Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0082
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
400

544-
Beschreibung
des
Schloßes.

Wir hoben ferner die eigentümliche Erscheinung hervor, dass im selben Jahre 1547, in welchem
Michelangelo für das Aeussere seiner Peterskirche in Rom zur grossen Ordnung zurück ging, Primaticcio
ebenfalls dieselbe sür das Aeussere des grossen Schlosses der Katharina von Medici zu Monceaux
annahm 86
Als wir jedoch an die Behandlung des Schlosses Monceaux gelangt waren , wäre uns etwas mehr
Licht nicht unerwünscht gewesen. Wir schrieben daher an Herrn Lhuillier, um ihn zu fragen, ob er in-
zwischen neue Beweise über diese Sache gefunden habe. Unsere Frage blieb jedoch unbeantwortet.
Wir traten ebenfalls mit Flerrn L. Dimier in Verbindung, der an der Vollendung einer ausgedehnten
Monographie Primaticcio s begrisfen war, und erhielten von ihm die höchst befremdende Mittheilung, dass
die erste Angabe Lhuillier's aus den Comptes des Batiments du Roi in letzteren gar nicht vorhanden sei,
und wir überzeugten uns von der Richtigkeit dieser Behauptung.
Dimier, der ein Kritiker von grosser Gewissenhaftigkeit und Strenge ist, hatte sich in Folge dessen
nicht berechtigt geglaubt, das Schloss Monceaux unter die Werke Primaticcio'?, aufzunehmen, und wir
stimmten vollkommen mit ihm überein, dass der handgreifliche, zwingende Beweis für dessen Autorschaft
hiemit geschwunden zu sein schien, indem die späteren Akten aus den Comptes, sowie das zweite Docu-
ment Lhuillier'’s, falls letzteres nicht ebenfalls ein Mythus sein sollte, Primaticcio erst seit 1560 in Be-
rührung mit Monceaux bringen.
Eine andere nicht mindere Schwierigkeit geseilte sich hinzu, dass nämlich Dimier es nicht wagte,
den Bau des Schlosses Monceaux, das wir Fig. 116 abbilden, überhaupt als das ursprüngliche Schloss der
Katharina anzusehen. Er möchte an seine Entstehung in Folge eines Neubaues unter Maria von Medici
nach 1610 glauben, wie man es vor Palußre zu thun pssegte.
Man sieht, überall begann der Boden unter den Ftissen zu schwanken, und nöthigte zur
grössten Vorsicht.
Nach monatelanger, gründlicher Untersuchung aller vorhandenen Elemente,
und nachdem wir fast ein Jahr vergehen liessen, um die Fragen mit frischen Augen
zu prüfen, sind wir zu einer Reihe von feststehenden Thatsachen gelangt, die
für die Autorschaft Primaticcio s noch viel überzeugender sind als die Beweise
Lhuillier s, falls sie bestehen geblieben wären. Immerhin ist es eine eigenthümliche
Fügung der Dinge, dass diese schwer zu erklärende »Phantasie« Lhuillier s dazu
verhelfen hat, zur Wahrheit zu gelangen, indem sie die Aufmerksamkeit auf Prima-
ticcio gelenkt hat. Wir gehen nun zur Beschreibung des Schlosses über.
Das erste bedeutende Denkmal, in welchem wir eine durchgeführte grosse
Ordnung finden, dürfte allem Anschein nach das grosse Schloss der Katharina von
Medici in Monceaux sein, indem eine Reihe von Gründen es schwierig erscheinen
lässt, dessen Gestalt, wie sie Fig. 116861 862 863) zeigt, erst in die Zeit Heinrich IV. zu
setzen, wie man es bis auf Palußre geglaubt hatte. Dieser war nicht abgeneigt,
darin ein Werk Ph. de l'Orme's zu erblicken.
Wie man aus Fig. 116 sieht, w7aren die Aussenfatjaden, sowie die des Hofes
mit einer jonischen Pilasterordnung versehen, die durch zwei Geschosse ging und
deren Fender trennte. Vielleicht wurde hier die jonische Ordnung gewählt, weil
der Bauherr eine Frau, d. h. Katharina war. De V Orme berichtet, dass er aus
diesem Grunde für ihren Tuilerienpalast auch die jonische Ordnung wählte.
In der Mitte der Seitenflügel des Hofes befanden sich Thüren und zu jeder
Seite derselben, den Pilastern vorausgesetzt, zwei jonische Säulen und in der Mitte
der hinteren Hofseite, dem Thorpavillon entsprechend vier Säulen. Sie sind in
regelmässiger Abwechselung mit hohen und niedrigen Trommeln aufgemauert. Erstere
sind cannelirt, letztere wie Bänder mit einer Art von Kettenmuster verziert. PaluftiMß
861) Siehe Art. 167, S. 163. Wir hatten dort das Jahr 1549 für den Beginn des Schlosses Monceaux angenommen.
Das Jahr 1547 scheint richtiger zu sein, wie auch Note 865 zeigt.
862) Facs.-Repr. nach: Israel Silvestre, a. a. O., Bd. II, Fol. 55.
863) Siehe: La RenaiJJance en France. Paris 1879. Bd. I, S. 166.
 
Annotationen