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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0296
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6i4

855-
Grabmal
in der Kirche
Du Brou.

Unterbaues beschränkt, ist nur italienisch. Am Sockel sind fast aneinander stossende , runde Medaillon-
Nischen, sechs an den Langseiten, zwei an den kurzen, über welchen eine Arcatur von eben so vielen
Nischen von Pilastern getrennt sleht 1263). Mit dem kleinen Eierstab und Plättchen, welche auf diesen
ruhen, hört der italienische Theil der Arbeit auf und es folgt als gesimsartiger Abschluss die für das
Untere viel zu schwer und einfach profilirte Deckplatte, auf welcher die liegenden Figuren ruhen. Die
Kapitelle, Pilaslerfttllungen und Grotesken, welche mit Muscheln in und um die Nischen alle Flächen be-
decken, sind von italienischer mittelguter Arbeit. Weisser und schwarzer Marmor, grüner für die Gewänder
in den Medaillons, ferner rothbrauner Stucco oder Terracotta, als Grund der Nischen, bringen eine poly-
chromische Wirkung hervor.
Der Umstand, dass die französischen Figuren beinahe wie zur Strafe in unbehaglichen Stellungen
in den runden Nischen kauern und die slehenden darüber mit den Köpfen am Scheitel der Nischen an-
stossen, zeigt, dass Perreal oder Colombe noch wenig mit den in der antikisirenden Architektur üblichen
Verhältnissen zwischen Figuren und Architektur vertraut war.
Dieses Werk bildet eine der bedeutendsten Schöpfungen der Renaissance am Beginne des XVI. Jahr-
hunderts , und ist in unserer Zeit vielfach besprochen worden, und zwar stets als ein Werk Michel
Colombe'$, während, wie wir sahen, Charvet bewiesen hat, dass die Composition und Oberleitung dem
Maler Jehan Perreal gehören 1264 1265). Dennoch beruht das Ganze auf einer entschiedenen franco-italienischen
Collaboration.
Am 4. Januar 1511 schreibt Perreal, dass Michel Colombe sünf Jahre am Denkmal arbeitete und
ebenso lang zwei ttailleurs de masfonnerie entiqnes Italiens«. Montaiglon hat wahrscheinlich Recht, wenn
er Jeronimo da Fiefole als einen von diesen vermuthet 12ß5J. Bis auf Weiteres nöthigen die Worte pro
conficiendo et facienda ihn als den Autor der architektonischen Gliederung am Denkmal anzusehen, aus den
gleichen Gründen wie am Denkmal der beiden Kindlein von Anne de Bretagne.
Im Zusammenhange mit dem vorigen ist ein Grabmal, an das wenigstens im
Vorübergehen erinnert werden muss.
Als der Herzog von Savoyen am io. September 1504 starb, entschloss sich seine
Gattin, Margarethe von Oefterreich, in Brou zu seinem Gedächtniss ein Haus, eine
Kirche mit Grabmälern und ein Kloster zu errichten, welches, obgleich kein eigentlich
französisches Denkmal, anfänglich von französischen Meistern entworfen wurde und
jetzt innerhalb der Grenzen des Landes liegt. An diesem berühmten Grabmal des
Herzogs Philibert-le-Beau von Savoyen, welches Margarethe von Oesterreich in
der Kirche Du Brou bei Bourg errichten liess, herrscht in der Partie oberhalb
der Platte mit der liegenden Statue des Herzogs, dem Löwen zu Füssen, umgeben
von drei Paaren von nackten Engelchen, so viel antike Einfachheit und klare
Ordnung der Disposition im Vergleich zum allerreichsten ssämischen spätgothischen
Nischen- und Arcaturenwerk, dass man annehmen könnte, es seien im oberen Theil
dennoch Arbeiten des Jehan Perreal und Michel Colombe verwendet oder wenigstens
deren Modelle annähernd benutzt worden, wie Charvet es vermuthet 1266).
Weiter ist zu besprechen das Grabmal Karl VIII., früher in der Abtei zu
St.-Denis errichtet. Es ist von Alberto Vignati 1517 als bereits fertig aufgestellt
erwähnt1267), und ist das Werk von Guido Paganino aus Modena 1268). Da dasselbe

856.
Grabmal
1 Karl VIII.

1263) Die Gliederung des Katafalks oder anderer Theile von Grabmälern, mittels einer Reihe von Nischen durch Pilaster
getrennt, sehen wir in Italien vielleicht zuerst am Grabmal des Papstes Johannes XXIII. in Florenz, später am Katafalk des
Dogen Andrea Vendramin (s 1478) in Venedig. Am Unterbau des Triumphwagens Sigismondo Malatefta's, am Sarkophag
der »Antenati und Di/cendenti« in S. Francesco in Rimini, von Duccio. Von letzterem ebenfalls im Basrelief, über seiner
Inschrift an der Fagade von S. Bernardino zu Perugia.
1264) Colombe beschäftigte dabei zwei Schüler; seinen Neffen Guillaume Regnault und Jehan de Chartres, den er
Jon dijciple et Jerviteur bezeichnet; ferner zwei Italiener, von denen noch die Rede sein wird.
1265) Siehe: Montaiglon, A. de und G. Milanesi , a. a. O., La Familie des Jufies, S. 67. Die Bewilligung des
Marmorankaufs ist vom 15. Jannar (n. St.) 1500.
1266) Siehe: Art. 47, S. 42, und Art. 92, S. 93.
1267) Ueber die Arbeiten des letzteren in Frankreich siehe: A. de Montaiglon in: Anczennes Archives de VArt
Francais, Documents, 1. Serie, I, 1851, S. 125—32 und 2. Serie, II, 1862, S. 218—28, serner das Bulletin des Antiquaires
de France, 1864, S. 149.
1268) Siehe das Grabmal Ludwigs XII. S. 617.
 
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