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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0295
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6is

Ecken der Kehle, in den Kränzen um das Wappen, sind die Delphine der Prinzen
angebracht. Im Wappen selbst erinnert die Behandlung ihrer Schwänze an die der
Bärbeln in dem der Pazzi im Palazzo Quaratefi. Im Rankenwerk der Kehle, dessen
Blattwerk ein Gemisch von Florentiner Formen, etwa aus der Zeit von 1435, mit
anderen, um vierzig Jahren späteren, zeigt, sind Scenen aus den Thaten des
Herkules abgebildet in der bewegten Manier Pollajuold s.
Das Grabmal, begonnen um Januar 1500 (n. St.), vollendet 1506, wird als das Werk der Giußi
angesehen. Die Vermuthung Montaiglon’s, es könne nur von Jeronimo da Fiefole sein, scheint mir eine sehr
wahrscheinliche, in Anbetracht der ausdrücklichen Erwähnung dieses Zweckes seines Aufenthalts in Frank-
reich in den Verhandlungen für Ankauf von Marmor zwischen dem Agenten der Königin und der Opera
del duomo in Florenz * * * * 1260), sowie der Worte tpro conficiendo et facienda«.
Als wir in der ersten Zeit unseres Studiums der Renaissance in Frankreich das Denkmal sahen und
voll Erinnerungen an die besten italienischen Werke unwillkürlich das Grab mit jenen verglichen, mussten
wir uns fragen, ob wir hier wirklich die Arbeit von echten Italienern vor uns hätten. Vergleicht man es
aber mit Werken von Meillern zweiten oder dritten Ranges in Italien, wie Buggiano, oder mit den
tanzenden Engeln des Kamins im Palast von Urbino, oder mit den wappenhaltenden Putten an den Seiten
des Sockels, ferner mit den Putten um das Stemma der Arte della Seta in Via Capaccio in Florenz u. s. w.,
so schwinden diese Zweifel ganz. Man gewinnt dafür die Ueberzeugung, dass die meisten dieser Italiener
in Frankreich ebenfalls nur Meister zweiten und dritten Ranges waren.
Dennoch wäre vielleicht an eine andere Möglichkeit zu denken. Wir ständen hier vor dem Resultat
einer italo-französischen Collaboration. Die Composition des ganzen Sarkophags mit seiner Decoration wäre
von einem Italiener aus der Schule Verrocchio's, während dem die beiden Grabfiguren und die Engelchen
aus dem Atelier von Michel Colombe sein könnten. Wir hätten eine Art Seitenstück zu dem, was wir am
fall gleichzeitig entstandenen Grabmal des Herzogs Franz II. von der Bretagne nun sehen werden. Der
Umstand, dass es sich hier um die Kinder der Anne de Bretagne, dort um ihre Eltern handelt, scheint zu
Gunslen dieser Lösung zu sprechen. Auch die Engelchen an beiden haben etwas Verwandtes, und von
denen zu Tours schrieb mein Freund Courajod, sie seien pas du taut neceffairement Italiens par l’exe-
cution 1261). Ein zweiter Besuch, nachdem diese Zeilen geschrieben waren, hat letztere Vermuthung
bestärkt.
Das Grabmal Herzog Franz II. von der Bretagne und seiner Frau, Marguerite
de Foix, früher in der Carmeliterkirche, jetzt im Südkreuz der Kathedrale zu
Nantes, wurde von deren Tochter, Anne de Bretagne, errichtet, die, als Gattin
Karl VIII. und Ludwig XII, zweimal Königin von Frankreich war. Ihr Herz
wurde in einem Goldgefäss ebenfalls darin beigesetzt. Das Werk wurde von 1502—06
ausgeführt 1262). Die beiden Figuren ruhen ausgestreckt auf einer Tumba, mit
einem prächtigen Windhunde und einem wappenhaltenden Löwen zu ihren Füssen,
und die kissenhaltenden, knieenden Engelchen zu ihren Häuptern. An den Ecken
der Tumba, und diese um ein Viertel ihrer Höhe überragend, slehen auf einer
vorspringenden Stufe die vier lebensgrossen Statuen der vier Cardinaltugenden.
Alles an diesen, sowohl Composition, Haltung, Ausdruck und Costüm ist von Franzosen componirt.
Es sind edle, etwas kurze, irdische Geslalten, mit tief verborgenem innerem Leben. Sie haben zwar noch
nicht den ganzen Zauber und die Poesie schöner Idealfiguren , aber auch nicht mehr den, trotz beinahe
Leonardesker Meislerschaft, dennoch widerwärtigen, bis zur Vulgarität getriebenen Realismus der kurzen
Figuren Sluyter’s am Puits de Moifie zu Dijon. Wie Courajod richtig bemerkt, fühlt man bei Colombe,
sagen wir auch bei Perreal, den Einfluss Italiens. Wie eine edle Milde ist dieser über das Ganze ausgebreitet
und hält unvorsichtige Uebertreibungen des Naturalismus fern.
Das Architektonische, welches sich auf die Decoration des als erweiterten Sarkophags gestalteten
1260) A. de Montaiglon et G. Milanesi, a. a. O., S. 68 . . . ^Jeronimo, Scarpellino, de Fesulis, qui manet in-
prefentzaliter cum Chrijiianisfimo Rege Francorum pro consiciendo et facienda quamdam fepulturam per Serenisfimam
Reginam, Regzs Francorum uxorem prejentern, pro Illusirisfimo Domino, Domino Duce Brettagne, patre dicte Regine,
pr emortuo, et pro duobos ejus siliis Chrislzanisfimi Caroli Regis Francorum, ejus viro dicte Domine« etc.
1-61) Siehe: Courajod, L. La Part de V Art ztalien dans quelques monuments de fculpture de la premiere Renais-
fance francaise, a. a. O., S. 25.
1262) Siehe: Charvet, L. Jehan Perreal etc., a. a. O., S. 71 ff.

854-
Grabmal
Herzog
Franz II.
 
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