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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 10.1887

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Heft VI
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Berggruen, Oscar: Victor Tilgner's Bildhauerwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.3560#0173
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VICTOR TILGNER'S BILDHAUERWERKE

Oskar Berggruen.

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Z/WEIFACH ist die Richtung, in welcher sich die
künstlerische Thätigkeit Viclor Tilgner's bewegt,
der unter den jüngeren Wiener Bildhauern als einer
der angesehensten und begabtesten bezeichnet wer-
den darf. Einerseits ist auch für die Entfaltung seines
Talentes der Aufschwung massgebend geworden,
den das folgenreiche Werk der Stadterweiterung
sür die Wiener Architektur und ihre Schwesterkunst,
die Sculptur, zur Folge hatte, indem Tilgner auf
dem Gebiete der decorativen Plastik zu erfreulichen
Leistungen Gelegenheit erhielt; andererseits hat er
ein Feld, welches zur Zeit seines Auftretens in Wien
gänzlich brach lag, mit grossem Eifer, ausnehmen-
der Begabung und ganz ungewöhnlichem Erfolg
bebaut, das Feld der Porträtplastik.
Als Sohn eines Hauptmannes in der kaiser-
lichen Armee am 25. October 1844 zu Pressburg
geboren, kam Victor Oskar Tilgner schon im Alter
von zwei Jahren nach Wien und empfing dort die
gewöhnliche Schulbildung. Die Verhältnisse seiner Familie waren so ungünstig, dass für die Erziehung
des begabten Knaben keinerlei Aufwand gemacht werden konnte; er musste sich selbst heranbilden,
und trachten, seine künstlerischen Anlagen, welche frühzeitig hervortraten, sich nutzbar zu machen.
Unter grossen äusseren Schwierigkeiten strebte Tilgner beharrlich, lieh sür den künstlerischen Beruf aus-
zubilden, der ihm schon in frühester Jugend als Ziel vorschwebte. Er fand 1859 in der Wiener Kunst-
akademie bei Professor Bauer Aufnahme und trat dann in die Schule des durch Werke der kirchlichen
Kunst bekannten Bildhauers Joseph Gaffer von Valhorn, welcher seinem talentvollen Zögling besondere
Aufmerksamkeit widmete. Aus der Akademie machte lieh die angeborene Begabung Tilgner's rasch
ebenso geltend wie sein unermüdliches Streben nach Vervollkommung; mehrere Preise, darunter die
goldene Füger'sche Medaille, ein Hofpreis und ein Stipendium, wurden ihm zu Theil. Als er im Februar
1871 die Akademie verliess, hatte er sich alles angeeignet, was ihm unter den damaligen Verhältnissen


Viftor Oskar Tilgner.
 
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