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Gruppe aus dem Bühnenvorhang: ,,-Die Nacht mit den von ihr erzeugten Leidenschasten."
Einzelcompositionen bewährt. Der Vergleich der erwähnten, hier im x<\bbilde vorgesührten grossen
Gemälde der Galeric Schuck mit den betresfenden Stellen der Dichtungen, die den Stosf zu denselben
geliefert haben, lässt bereits diese Gabe des Künstlers erkennen; noch deutlicher tritt sie in einem
anderen Ölbild Genelli's in der Galerie Schuck hervor: dem Entwurf zu einem Bühnenvorhang. Zwei
Genien tragen ein flatterndes gewebtes Tuch, auf welchem die bezeichnenden Worte zu lesen:
„Der Leidenschaften wüstes Heer, dem Schooss der alten Nacht entstammt,
Die stille Schaar der Tugenden, vom Licht geboren, lichtumflammt,
Der Nemesis, des Fatums Walten, Ihr schauet hier in Traumgeftalten."
Darunter sitzt auf dunklem Gewölk die Nacht, umgeben von den Leidenschasten, die sie gezeugt:
die Völlerei, Trägheit, Wollust und den Neid, welche sich an die Mutter schmiegen, birgt sie unter ihren
mächtigen Schwingen, der Stolz sleht mit dem Geiz zur einen Seite der Mutter, der verderbliche
Zorn zur andern. Über dem Tuch schwebt der lichtbringende Tag, umgeben von den ihm entslammenden
Tugenden, der Hosfnung, Liebe, Mässigung, Stärke, Gerechtigkeit, Weisheit und dem Glauben, welche
ihren Erzeuger singend lobpreisen. Die Idealfiguren des Fatums und der Nemesis, die zu beiden Seiten
dieser Gruppen erscheinen, verweisen auf deren Beziehung zur Bühne. Aus den Ornamentpilastern,
welche die Composition seitlich abschliessen, gewahrt der Beschauer zu seiner Rechten eine Gruppe
„Scherz und Ernst," zur Linken den Genius der Schauspielkunst an den der Natur gelehnt. Als Basis
der Composition dient eine Predelle, welche, nach einer aus dem „Don Quixote" geschöpsten
launigen Idee, einen Zug sahrender costümirter Schauspieler darsteilt, in dem allerhand Charakterfiguren
aus berühmten Bühnenwerken so bunt zusammengewürselt sind, als wären die Darsteller eines ganzen
Wochenrepertoires durcheinander gerüttelt und auf die Bühne hingeschüttet worden. Bekrönt wird die
Composition, deren pyramidaler Ausbau in Allem und Jedem die leicht ordnende und energisch
zusammenhaltende Hand des Meisters verräth, durch einen die erhebende und besreiende Macht der
dramatischen Kunst symbolisirenden geslügelten Genius, welcher Rosen und Lilien streuend über dem
Ganzen schwebt. Alle Details, so namentlich die untere, mit reichen Fransen eingesasste Bordüre,
welche ein reizendes teppichartiges Ornament in einer Umrahmung von mäandrischen Linien ziert,
deuten daraus hin, dass der Künitler eine praktische Verwendung dieses Entwurses im Auge hatte;
dass bisher noch keines der neueren deutschen Schauspielhäuser daran dachte, diesen genial ersundenen

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