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Geymüller, Heinrich; Geymüller, Heinrich [Editor]; Durm, Josef [Editor]
Heinrich von Geymüllers nachgelassene Schriften (Heft 1): Architektur und Religion. Anh.: Biographische Notiz und Bibliographieder Werke und Aufsätze des Verfassers — Basel, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.43491#0095
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überlegt man die Tatfache, dafj zum großen Teil der
Charakter einer Kirche aus der Verbindung des Grundrißes
mit der Traveenbildung hervorgeht, erinnert man lieh dann
an die unglaubliche Verfchiedenheit, welche diefe Traveen
hier durch Einfachheit und Reinheit der Linien, dort [durch
Phantafie und Reichtum der Verbindungen, anderswo durch
Leichtigkeit des Aufbaus oder endlich durch monumentale
Macht und Unerfchiitterlichkeit zeigen, fo erhält man nach und
nach eine Vorftellung von den endlofen Schaben von Motiven,
Ideen und Stilnuancen, die dem Kirchenbau der Renaiflance
zur Verfügung flehen. Die ewiggültigen Prinzipien der antiken
Bauweife werden durch die herrlichen Errungenfchaften einer
neuen Gedanken- und Gefühlswelt befruchtet und bereichert,
und das Reich der gotifchen Phantafie wird durch das Ideal
der antiken Vollkommenheit veredelt
Und nun kommt noch eine dritte Großmacht hinzu und
fchlietjt fleh dem Bunde der Antike und des nordifchen Mittel-
alters an. Es ifl das Leuchten des Orients mit den Gold-
mofaiken und dem Marmorglanz der Byzantiner, den höchflen
Ausdrucksmitteln für das Feierliche eines Gotteshaufes. |Diefe
Architektur mit dem Aufbau harmonifch fchwebender Kreis-
formen, mit ihrem Leuchten der Goldreflexe und des göttlichen
Lichtes, hatte oft den Adel der Formen vernachläffigt. Die
Renaiflance war nun fähig, das alles veredelnd aufzunehmen.
Stellt man fleh vor, was das fagen will, fo wird man er-
kennen, dafj die Baukunft der Renaiflance in der Tat berufen
‘1 Wer fich einen Begriff von der unendlichen Varietät der Traveenkompofition der
Romanifchen Schulen und des gotifchen Stils machen will, kann eine reiche Vorftellung aus
dem Studium von Spezialwerken bekommen. Es genügt hier auf das monumentale Werk
„die kirchliche Baukunft des Abendlandes“ von G. Dehio und G. von Bezold,
Stuttgart 18Ö4—169ö, hinzuweifen.

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