem Raygras aussieht, spielen die
Kinder; gewaltige Nußbäume überschatten ein
zum Ausruhen einladendes abstützendes Mäuer-
chen; der und jener Anwohner stellt eine Bank
vor sein Haus; an den Häusern klettern am
Lattenwerk Wein, Rosen, Efeu empor. Mir will
scheinen, auf solchen Gartenhöfen haben unsere
Altvorderen und ihre Kinder sich wohler ge-
fühlt als wir auf den aufgeputzten Stadtplätzen.
Lassen wir auch hier sich den Plastiker mit be-
tätigen, wir schaffen gemeinsam Werte von
größerer Dauer als mit Blumen, Einfriedigungs-
gitter und Rasensprenger.

Nüchtern, sehr nüchtern wird es zunächst er-
scheinen, aber jedes Jahr verbessert den Ein-
druck. Es ist nicht nötig, Anlagen gewissermaßen
über Nacht aus dem Boden zu stampfen, mit
haushohen Bäumen mittels des Verpflanzwagens
unter „Garantie" gepflanzt. Wir müssen lernen,
die Anlagen wieder jünger zu bepflanzen, und
der Zukunft das Wachstum überlassen, damit

wir Kosten sparen und sicheres Wachstum und
längeres Alter gewährleisten können.

* *

o

Mein besonderer Ruf zur Rückkehr zu den
einfachen, aus der Selbstverständlichkeit des
Zweckes und des guten Geschmackes heraus ge-
stalteten Anlagen früherer Zeiten geht an die
kleineren und mittleren Städte, die es in ihrer
Großmannssucht den Riesenstädten gleich zu
machen versuchten und dem Landschafisgärtner
ihre kostbaren Kleinstadtidylle zur Verschönerung
übergaben. Was habt ihr mit solchem Dünkel
euch geschadet! Wesensfremd stehen die un-
glaublichsten Gartenraritäten an euren schmuk-
ken, freundlichen Straßen und Plätzen. Und
welche Last habt ihr euch aufgebürdet, diese
Mißgeburten zu unterhalten! Fort mit den
Zeugen einer verständnislosen Zeit, fort damit,
auf daß nicht drückender Mangel an Mitteln
wichtigere Aufgaben der Gartenbetätigung un-
möglich macht.

Möge die Not unserer Zeit den falschen Putz
aus der deutschen Klein- und Mittelstadt heraus-
fegen, und klar und rein ein Neues erstehen
aus Liebe zur Heimat, aus Freude am Boden-
ständigen. Bis in die kleinste Stadt muß unser
Ruf dringen und die Augen den Verblendeten
öffnen, um deutscher Art und deutscher Sachlich-
keit wieder zur Geltung zu verhelfen. Genügen
denn nicht die duftenden, farbenfrohe Grüsse, die
die Gärten über den Zaun, die Gartenmauer, die
Hecke herübersenden? Scheint es dem Groß-
städter, der dort hin kommt, nicht wie ein Mär-
chen, inmitten so vieler Schönheit zu wandeln?

Ihr Verschönerungsvereine, wendet euer müh-
sam erworbenes Vereinsvermögen dazu an, den
heimgekehrten Kriegern ein friedliches, behag-
liches Heim mit Garten und den Kindern Spiel-
plätze zu schaffen, anstatt überflüssige „Ver-
schönerungen" vorzunehmen.

Und auch jenen von der Natur begünstig-
ten Städten und Städtchen, denen die Groß-
städter nach dem nervenzerreibenden Leben zur
Erholung zustreben, gilt mein Ruf, bewahrt
euren kostbaren Besitz, die Ursprünglichkeit
und Reinheit eurer landschaftlichen Reize, merzt
alle Verschandelung aus! Wir alle werden es
euch danken. Zum behaglichen, genußreichen
Rasten bedarf es nicht eures Kurparkes im
Bretzelstil, bedarf es keiner Grotten und aller
jener Kindereien, die aus Mißverstand gezüchtet
wurden. Nicht auf einmal — denn auch die
Rückkehr zu einfachen Verhältnissen kostet
Geld — aber mit jedem Jahr verschwinde ein
Stück, bis nur noch der auch in Zukunft nicht
mangelnde Ordnungssinn und die denkbar ein-
fachste Pflege sich zu betätigen braucht.

* c

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