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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0215
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21 I.
Zeitalter
Heinrich IV.

198

Eine Reihe von Gründen erklären wenigftens theilweife diefe fcheinbare Gleich-
giltigkeit für die Künfte des Zeitalters Heinrich IV., fo wie die aus ihrer mannel-
o
haften Kenntnifs herrührenden unrichtigen Anfichten, von denen in Art. 5 (S. 7 bis 9),
18 (S. 22) u. 19 (S. 24) bereits die Rede war.
Erftens der vermeintliche Mangel an Meiftern, die wirklich grofs waren oder
wenigftens Gelegenheit hatten, der Nachwelt ihre Bedeutung nachzuweifen, indem
ihre Thätigkeit oft darin behänd, von anderen Architekten begonnene Werke fort-
zufetzen.
Zweitens die franzöfifche Gewohnheit, die verfchiedenen Phafen als nach ihren
Königen benannte Stile zu bezeichnen. Hierdurch werden einerfeits die Unterfchiede
zu fehr betont, das Zufammengehörige zu fehr abgefchwächt und zu kurze Zeit-
räume in das Auge gefafft. Andererfeits entheben durch diefe Verfchiebungen ver-
zerrte Bilder. Wichtige Theile der Phafen werden in falfche Rahmen und in un-
richtige Umgebung gefetzt. Das architektonifche Bild wird getrübt.
Die hiftorifche Schilderung der Stilentwickelung und ihre wiffenfchaftliche
Würdigung werden irregeleitet, im vorliegenden Falle wohl defshalb, weil man
blofs die ungetrübte Regierungszeit Heinrich! 3 als König beachtet hat, nicht das
ganze Zeitalter der Hugenottenkämpfe, deffen Verkörperung, fo zu fagen, der König
von Navarra war. Gerade die Zeit Heinrich IV. hat hierdurch befonders gelitten,
indem die bedeutende, intereffante und für fie fo charaktervolle Erfcheinung
Salomon s de Broffe durch den Mord des grofsen Königs in die vermeintliche
Sphäre feiner Wittwe und feines jungen Sohnes verfetzt wurde, wo fie wenig ver-
händlich war, ja für Viele etwas Räthfelhaftes angenommen hat.
Ein dritter Grund dürfte darin liegen, dafs Heinrich zuerh Protehant war und
nachher Katholik wurde. Ernhe Hugenotten erfüllt heute noch die zweite Periode
des Königs mit Wehmuth. Vielen Katholiken ift feine grofse Rolle als Haupt der
Hugenotten unfympathifch. Seine Bekehrung, weil von der Politik eingegeben,
fcheint ihnen wenig ernft.
Viertens rührt das mangelhafte Verftändnifs diefer Zeit von dem unbefchreib-
lichen Chaos, in welches Frankreich während diefer Zeit verfiel. Seit der Bartho-
lomäus-Nacht, welche mit der Hochzeit zwifchen Heinrich und der Tochter der
Katharina von Medici zufammenfällt, bis zum Einzug des Königs in Paris (1594)
wird das Chaos immer fchrecklicher und wirkt auf den Gefchichtsforfcher geradezu
abfchreckend.
Sollte endlich, wie ich glaube, die Behauptung Henri Martin , dafs es
unter der alten Monarchie unmöglich war, »die Gefchichte« Frankreichs zu fchreiben,
wahr fein, fo würde der Mangel einer unparteiifchen Gefchichte, über den fich
Manche auch heute noch in Frankreich beklagen, zur Erklärung des mangelhaften
Verftändniffes des Zeitalters Heinrich IV. beitragen.
1) Zeitalter Heinrich IV.; die Hugenottenkriege, die Ligue und die
Fufionspolitik des Königs.
(1562—1628.)
Das Zeitalter Heinrich IV. ift eines der wichtigften, vielleicht das wichtigfte
der Gefchichte Frankreichs feit dem Falle des alten Rom und der Zeit Carl s des

430) ln: Hifioire de France. 4. Ausg Paris 1855—60. Bd. XII, S. 140 u. Bd. XV, S. 353-
 
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