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Die Gartenkunst — 33.1920

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Heicke, C.: Der Siedlergarten eine Kulturangelegenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.20812#0106

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möglich halten — sich heute noch nicht von einem brauchbaren Garten verbinden, dann muß
dem Schema veralteter Baupolizeivor- man sich von der herkömmlichen Vorstellung,
Schriften oder den unter längst hinfäl- daß die Hausbreite für die ganze Grundstücks-
lig gewordenen Voraussetzungen auf- breite maßgeblich sei, freimachen. Erst dann kann
gestellten Fluchtlinienplänen los ma- man auch für diese Hausform zu befriedigender
chen können. Die für Wohnsiedlungen verfüg- Gartenform kommen, wie Beispiele beweisen*),
baren Landflächen müssen restlos ihrer Mir scheint neben dem Reihenhause das aus
eigentlichen Bestimmung zugeführt und vier Einzelhäusern unter gemeinsamemDache be-
dürfen nicht gedankenlos für veraltete oder stehende sogen. Vierlingshaus für Wohnsied-
solche Zwecke verwendet werden, die sich auch lungen zu wenig beachtet zu werden***); es wirkt
anders erfüllen lassen. als Baukörper besser wie das schmale Reihen-

Der Siedlergarten soll in einer Wirtschaft- haus und dürfte kaum teurer zu erstellen sein,

lieh gut ausnutzbaren Form gehalten sein, Infolge seiner größeren Eigenbreite ermöglicht

die auch die Erfüllung der billigerweise zu stel- es ohne weiteres eine bessere Gartenform und

lenden Schönheitsansprüche gewährleistet. erweckt in Verbindung mit dieser gegenüber dem

Er muß deshalb aus einem zusammenhängen- schmalen, sich kaum aus der Zeile der übrigen

den,tunlichstrechtwinkliggeschnittenenStückvon abhebenden Reihenhause das nicht unbeacht-

etwa 8 Meter Mindestbreite bestehen, der Ein- liehe Gefühl wirklichen Eigenbesitzes. (Vergl.

Wirkung der Sonne voll ausgesetzt und so zum Seite 99 und 107.)

Hause gelegen sein, daß sich der Verkehr zwi- Gegen diese Hausform, die wir den beiden

sehen Haus und Garten mühe- und störungslos Siedlerg arten-Wettbewerben unserer Gesell-

zu jeder Tages- und Jahreszeit abspielen kann, schaft***) zugrunde gelegt haben, wird einge-

Er soll die erweiterte Wohnung im voll- wendet, daß die Einzelhäuser zu wenig Sonnen-

sten Sinne des Wortes sein. Lange licht bekommen und ihre Durchlüftbarkeit unzu-

schmale Streifen, schiefe Stücke, Zusammenhang- länglich sei.

lose Geländefetzen an verschiedenen Seiten des Demgegenüber sagt Dr. Flügge f): „Un-
Hauses erfüllen diesen Zweck nicht, wesentlich ist bei kleinen Häusern

Diese Forderungen*) lassen sich ohne Schwie- die jetzt vielfach so ho ch g epr i es e n e
rigkeit bei den Hausformen,' die für Wohnsied- Durchlüftbarkeit. Gegenzug läßt sich er-
lungen in Frage kommen, erfüllen. Das frei- forderlichenfalls auch anders herstellen",
stehende Einzel- oder Doppelhaus scheidet wohl „Daß man die Durchlüftbarkeit als eine der
aus. Die am meisten bevorzugte Form ist das wesentlichsten Bedingungen für hygienische
Reihenhaus mit schmaler Front. Es läßt sich Wohnungen hinstellt und alle Grundrisse ver-
mit dem geringsten Kostenaufwand erstellen und wirft, bei denen nicht in jeder einzelnen Klein-
macht die Erschließung mit verhältnismäßig we- wohnung Durchzug hergestellt werden kann,
nig Aufwand an Wegelängen möglich. halte ich für eine unbegründete Über-

Aber die oft bis fast 4 m heruntergehende treibung."

Frontbreite des Hauses ergibt jene unverhältnis- Und von der Wirkung des Sonnenlichtes

mäßig langen Gärten, die wir unbedingt ver- sagt er: „Die günstige Beeinflussung desKörpers

werfen müssen. Will man das Reihenhaus mit durch Luft und Licht erfolgt nicht innerhalb

der Wohnungen, sondern draußen i

m

•) Sie sind ausführlicher in Form von Leitsätzen Freien. Bei kleinen Häusern und weiträumiger
aufgestellt und in Gartenkunst, Juli 1919, Seite 88, Bebauung ist das schnelle Hinaus- und Hinein-
abgedruckt, auch als Sonderdruck von unserer Ge- gelangen so bequem, daß es sich unzähliqemale
schartsstelle zu beziehen. t, . , i,_„„ n c i i , i

am Tage vollziehen kann. Darauf beruht der

wichtigste Unterschied zwischen Großstadt- und
Kleinhaus."

Ich halte, zumal Peter Behrens u. a. auf ähn-
lichem Standpunkte stehen, mich für berechtigt,
dem Vierlingshause für Siedlungen das Wort zu
reden, selbstverständlich bei Anordnung der

*) Man beachte die Vorschläge von O.Völekers,
Seite 106-110, in diesem Hefte.

**) Ich verweise auch hierfür auf die Ausführungen
von 0. Völkers in diesem Hefte.

***) Uber diese Wettbewerbe ist ausführlich und
mit zahlreichen Abbildungen im Gartenkunst-Mai-
0ii heft 1919 und Februarheft 1920 berichtet. Beide
Hefte können von der Geschäftsstelle bezogen werden.
Heinr. Tessenow: Gartenlaube mit Bank. +) Prof. Dr. C. Flügge, Großstadtwohnung und

(Aus „Volkswohnung" 1919, Heft 17.) Kleinsiedlungen. Gustav Fischer, Jena.

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