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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 4.1882

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Berggruen, Oscar: Buonaventura Genelli
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https://doi.org/10.11588/diglit.4150#0014
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Galerie Schach.

als an den biblischen Patriarchen Abraham, den himmlische Boten des einzigen Gottes auf das an
seiner alten Gattin zu wirkende folgenschwere Wunder mit geziemendem Ernst vorbereiten. Wendet
man sich aber den mythologischen Compositionen des Künstlers zu, so begegnet man fast durchwegs
nur erfreulichen Schöpfungen, deren heitere Schönheit in seltsamem Widerspruch lieht zu den Ver-
hältnissen, unter denen der Künstler sie hervorgebracht. Zwischen den kahlen weissen Wänden seines
„Ateliers," auf einem grossen tannenen Tische, lagen diese heute weithin zerstreuten' kostbaren Blätter,
welche bald in grösseren, bald in kleineren Dimensionen, mehr und minder figurenreich, fast alle Capitel
der hellenischen Mythologie behandeln. Es ist unmöglich, auch nur einen Überblick über diese zahl-
reichen Arbeiten Genelli's zu geben, von denen ein geringer Theil in dem Sammelwerke „Satura"
publicirt worden isl ;2 nur wenige seien beispielsweise aufgeführt. So unter den kleineren eine Centauren-
familie, wo der Vater dem an der Mutterbrust liegenden Jungen einen neugeborenen Löwen vorhält,
um seinen hofsnungsvollen Sprössling im Scherz zu schrecken; Prometheus, dem schlasenden Zeus das
Feuer Hehlend; ein musicirender Amor, von Schwänen gezogen u. s. f. Aus den grösseren mytholo-
gischen Compositionen seien, ausser den bereits angeführten Gemälden der Galerie Schach, hervor-
gehoben: die figurenreichen Darstellungen Homers, der seinen jonischen Mitbürgern seine Gesänge vor-
trägt, und Äsops, welcher vom Rande eines Brunnens herab die Genossen seiner Sklaverei durch
seine Fabeln ergötzt; dann Apollo unter den Hirten, welcher durch seine Kunst jeglichen Gram ver-
scheucht; ferner Sappho, die im Kreise schöner Frauen ihre Hymnen singt, und die ergreifende Schilde-
rung, wie der vom König Sisyphos überlistete und gefesselte Todesgott, nach seiner Befreiung durch
Ares, den sein Leben für gesichert haltenden schlauen König von Ephyra plötzlich bei einem Festgelage
überrascht und aus dem Kreise der Familie und der Freunde mit unwiderstehlicher Gewalt in die Unter-
welt entführt. Diesen antiken „Todtentanz" muss man sehen,3 man muss sich erfreuen an der Schönheit
des gessügelten jünglingfrischen Genius mit der umgekehrten Fackel, welcher sein Opfer sanft erfasst
und es freundlich geleitet, dann aber etwa die Todesbilder von Holbein aufschlagen, auf denen der
Tod, als roher Geseile, Jung und Alt mit physischer Überkraft gewaltsam anpackt, um nicht bloss der
ungeheuren Kluft zwischen antiker und neuerer Weltanschauung inne zu werden, sondern auch der
erstaunlichen Sicherheit und Feinfühligkeit, mit welcher Genelli, desfen Wiege doch nur in Spree-Athen
gestanden, die erstere zur Anschauung gebracht hat.
Während der langen Münchener Leidensepoche hat Genelli auch seine grossen cyklischen Com-
positionen geschaffen, die für die ganze Arbeit seines Lebens so charakteristisch sind. Fr hat sich nicht
nur solcher Stofse, welche ihm Sage und Dichtung boten, bemächtigt, sondern er hat auch mehr als
ein Thema aus der Tiefe seines eigenen Geiiles geholt und entwickelt. Diese Neigung und unge-
wöhnliche Fähigkeit, sich gegen vorhandene Stoffe nicht als blosser Illustrator zu verhalten, sondern
um- und fortbildend einzugreifen in den ethischen und poetischen Kern derselben, hat er auch in vielen
1 Die Wiener Kunstacademie hat, vornehmlich auf JLützow's Betreiben, von der Witwe Genelli's nicht weniger als 284 Blätter mit Hand-
zeichnungen des Meisters bald nach dessen Tod erworben Dieselben bieten theils fertige Compositionen, darunter einige unveröffentlichte und
unbekannte, theils Entwürse und Studien zu bekannten Werken des Meisters und mehrere elste Einfälle, worunter einzelne launige Caricaturen
Diese Zeichnungen bilden, vrieLützow sich in einem ungedruckten interesfanten Vortrag treffend ausgedrückt hat, ,,in ihrer Gesammtheit wohl den
vollständigsten Apparat, der jemals aus der Verborgenheit einer Künstlerwerkstatt an's Licht getreten ist," und enthalten insbesondere zahlreiche
und bedeutende Studien zu den in der Galerie Schack bewahrten Werken Genelli's Zeichnungen und Aquarelle von Genelli besitzen, ausser der
Galerie Schack und der Wiener Kunstacademie, vornehmlich: die Fürstin Hohnilohe, die Baronin Sina und Graf Victor Wimpffen in Wien; des
Künstlers Verleger Brockkaus und Pürr, sowie die Herren Dr. Härtet und Cichorius in Leipzig; die Herren Max Jordan und Alexander Minseh
in Berlin und der rühmlichst bekannte Kunstsorscher Senator Giovanni Morelli in Bergamo.
2 ,,Satura." 34 Compositionen von Buonaventura Genelü, gestochen von H. Merz, H. Schütz und A. Spiefs. Mit erläuterndem Text von
Dr. Max Jordan. Leipzig, Alphons Dürr.
3 Die Wiener Kunstacademie besitzt diese grosse Zeichnung Nach dem Carton zu derselben hat Th Langer einen Stich angesertigt,
welcher dem oben angesührten Aussatze Jordan's in der „Zeitschrift sür bildende Kunst" beiliegt
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