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xerer

sind. Freilich gehört hiezu nicht
allein der grosse Künstler, sondern
auch der moderne Kunstfreund:
der Mensch, den die Photographie
schauen, das Mitleben mit der
geistigen Naturwissenschaft ana-
lysiren, die Strömungen der Gegen-
wart empfinden gelehrt hat. Was
hatten noch unsere Eltern zu solch
unfertigen Blättern, andeutenden
Skizzen, blitzartigen Momentauf-
nahmen gesagt! Behelfe für den
Künstler, weiter nichts. Für einen
unverständlichen Vorgang hätten
sie es gehalten, sie zu reproduciren,
damit die Allgemeinheit sich daran
ergötze. Wir dagegen freuen uns,
wenn wir rathen, deuten, nach-
empfinden müssen, wenn wir erst
auf dem Wege der Suggestion zum
vollen Verständnisse gelangen und
solchermassen gleichsam Mitschö-
pfer und Mitarbeiter am Kunstwerk
werden. So finden wir z. B. in den
Blättern »Im Walde«, »Canal«.
»Strandhäuser«, >- Dorfstrasse«
deren Originale aus der Berliner
Nationalgallerie und dem Dresdener
königlichen Kupferstichcabinette
entstammen, sowie in den »Netz-
ssickerinnen« und anderen eine derartige Fülle bewegten Lebens, wie sie bei solcher Knappheit der
Zeichnung kaum ein Zweiter zu geben vermag.
Fühlt man aus seinen Landschaften gleichsam die Zeit, die dem alten Antlitz der Mutter
Erde seine charakteristischen Furchen eingegraben, die tausendjährigen Processe in der Erde und
der Atmosphäre, die der Oberfläche allmählich ihr gegenwärtiges Aussehen verliehen, so sind seine
Bauerngestalten und Charakterstudien aus dem Volke nicht minder mittheilsam durch den Ausdruck
der Schicksale und Lebenserfahrungen, die wir diesen stillen, friedfertigen Gesichtern ablesen.
Affectlos, ohne jede anekdotenhafte Beigabe stehen sie vor uns, reine Existenzbilder, und doch
können wir die einfache, aber oft ergreifende Geschichte ihres Lebens deutlich aus diesen stillen
Zügen entnehmen. Welch gebundene Kraft, z. B. im Kopfe des holländischen Mädchens, wie
früh hat dieses Geschöpf ein fest in sich abgeschlossenes Wesen entwickelt. Wie ein Pfahl am Ufer,
der ruhig der wüthenden Brandung entgegenharrt, so gewappnet gegen alles Kommende sieht
dieses kaum dem Kindesalter entwachsene Wesen aus. Welche Resignation dagegen in dem
ausdrucksvollen Kopfe der alten Frau aus der Münchener Sammlung (Nr. 7). Sie hebt die


Studie einer Bäuerin. Nach einer Kreidezeichnung von M. Liebermann
(Mit Genehmigung des Verlagen von B. und P. Cassircr reproducirt )

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