Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0020
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6

4-
Ver-
fchiedenheit
der
Auffafiungen.

Quellenforfchung fehr gewagt, jetzt fchon viele der neu aufgekommenen Anfichten
als endgiltige Errungenschaften zu betrachten. Da ich in den allerwenigften Fällen
daran denken konnte, die Acten felbft zu prüfen, fo war ich leider nicht im Stande,
auf diefe fehr wichtige Seite der Gefchichte der Baudenkmäler nicht das gleiche
Gewicht zu legen, wie in meinen bisherigen Arbeiten.
Ich bin jedoch geneigt, mich hierüber etwas zu tröften, feitdem ich gefehen,
auf welche Abwege man geräth, wenn man die Methode der »Haute nouveauth
auch auf das Gebiet der Baugefchichte zu verpflanzen fucht. Vielfach habe ich
gefunden, dafs Anfchauungen, die vor 30 oder 40 Jahren für wahr galten, viel
richtiger find, als Manches, was man unter obiger Marke uns aufzudrängen fucht.

1. Kapitel.
Dauer und Wefen der Baukunft der franzöfifchen Renaiffance.
a) Widerfprüche der Auffafiungen.
Der Unterfchied, welcher zwifchen dem Wefen der Baukunft der Renaiffance als
italienifcher Nationalftil und jenem der Baukunft der Renaiffance als Weltftil
befteht, führt zu der Nothwendigkeit, am Beginn der vorliegenden Studie über die
Architektur der franzöfifchen Renaiffance für die Bauweife der Renaiffance überhaupt
eine richtige und genügend fcharfe Definition zu fuchen und aufzuftellen. Es könnte
dies anfcheinend für unnütz gehalten werden, weil diefer Bauftil in Frankreich viel
fpäter auftrat, als in Italien, fomit die im vorhergehenden Bande diefes »Handbuches«
für die italienifche Renaiffance gegebene Begriffserklärung für alle Fälle ausreichend
erfcheinen müffte. Deffen ungeachtet wurde ich zu einer folchen Definition genöthigt,
weil die in diefer Richtung in Frankreich herrfchenden Auffafiungen vielfach in
grofsem Widerfprüche zu einander ftehen und weil fie zum grofsen Theile ungenügend
find, um dasjenige thatfächlich zu umfaßen, was als zur Architektur der franzöfifchen
Renaiffance gehörig angefehen werden mufs.
Will man nach italienifchen Verhältniffen urtheilen, fo mufs man die gefammte
Baukunft der Renaiffance als denjenigen Architekturftil bezeichnen, der mit Brunellesco
beginnt und in welchem die Werke Borromini' s und feiner Nachfolger für die
Renaiffance die gleiche Bedeutung haben, wie der Styleflamboyant, das Spätgothifche,
für die Gothik. Auf Grund diefer Anfchauung möchte ich die Baukunft der fran-
zöfifchen Renaiffance bis zum Ende des nach Ludwig XV. benannten Bauftils reichen
laffen, und im Verlaufe meiner Studien bin ich in diefer Anficht immer mehr be-
ftärkt worden.
In Frankreich felbft ift man vielfach anderer Anfchauung; es wird die Renaiffance
von der einen Seite als Stil Heinrich II., von anderer Seite als diejenige Bauweife
bezeichnet, die bis zu Heinrich II. reicht, u. dergl. mehr. Angefichts diefer Ver-
fchiedenheiten wird es nicht überflüffig fein, im Folgenden die Auffafiungen mehrerer
mafsgebender franzöfifcher Künftler und Gelehrten wiederzugeben und an der Hand
derfelben darzuthun, dafs die oben angenommene Begrenzung als richtig und zutreffend
angefehen werden kann. Sie entfpricht auch den Erörterungen in der Gefchichte
Henri Martin s und in den Werken einiger anderer Autoren, welche manche Erfchei-
nungen auf geiftigem Gebiete zur Zeit Ludwig XIII. und während des XVII. Jahr-
 
Annotationen