Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0081
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
399

die Typen angeeignet, die in denjenigen Studien Bramantes vorgesehen sind, in welchen keine abgestuften
Chorumgänge vorkamen. Viele dieser Studien waren nicht nur italienischen, sondern auch französischen
Architekten lange vor der Ernennung Michelangelo s zum Architekten der Peterskirche (1547) bekannt.
Sollte auch Michelangelo keine eigentliche Vorliebe für diese Auffassung der Fagadengliederung
gehabt haben, so genügte ein Beispiel bei ihm, um das Auftreten derselben in anderen Ländern in
einzelnen Fällen wenigstens zu motiviren.
Für den eher wahrscheinlichen Fall, dass Michelangelo sofort einen Gesammtentwurf für die Aus-
bildung des Kapitols aufstellte, wäre das Datum des Modells der beiden Paläste mit grosser Ordnung
1546 zu setzen. Die Ausführung des ersten begann jedoch erst 1564. Im Jahre 1547 wurde Michelangelo
Architekt der Peterskirche und stellte den Typus der Aussenarchitektur fest.
Da es nun festzustehen scheint, dass Katharina von Medici ihr Privatschloss 1547 beginnen liess, so
ist es im höchsten Grade interessant, gleichzeitig mit Rom auch hier die grosse Ordnung in einem so
bedeutenden Massstabe auftreten zu sehen. Es könnte sogar dem Schlösse der Königin von Frankreich
eine Art von Priorität gebühren, indem es bereits 1555 bewohnt, der ältere kapitolinische Palast aber erst
1564 begonnen wurde. Man sieht, es liegt für die Architektur, in der richtigen Feststellung dieser
Erscheinung, eine Thatsache von wirklich historischer Bedeutung.
In den Büchern Serlio's findet man keinerlei Composition, welche irgendwie zur Anwendung der
grossen Ordnung in Monceaux hätte anregen können. Verwandte Anordnungen kommen erst in seinem
1575 veröffentlichten Liber Septimus vor.
Für Palladio fallen die berühmten Hauptbeispiele von einer grossen Ordnung zwischen die Jahre
1552 und 1570, und er hat somit auf Monceaux keinen Einssuss ausüben können.
Bei Bernini tritt sie wieder auf.

b) Schloss Monceaux-en-Brie und sein Einssuss auf die grosse Ordnung.
Am Eingänge clieses Abschnitts befinden wir uns vor dem ehemaligen be- 543-
rühmten Schlösse der Katharina von Medici in Monceaux-en-Brie und slehen zugleich, Schwierigkeiten,
in Folge eines ganz unerwarteten Ereignisses, vor einer grossen Schwierigkeit, mit
welcher eine Reihe der wichtigsten Fragen bezüglich der Geschichte der Renaissance
zwischen 1547 bis 1620 unzertrennbar verknüpft ist.
Dies unerwartete Ereigniss berührt nicht bloss den folgenden Theil dieser
Arbeit, sondern würde in trübender Weise auf eine Reihe bereits behandelter Fragen
zurückwirken, wenn die Schwierigkeiten keine befriedigende Lösung fänden, weil
unsere Schilderung des ganzen Aufbaues der Entwickelung der Hoch-Renaissance und
der Spät-Renaissance mit der Frage der Autorschaft dieses Schlosses und seiner
Erbauungszeit zusammenhängt.
In Folge der Angaben Lhuillier'und der Stellen, an denen sie 1884 verösfentlicht wurden, hielten
wir uns berechtigt, die Urheberschaft dieses Schlosses zu Gunsten Primaticciö’'S, als nachgewiesen zu be-
trachten859) und sie als Grundlage einer neuen Aufsassung der ganzen Stellung Primaticcio'^ als Architekt
anzunehmen 86°).

859) Siehe dessen Biographie S. 160—165.
889) Lhuillier behauptete in den Comptes des batiments , zwischen 1540 und 1550 die Erwähnung einer Zahlung an-
getroffen zu haben, fait d Francesque Pnmadicis sieintre et architecte pour les travaux du Roi d Fontainebleau et flour
ceux »de la Reine« a . . . en Brye. Der Name des Orts war leer geblieben. Ferner besitzt Lhuillier den Originalvertrag auf
Pergament vom 9. März 1560 zwischen dem italienischen Schreiner Francisque Scibects menuijler du Roi d Paris, und Robert
de Beauvais, procureur genl. de la Reine mere du Roi . . . ftipulant en l’ abje nee de M. l'abbe de Saint-Martin (Primaticcio)
de fournir des portes, des fenetres de 12 pieds de haut, des chajjis, des boiferies, le tout pour le chateau de Montceaux,
Jelon le devis arrete par le Jieur de Beauvais et Vabbe de Saint-Martin. Der Vertrag nimmt Bezug auf einen früheren
provisorischen Vertrag, unterschrieben Francisque Seibert de Beauvais et Bologna abbat. de Sande-Martino.
Hieraus zog Lhuillier folgende Schlüsse: Da 1560 Primaticcio noch Architekt von Monceaux war, ist es sehr wahr-
scheinlich, dass die ersterwähnte Zahlung für Arbeiten an einen Ort in der Brie stch ebenfalls auf Monceaux beziehen und
dass Primaticcio somit der erste Architekt des Schlosses gewesen sein muss. (Siehe S. 162, Note 378.)
Der von Lhuillier angeführte Wortlaut war so sehr im Charakter der Rechnungen und schien durch den Umstand
bestätigt, dass in mindestens zwei anderen Akten dieselbe Lücke vor den Worten »en Brie« zu finden ist, dass an eine Un-
richtigkeit seiner Angaben gar nicht zu denken war.
 
Annotationen