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Auftrag, ein Porträt nach der Natur zu radiren, zu bereiten versuchte. Als das Wichtigste aus dieser
Reproductionsperiode nennen wir den in strenger Linienmanier ausgeführten Stich nach dem Wiener
Gemälde des Andrea del Sarto: »Die Beweinung Christi«, bei welchem er bereits mit einer voll-
kommenen Beherrschung der so schwierigen Technik und grosser Exactheit in der Zeichnung auftritt.

Nach der Übersiedlung des von Michalek heute noch hochverehrten Lehrers Jacoby nach Berlin
kam endlich, wenn auch nur wie das Dämmern des ersten Morgenstrahles nach langer Nacht, die
Stunde der Selbstbcfreiting. Indem die vielen kleinen Reeommandations-Arbeiten ausblieben,welche
bisher zwar den leiblichen Unterhalt gewährten, aber das Auge und die Hand lähmten, erwachte
wieder der innere Drang, nur mehr frei nach der Natur zu schaffen. Michalek widmete sich nun
jener Technik, welche seiner graphischen Laufbahn am nächsten stand, seiner Sehnsucht nach
Farbe am meisten entsprach, dem Pastellporträt. Freilich war er hier Lehrer und Schüler zugleich,
und nur die Liebe zu der wiedergefundenen Kunst und zu der neu hinzugefundenen jungen Gattin
führten ihn rastlos auf der neuen, mühsamen Bahn weiter. Das Vertrauen wuchs, als seine Porträte
wenigstens in kleinen Kreisen Beifall fanden und ihn befähigten, nach und nach auf dem freien
Felde der Kunst aufzutreten. Auf seiner ersten Studienreise nach Berlin und Hamburg schuf er
rasch aufeinander vier Pastelle, den Geigerkönig J. Joachim, Dr. Hans Bülow, den .Maler
Ludwig Knaus und den Dichter Ernst von Wildenbruch; auf der Rückreise über Dresden
zeichnete er den ('laviervirtuosen Rubinstein und in Prag den Componisten Dvorak; durchwegs
ernste Leistungen, welche seine raschen Fortschritte offenbarten.

Diese künstlerische Wiederbelebung veranlasste ihn, nach Wien zurückgekehrt, ein bereits
begonnenes und von dem Wiener Kunsthändler Heck angeregtes und verlegtes Unternehmen
fortzusetzen, nämlich die Radirungen-Serie alter und neuer Tondichter und Musiker. Schubert und
Beethoven waren bereits 1889 erschienen. Es folgten nun bis zum Jahre 1893 noch 9 Portrat-
köpfe in Gross-Folio. Während Schubert, Mozart, Haydn, Bach, Händel, Mendelssohn,
Schumann, Chopin und Wagner die vorhandenen alten Bildnisse in gewissenhafter Anlehnung
reproducirten, sind Beethoven und Johannes Brahms Michaleks ureigenste Werke, welche
durch feine Charakteristik und lebendige Auffassung hervorragen. Der erstere ist frei nach der
Gesichtsmaske componirt, der letztere nach dem Leben gemalt und radirt. Die Technik in beiden,
wiewohl noch im alten Schulstile, zeigt bereits eine freiere Auffassung, die Flächenbehandlung,
weil ursprünglich malerisch gedacht, erscheint weicher und lockerer. Das bedeutendste Porträt
von allen ist jenes von J. Brahms, das in Musikerkreisen verbreitetste jenes von Beethoven. .Max
Klinger, der begeisterte Brahms-Verehrer, ist, wie er in einem Briefe an Michalek schreibt, von
der Tiefe des Ausdruckes in der Brahms-Radirung überrascht.

Ebenso verbreitet wie das Beethoven-Porträt ist eine in Lichtdruck vervielfältigte Zeichnung,
welche Michalek in einer glücklichen Stunde schuf, indem er den Geigerkönig J. Joachim während
einer Musikprobe in Gmunden skizzirte.

Diese ersten Erfolge selbstschaffender Kunst, welche seinen Namen rasch bekannt machten,
bringen es mit sich, dass er selbst Aufträge wie jenen der Fürstin Trauttman nsdorff, ihr Porträt
nach dem Gemälde Bunzls zu radiren, nur mehr mit Zuhilfenahme von Sitzungen ausführte. Für
dieses sich durch Klarheit und Frische auszeichnende Blatt erhielt er auch in Berlin und Paris die
Medaille. Es folgen nun zahlreiche radirte Porträtblätter meist nach eigenen Studien, doch auch hin
und wieder, wie es eben der Erwerb fordert, nach anderen Künstlern, wie Horowitz, Blaas oder
Pochwalski, welche wir hier übergehen wollen, da sie in dem beigedruckten Verzeichnis aller
graphischen Arbeiten Michaleks aufgezählt werden.
 
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