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Die Gartenkunst — 33.1920

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Die künstlerische Mitarbeit der Angestellten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20812#0102

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Die künstlerische Mitarbeit der Angestellten

Aus den Kreisen der nodi nicht zu voller Selb-
ständigkeit gelangten jüngern Fachleute sind mehr-
fach Klagen über Unzuträglichkeiten im Verhältnis
zwischen ihnen und ihren Arbeitgebern laut ge-
worden, die wir nicht unterdrücken möchten.

Der Kern der Sache besteht darin, daß für be-
gabte Angestellte, die nicht selten die Schaffens-
weise des Betriebs, in welchem sie tätig sind,
merklich befruchten und an den unter ihrer Mit-
wirkung entstehenden Arbeiten geistig stark be-
teiligt sind, jede Möglichkeit fehlt, dies außerhalb
anerkannt zu sehen; daß darüber hinaus Angestell-
ten von Verwaltungen, häufiger aber von selbstän-
digen Gartenarchitekten sogar durch vertragliche
Abmachung oder willkürlichen Druck seitens des Chefs
jede eigene künstlerische oder schriftstellerische
Tätigkeit, Teilnahme an Wettbewerben und dergl.
auch in der dienstfreien Zeit, durch die ihr Name
bekannt werden könnte, unterbunden wird.

Wenn in diesem Zusammenhange von „Aus-
beutung" und „Versklavung" der jüngeren Ange-
stellten gesprochen wird, mag das aus Verbitterung
über unbefriedigende Lage und erschwertes Vor-
wärtskommen, wohl auch aus der heutigen Neigung
zu Verallgemeinerung und Übertreibung verständlich
sein. Es dürfen aber Mißstände nicht beschönigt
werden, deren .Beseitigung für die betroffenen An-
gestellten und ihre Chefs, in gleicher Weise aber
auch für die Allgemeinheit wichtig ist. Aus diesem
Grunde lassen wir zwecks Anregung einer Aussprache
den Inhalt eines uns kürzlich zugegangenen Briefes
hier im Auszuge folgen:

„Weit mehr als bekannt, ist es Tatsache, daß
ein großer Teil der wirklich schöpferisch tätigen
Angestellten im Zustand der Versklavung lebt und
unter dem Drucke der Verhältnisse auf jede äußere
Anerkennung ihrer hingebungsvollen Mitarbeit zum
Vorteil ihres Arbeitgebers verzichten muß. Als
unerträglich muß es bezeichnet werden, wenn solchen
im besten Sinne tätigen Fachleuten sogar von ihren
Chefs verboten ist, ihre Kräfte durch Beteiligung
an Wettbewerben, Ausstellungen, Veröffentlichungen
und dergl. zu erproben. In einem solchen Verbot
ist nicht nur eine schwere Schädigung und gewissen-
lose Ausbeutung der jungen vorwärtsstrebenden
Kräfte, sondern eine Unterbindung des Fortschritts
der gesamten Gartenkultur zu erblicken. Wie soll
der jüngere Fachmann die uneigennützige Schaffens-
lust aufbringen, um seine künstlerische Leistungs-
fähigkeit restlos und ohne jede äußere Anerkennung
bei den Arbeiten im Dienste seiner Verwaltung oder
Firma einzusetzen, wenn er in der Befriedigung
seines natürlichen Ehrgeizes behindert ist?"

„Nicht immer sind es freischaffende Garten-
architekten, die die in einem solchen Verhältnis lie-
genden Härten nicht einsehen oder einsehen wollen,
auch Verwaltungschefs von anerkanntem Ruf, legen
zuweilen ihren Mitarbeitern, wohl mehr aus Ge-
wohnheit, Hemmschuhe an, die geeignet sind, den
Eifer der Angestellten zu untergraben und das gegen-
seitige Vertrauensverhältnis zubeeinträchtigen. Alle,
die so handeln, bedenken wohl nicht, daß geistige
Betätigung der Anregung bedarf und nicht wie me-
chanische Stückarbeit nach der Höhe der baren Arbeits-
entschädigung geleistet werden kann. Einsicht, Takt
und Solidaritätsgefühl sollte jeden Chef ohne weiteres
veranlassen, im Angestellten weniger den unter-
gebenen Arbeitnehmer, sondern vielmehr den auf
gleicher Vorbildung fußenden jüngeren Mitarbeiter
zu erblicken, und zu ihm ein auf Achtung vor der
gemeinsamen Berufsarbeit gegründetes Vertrauens-
verhältnis eingehen, anstatt aus Voreingenommenheit

und Mangel an sozialem Gefühl durch Vertrags-
klauseln eine Schranke zwischen sich und ihm auf-
zurichten, die die lebendige Kraft freiwilliger Her-
gabe der vollen Leistungsfähigkeit unterbindet."

„Oft genug berufen sich Chefs darauf, daß sie
ihre Angestellten anständig bezahlen oder daß es
ihnen früher selbst nicht besser ergangen sei. Dem
mag entgegen gehalten werden, daß fruchtbare
geistige Arbeit in den wenigsten Fällen durch bare
Vergütung ausreichend gelohnt werden kann, daß
sie des Ansporns einer natürlichen Ehrgeiz befrie-
digenden Anerkennung bedarf, daß es endlich ein
Hemmnis jeden Fortschritts und ein Zeichen der
Rückständigkeit ist, wenn man sich zur Rechtfertigung
von Mißständen auf deren Alter beruft."

„Aber noch ein anderes kommt hinzu: Früher
war das Schaffen der meisten Gartenarchitekten
ein fast rein mechanisches Fortwursteln, das ohne
viel Überlegung auch von den jüngsten Angestell-
ten geleistet werden konnte; denn sie brauchten,
eben von der Lehranstalt entlassen, nur die dort
erworbene Fertigkeit im Zeichnen sauberer Wege-
kurven und Baumschlagdarstellungen fortzusetzen.
Heute stellt jeder neue Entwurf Anforderungen,
die nur unter Einsetzung künstlerisch selb-
ständigen Denkens erfüllt werden können und in
den meisten Fällen schöpferische Mitarbeit des
Angestellten verlangen. Dazu gehört oft ein nicht
geringer Grad von Selbstlosigkeit und Aufopferungs-
fähigkeit auf Seiten des Angestellten, die aufzu-
bringen er nicht durch bare Entlohnung veranlaßt
werden kann, sondern nur durch das Bewußtsein,
einer von geistigen Banden zusammengehaltenen
künstlerischen Arbeitsgemeinschaft anzugehören."

„Allem menschlichen Gefühl und jedem vernünf-
tigen Rechtsstandpunkt zuwiderlaufend ist es, wenn
sogar dem Angestellten verboten wird, seine freie
Zeit nach eigenem Gutdünken zur Entfaltung seiner
Fähigkeiten auszunutzen. Er kann darauf im Inter-
esse seiner künstlerischen Schulung unter keinen
Umständen verzichten; Hemmungen, die ihm hierbei
von dem Chef auferlegt werden, widersprechen dem
Anstand und der guten Sitte. Der Angestellte kann
sich derartigen Beschränkungen desto weniger unter-
werfen, je mehr er bei der Arbeit gezwungen ist,
aus eigener Begabung beizutragen und das Alles
stillschweigend unter dem Namen des Chefs hinaus-
gehen zu lassen."

„Das Mindeste, was in Zukunft jeder Chef
seinem künstlerisch mitarbeitenden Angestellten ein-
räumen sollte, wäre die Gegenzeichnung aller Ent-
würfe, an denen dieser als schöpferischer Mitarbeiter
beteiligt ist, und die Freigabe künstlerischer Betäti-
gung in der dienstfreien Zeit. Nimmt der Chef die
Mitwirkung eines Angestellten bei öffentlichen Wett-
bewerben in Anspruch, an denen mit eigenen Ent-
würfen sich zu beteiligen, ein unbestreitbares Recht
jedes Angestellten ist, so sollte es selbstverständ-
liche Anstandspflicht sein, ihn als Mitarbeiter zu
nennen und an dem etwa errungenen Preise auch
angemessen zu beteiligen."

„Die Beseitigung solcher Mißstände liegt im
Interesse aller Beteiligten und des gesamten Berufs,
sie wird zweckmäßig durch eine allgemeine Aus-
sprache gefördert werden. Die Herrn Chefs werden
nicht die letzten sein, die aus einer Gesundung der
besprochenen Verhältnisse Vorteil ziehen, und nur
diejenigen haben Grund einer Änderung zu wider-
streben, die es bisher verstanden, ihren Ruf da-
durch aufrecht zu erhalten, daß sie sich mit fremden
Federn schmückten. Aber deren Bloßstellung wäre
sicherlich kein Schaden für die Allgemeinheit!" H.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Gartendirektor Heicke, Frankfurt a. M. Selbstverlag der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst.

Druck der Universitätsdruckerei H. Stürtz A.G., Würzburg.
 
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