Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
42

Silhouetten von Ober-Zell im Osten und Nieder-Zell im Westen der Insel. Und wer das
Schilf liebt, diese feine, wundervoll gezeichnete Pflanze mit ihrer zarten Beweglichkeit, kommt
auch auf seine Rechnung; ich habe es nirgends so schön gefunden, als in der Umgebung dieser
beglückten Insel. Meyer-Basel ist unübertrefflich in der Darstellung des Schilfes, wie es sich
rhythmisch biegt im Winde oder schimmert und funkelt unter den Strahlen der Sonne.

Bei seinen wiederholten Reisen zwischen München und Basel musste der Künstler stets in
Lindau verweilen. Er konnte dabei nicht unempfindlich bleiben gegen den eigentümlichen Reiz dieser
kleinen stillen Stadt, von dereinTheil, das Rathhaus, ein Paar Strassen und Wälle, wie versteinertes
Mittelalter aussieht, während der andere mit Bahnhof, Hafen und Hotels mitten im modernsten
bewegten Leben steht. Meyer-Basel hat sich natürlich an das Alte gehalten und von der alten
Brücke aus, die die Insel mit dem Ufer verbindet, die Silhouette der Stadt in einer kühnen, lebens-
vollen Algraphie wiedergegeben. Besonders fesselten ihn dabei die Lichtwirkungen zwischen Wasser
und Himmel, wie sie die Städte an Landseen oder todtem Wasser aufweisen: Dortrecht nicht
minder als Lindau, Lindau nicht minder als Venedig.

Mit Lindau sind wir bereits in Bayern und damit zu der zweiten Mappe seiner
Blätter gekommen. Wir wollen diese etwas schneller durchblättern, haben doch seine
Arbeiten immer denselben Charakter, und die Motive sind zu beiden Seiten der Grenze
ähnliche. Auch in Bayern beschäftigen ihn nicht das Hochgebirge oder die Alpenseen.
Er suchte hier von Anfang an eine Gegend, wo er das findet, was ihm den Bodensee
lieb gemacht hat: flache Ufer, Säume zackig ausgeschnittener Bäume und das flüsternde
Schilf. Das alles bietet ihm der Chiemsee und vor allem die Fraueninsel mit ihrem Kloster und
den weissen Zwiebelthürmen, die sich in dem ruhigen Wasser spiegeln. Er hat sie in einer reiz-
vollen farbigen Algraphie gezeichnet. Nicht zu vergessen sind aber auch seine zahlreichen Studien
aus der unmittelbaren Umgebung Münchens, aus Giesing und den Sümpfen der Isar, wo der
Himmel fast ebenso schön ist wie in Holland, nur viel härter in der Farbe. Auch am Lech, zu
Schongau und Landsberg hat er entzückende, anspruchslos einfache Winkel entdeckt, sowie
er sie liebt, Flussufer mit mittelalterlichen Stadtbildern.

III.

Nachdem wir nunmehr mit dem so schön einheitlichen Werke des Radirers und Lithographen
zu Ende gekommen sind, wäre noch über den Maler und Pastellzeichner zu sprechen. Aber auch
hier ist er der Nämliche: Es ist immer derselbe Geschmack, die gleiche Vorliebe und dieselbe
bewegte Ruhe der Natur gegenüber, dieselbe liebevolle Gewissenhaftigkeit, aber vereinigt mit
eifrigem Streben nach Farbe, nach prächtiger, kraftvoller und dabei klarer Farbe, wie sie die Basler
Tradition verlangt, die die Vorzüge Frankreichs und Deutschlands vereinigen will. Gewiss steht
Meyer-Basel einem Diaz oder Daubigny näher, als seinem grossen Landsmanne Böcklin; aber er
hat doch auch die kräftigen rothen Farbentöne des feuchten Spätherbstes Bayerns. Seine Bilder
haben somit gleich grossen Antheil an der Schule von Dachau, wie an der von Barbizon. Aber wir
ziehen wenigstens gegenwärtig bei ihm den Pastellzeichner dem Ölmaler vor. Besonders zwei
seiner Pastelle möchten wir als Meisterwerke bezeichnen. Das eine zeigt in der Beleuchtung eines
zu Ende gehenden schönen Sommertages die rosigen Gipfel des Sentis aufsteigend aus den fetten
Vorbergen von Appenzell und St. Gallen. Das zweite, vielleicht noch schönere, ist dagegen ein
Blick von oben, eine Ansicht des Chiemsees mit seinen Inseln voll Klöstern und Schlössern, seinen
Vorgebirgen und, ganz hinten mit den unendlichen Fernen der bayerischen Ebene gegen die Donau
 
Annotationen