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DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE
AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG 187?

Von Oskar Berggruen.

III.

:

EMBRANDT'S Vaterland hatte leider fast nichts ausgestellt, was seiner grossen Vergangenheit auf dem
Gebiete der graphischen Künste würdig wäre. Nur ein Maler-Radirer, C. N. Stormvan S'Gravefande, der
'jjy| jetzt in Brüssel lebt, lässt uns sehen, dass die feine Empfindung für Colorit und Stimmung, welche die
alten holländischen Künstler auszeichnet, und ihre solide Technik noch nicht ganz erloschen sind. Es steckt kein
kleiner Rest bester Tradition sowohl in den landschaftlichen Ölbildern des genannten Künstlers, als auch in den
radirten Illustrationen zu dem Werke ,,La Hollande", welches er bei Goupil in Paris mit grossem Erfolge heraus-
gegeben hat. Ein durchaus malerischer Blick für die Vedute, eine höchst stimmungsvolle und farbenreiche Wieder-
gabe des fixirten Bildes und eine mit allen Schwierigkeiten spielende Technik verleihen diesen Blättern einen
intimen poetischen Reiz, welcher den Beschauer immer auf's Neue fesselt. Mit so geringen Mitteln lassen sich
unmöglich grössere Efsecte hervorbringen, als Storni van S'Gravefande so oft erzielt. Auch von dem Maler-Radirer
J. C. Greive dem Jüngeren in Amsterdam waren einige duftig behandelte Veduten zu sehen. Eine unvollendet
ausgestellte Radirung von J. A. Boland in Amsterdam nach dem berühmten „Festmal der Bürgergarde zur Feier
des Westphälischen Friedens 1648" von B. van der Heiß aus dem Amsterdamer Museum war zu wenig vorgeschritten,
um mehr erkennen zu lassen als die gute Zeichnung der zahlreichen Figuren. Die Radirungen von van der Brock
d Obrenon, der in Paris lebt, tragen ganz den Charakter der modernen Pariser Aquafortistenschule. Einige
Porträtstiche von P. J. Arendsen in Amsterdam, ferner einige kleine Blätter von C. L. van Keßeren in Bussum und
von J. H. Rennefeld in Amsterdam boten nichts Bemerkenswerthes. Reine Marktwaare und ganz ohne künstlerischen
Belang waren die ausgestellten Chromolithographien von G.L. A. Amand and Trefling & Co. in Amsterdam, dann von
Emrik & Bing er in Harlem.
Die SCHWEIZ hat zwei wohlbekannte Stecher aufzuweisen, welche die deutsehe und französische Nationalität
repräsentiren. Der Vertreter der letzteren ist dem Zuge gefolgt, der die romanischen Künstler gegenwärtig mehr
als je zuvor nach Paris führt und P. Girardet ist seit Jahren ein wegen der durchaus französischen Eleganz seiner
Technik beliebter Stecher, von dem nicht viele Liebhaber wissen, dass er von Hause aus ein Schweizer ist. Zwei
Thierstücke nach Boniteur und ein Genrebild nach Baron zeigten die vornehmlich technischen Qualitäten seiner
Leistungsfähigkeit in vortheilhaftestem Lichte. Der Stecher deutseher Nationalitat, Fr. Weber, ist in Basel geblieben
und erfreut uns fortwährend durch seine sseissigen, gediegenen Arbeiten. Weber beschränkt sich nicht, wie manche
Stecher, auf bestimmte Meister oder Sujets, sondern hat nach beiden Richtungen verschiedene Leistungen aufzu-
weisen, die gleichmässig befriedigend ausgefallen sind. So besitzen wir von ihm zwei im Verlage von H. Georg in
Basel erschienene Stiche nach den Studienköpfen „Madeleine" und „Elisabeth" von Winterhalter, welche, bei vortreff-
licher Zeichnung, durch ihre kräftige Behandlung die geleckte süssliche Eleganz der Originale völlig überwinden
und im besten Sinne modern gehalten sind. Ein ebenfalls von H. Georg in Basel herausgegebenes Bildniss des
Dichters J. P. Hebel zeigt unseren Künstler auch als tüchtigen Porträtstecher. Am bedeutendsten ist Weber jedoch
in seinen Arbeiten nach alten Meistern, namentlich nach Holbein, dessen Name der sonst so nüchternen Schweizer
Handelsstadt am Rhein einen ewig strahlenden künstlerischen Nimbus verleiht. Für den Stich bietet gerade das
Museum zu Basel sehr dankbare Arbeiten Holbeirfs und Weber hat nicht unterlassen, die bedeutendsten derselben
mit liebevollem Fleisse zu reproduciren. Mit grosser Zartheit und Eleganz, dem Originale vollkommen adäquat, hat
er sür den Georg'tchen Verlag jenes reizvolle Frauenbild des Baseler Museums gestochen, das von 1526 datirt ist und
die nicht misszuverstehende, mit der Auffassung der Figur übereinstimmende Inschrift „LAIS Corinti-IIACA" trägt.
Wir zählen dieses Blatt nicht nur zu den besten Arbeiten des Künstlers, sondern auch zu den am meisten gelungenen
 
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