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besorgt hatte, erwarb wenige Jahre später auch die „Danae" und die „Jo", die aus Spanien an den
mailändischen Bildhauer Leone Aretino gekommen waren. Merkwürdigerweise aber werden sowohl der
„Ganymed" als auch die „Jo" vom Prager Inventar1 nicht erwähnt. Zum ersten Male ist in Tolner's
Beschreibung der Stadt Wien2 von ihnen die Rede. An Kunstwerth stellt sich indess nur die „Jo" eben-
bürtig neben die früher genannten Gemälde. Einfach in der Composition, ohne viel Beiwerk, liegt
hier aller Accent auf der Darsteilung der weiblichen Figur. Von hinten gesehen, sitzt sie mit leicht
rückwärts gebeugtem Körper auf einem Rasenhügel, über den ein weisses Linnen niederfällt. Nebelhaft
schimmern aus der Wolke, die den landschaftlichen Hintergrund überzieht, das Haupt Jupiters, der
lieh zur Geliebten neigt, und der rechte Arm, mit dem er sie umfängt. Im Vordergründe ssiesst eine
seichte Quelle, aus der ein Rehbock, dessen Kopf allein sichtbar wird, seinen Dürst stillt. Nirgends spricht
sich Correggio's Kunstideal so unverholen und so glänzend aus; es lässt sich darüber streiten, ob es ein
hohes, aber nicht darüber, ob es ein berechtigtes ist. Die Form ist ihm einzig um ihrer selbst Willen da;
sie gilt ihm bloss das was sie ist, dafür aber durchdringt er sie mit höchster Energie. Unbeirrt macht er
auch den letzten Schritt und scheut nicht davor zurück, die gesteigertste Aeusserung des physischen
Lebens im Bilde wiederzugeben. Aber Correggio's Sinnlichkeit -ist bei aller Stärke durchaus naiv und
unbefangen; von Lüsternheit ist üe ebenso entfernt, als dieser die Prüderie der späteren Zeit,3 welche
verschämt durch die Finger guckt, nahe sleht. Seine Naivetät liegt gerade in dieser völligen Beziehungs-
losigkeit, welche ihn auch in der erregten Hingebung nichts sehen lässt, als eine malerisch anziehende
Erscheinungsform des mensehlichen Körpers, ganz ebenso wie im Spiel des Christkindes, oder in der
schmiegsamen Demuth der heiligen Katharina, oder im Jubelreigen der himmlischen Heerschaaren.
Musterhaft ist die Art, wie Correggio in der „Jo" seine künstlerischen Intentionen zur Geltung bringt.
Jede Form ist von ausdruckvollster Beredtsamkeit und das Momentane der Erscheinung wie im Fluge
festgehalten. Reizend ist der zurückgeneigte Kopf mit den halbgeöffneten Lippen und den zart
gerötheten Wangen, und die ganze Figur ist überhaupt eine der anmuthigsten Bildungen Correggio's.
Farbe und Beleuchtung sind auf ihre geheimnissvollsten Esfekte hin ausgebeutet. Ein mattes Halbdunkel
überzieht das ganze Bild; nur das weisse Linnen sticht hell daraus hervor. Einzelne Lichtstreifen, die
durch die Dämmerung gleiten, sind von belebendster Wirkung. Man glaubt die innere Erregung
in leisen Schwingungen bis an die Oberssäche des weich modellirten warmfärbigen Körpers dringen
zu sehen.
Ueber die Entstehuncrszeit und die Bestimmuno; des Werkes ist nichts bekannt. Indess deuten
die Gediegenheit der Behandlung und die virtuose Beherrschung des Halbdunkels auf die späteren
Jahre des Meisters hin, denen übrigens die meisten mythologischen Darstellungen anzugehören scheinen.
Leider ist das Bild vielfach beschädigt. Am wenigsten haben der Oberkörper und die Gliedmassen von
ihrer Frische eingebüsst, dagegen sind die Schattenparthien um die Hüften durch Retouchen trüb und
sseckig geworden.
1 Vergl. den Text von C. v. Lützoto zu Unger's Radirungen nach der ,Jo" und dem ,,Ganymed" in dem Werke: ,,Die k. k. Gemälde-
Galerie zu Wien." (Wien, H. O. Micthke, 1879.)
2 In Tolner's „kurz lesenswürdigen Erinnerung etc. der Seltenheiten in und um Wien" (Wien. 1702) wird als in der „kaiserl. geistl. und
weltl. Schatzkammer" besindlich angesührt:
„(No. II, bei dem Schrank No. 2.) Ein Stück von Correggio, dess Ganymedes Raptum präsentirend.
(No. 5, aussen auf diesem Schranke, dem 3.) Ein künstlich nackendes Frauenbild, auf der rechten Seite, welches Jupiter in Gestalt einer
Wolke beschläfet, von Correggio."
3 Es scheint kaum glaublich, von welcher Empsindlichkeit man zu einer Zeit war, da doch die verslechten Reizmittel der Schäferbilder
aligemeinen Beisall fanden. Nur für die coquette Frömmigkeit der büssenden Magdalena hatte man volles Verstandniss. So hat der sranzösische
Stecher Sornique die ,Jo" in etwas veränderter Stellung, bekleidet und mit Pseil und Bogen gelüstet als „Diane endormie" reproducirt. Die
„Danae" und die „Leda" figuriren in gleich sreier Umbildung als „Diane au lit" und „Diane a sa toilette."
 
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