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zu, wo Regenfluthen niederrauschen, die aber die durchbrechende Sonne in Lichtfluthen
verwandelt.

Der Maler und Pastellzeichner dringt auch eher in das Hochgebirge vor, als der Radirer.
Manches überraschende Motiv ist der Lohn dieser Kühnheit, so zum Beispiel eine Hutweide auf
einer abschüssigen Berglehne mit den gebundenen Schwaden. Aber bevor Meyer-Basel dem
bayerischen Herbste das prachtvolle Roth und Gold abgelernt hatte, war er eine Zeitlang sozu-
sagen ein ausgesprochener Franzose als Landschafter und liebte die grauen Regentöne. So auf der
prachtvollen Studie eines Hochwassers am Bodensee.

Ein so trefflicher Radirer muss natürlich vor allem auch ein vorzüglicher Zeichner sein. Die
Zeichnungen Meyer-Basels, fast alle auf Naturpapier und mit Weiss gehöht, packen durch die
stets sich gleich bleibende unbedingte Ehrlichkeit und Naturtreue. Sie zeigen uns einen noch
grösseren, wuchtigeren Künstler als die Radirungen. Schon rein äusserlich betrachtet, hat er sich
mit der Kupfer- oder Aluminiumplatte nie an ein sehr grosses Format gewagt. Seine Zeichnungen
nun beweisen, wie viel er dadurch gewonnen hat. Sie beweisen ferner, dass bei seiner Sorgfalt,
seiner Ausdauer und seinem feinen Masshalten die Versuche in mehrfarbigen Drucken, die er seit
kurzem macht, eine Erneuerung und einen bedeutenden Fortschritt in seinem künstlerischen
Schaffen herbeiführen werden. Aber wie dem immer sein möge, er ist und bleibt der feinsinnige
Poet und Zeichner des flüsternden Schilfes am Bodensee und der langen Schatten, die die
Wäldchen und Hecken über die Felder von Reichenau oder über die silberglänzenden
Krümmungen der stillen Lahn oder des wilden Lech hinbreiten.

William Ritter.

C. Th. Meyer-Basel.

»Am Ostersee.« Originalradirung.
 
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