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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 22.1899

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Schölermann, Wilhelm; Berlepsch-Valendas, Hans E. von; Hevesi, Ludwig: Die Jahresmappe der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1899: Emil Orlik, Fritz Burger, Felician Freiherr von Myrbach, Hermine Laukota, Friedrich Kallmorgen, Gustav Bamberger, Wilhelm Laage, die Bildstickereien der Frau Henriette Mankiewicz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4071#0094
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FELICIAN FREIHERR
VON MYRBACH.

A",?, // ««er Einladungskarte von Myrbach.

Es ist noch nicht lange her, da war das bacillen-
haltige Wort »Illustrationsseuche« ein förmliches Schlagwort
in deutschen Bücherkritiken. Es steigerte sich gelegentlich
sogar zu dem Grade von »Bilderpest«. Kaum erschien irgend
einClassiker oder Roman illustrirt, so erscholl in den Zeitungen
ein Chor von Hohn, der sich sogar zu Protesten zuspitzte,
dass der Zeichner So-und-so sich vermessen habe, mit seinen Figuren der Phantasie des Lesers
vorzugreifen, der sich den Helden und die Heldin vermuthlich »ganz anders vorgestellt habe«.
Dabei war es gleichgiltig, ob der Künstler gut oder schlecht gearbeitet hatte, denn das konnten
jene Kritiker, meist »reine« Bücherkritiker, gar nicht unterscheiden. Das Schlagwort war nun einmal
ausgegeben: fort mit dem Bilderzeug! Den Herren, die keinerlei lebendige Beziehung zur bildenden
Kunst hatten, wäre es am liebsten gewesen, nur Gedrucktes vor Augen zu bekommen. Erhoben
sich ja damals sogar Stimmen in der Presse, die es als »Unsinn« bezeichneten, eine Wandelhalle
mit Bildern zu schmücken, da sie zum Wandeln da sei, nicht aber zum Bilderansehen, welches das
Wandeln aufhebe, indem es zum Stillstehen verleite. Die alten Athener fühlten sich in ihren Leschen
und Poikilen durch noch so viele Bilder nicht genirt. In unserer mehr musikalischen, als
malerischen Zeit sind die Promenadeconcerte etwas Ähnliches; man wandelt und lässt Musik um
sich herwandeln, wie dort Malerei. Die Künste streifen Auge und Ohr, wie das Fächeln einer reineren
Sphäre, und gelangen mehr oder weniger zum Bewusstsein.
Uns Heutigen, deren Streben es ist, die bildende Kunst wieder zu einem Bedürfnisse der Menge
zu machen, kann gar nicht genug bemalt und illustrirt werden. Aber freilich gut; womöglich sehr
gut. Mit Talent, und aus der Sache heraus und dem Stosfe gemäss. Die moderne Illustration hat dies
endlich wieder begriffen und weiss, dass sie vor allem »Buchschmuck« ist, — natürlich auch wieder
ein Wort, über das man parodistisch hergefallen ist, so dass Manche es schon lieber vermeiden. Vor
der Massenillustration der vorigen Generation wird die Nachwelt keinen Respect haben. Sie war
der reine Fabriksbetrieb, und zwar nach dem Motto »Schlecht und billig«, das einst Reuleaux für
das Kunstgewerbe so heilsam an die Wand nagelte. Die grosse Missachtung, in welche die
 
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